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Interview | 23.03.2022
Macht – dunkel und hell
Wie kommt man ganz nach oben und was braucht es, um trotzdem Nein sagen zu können, wenn man nicht mehr mitmachen will? Ein Apolut-Gespräch mit Ulrike Guérot.
Text: Michael Meyen
 
 

Ulrike Guérot hat etwas geschafft, was in der Wissenschaft nur Wenigen vergönnt ist. Sie hatte sowohl das Ohr der Politik als auch eine Stimme in den Leitmedien. Die Stationen in ihrem Lebenslauf lesen sich wie das Who's Who der westlichen Welt: Studium an einer Elite-Uni in Paris. Nach der Promotion in Münster Mitarbeiterin von Karl Lamers, damals außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Es folgen das Jaques Delors Institute, die Johns Hopkins Universität, die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, der German Marshall Fund und der European Council on Foreign Relations. Seit 2013 wirbt Ulrike Guérot für eine europäische Republik (vgl. Guérot 2016). In drei Schlagworten: Nationalstaaten abschaffen, ein Parlament für alle, Bürgergeld. 2014 hat sie das European Democracy Lab gegründet, war fünf Jahre Professorin in Krems und hat seit September 2021 einen Lehrstuhl für Europapolitik in Bonn.

Bei der Berufung war der Zug schon abgefahren, mit dem Guérot ihr Buch "Wer schweigt, stimmt zu" beginnt – der Zug der Coronamaßnahmen, ein Zug, den alle in Panik erreichen wollten und der dann immer schneller an Fahrt aufnahm (Guérot 2022). Wir sprechen darüber, was passieren musste, damit jemand wie Ulrike Guérot im März 2020 am Bahnsteig stehengeblieben ist. Das führt in die Hölle der sozialen Medien, zum Versagen von Politik, Justiz und Wissenschaft, in die Untiefen der Demokratietheorie sowie (wie sollte es anders sein) zum Habitus und damit zu den Prägungen, die jeder in der Kindheit erfährt.

Das Gespräch wurde Anfang März 2022 aufgezeichnet. Der Krieg in der Ukraine hatte damals gerade begonnen, wir haben aber entschieden, dieses Fass nicht aufzumachen. Zum einen war unklar, wann das Interview veröffentlicht werden würde, und zum anderen wollte Ulrike Guérot ihre Position zu diesem Thema lieber in den Leitmedien artikulieren, um möglichst viele Menschen zu erreichen (vgl. Guérot/Ritz 2022).

Literatur

Ulrike Guérot: Warum Europa eine Republik werden muss. Eine politische Utopie. Berlin: Dietz 2016

Ulrike Guérot: Wer schweigt, stimmt zu. Über den Zustand unserer Zeit. Und darüber, wie wir leben wollen. Frankfurt/Main: Westend 2022

Ulrike Guérot, Hauke Ritz: Endspiel Europa. Warum das politische Projekt Europa gescheitert ist – und wie wir wieder davon träumen können. Frankfurt/Main: Westend 2022

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Bildquellen: apolut.net