Ich erinnere mich noch genau. Die Mail kam, als wir längst Bewerbungsschluss hatten und schon die Aufnahmegespräche planten. 30 Minuten auf dem Bildschirm, um spüren zu können, ob der Mensch zu uns passt und zu unserer Idee, junge Leute ein Jahr lang auf ihrem Weg in den Journalismus zu begleiten. Wir hatten, glaube ich, 15 oder 16 Termine ausgemacht, und hofften, hinterher die zehn Teilnehmer zu kennen. Ich schreibe das vorsichtig, weil wir nach den Bewerbungsschreiben auch ein wenig unsicher waren: Gibt es überhaupt genug Kandidaten, die sich tatsächlich auf das Abenteuer Freie Akademie für Medien & Journalismus einlassen wollen, Kontaktschuld inklusive? Und wenn ja: Würden wir die Wenigen am Ende nicht noch verschrecken mit dem Anspruch, jede Woche etwas schreiben und dann noch von uns kritisieren lassen zu müssen?
Dann kam diese Mail. 12. August 2022. Ich habe noch einmal nachgeschaut:
Mein Name ist Hakon von Holst. Ich bin 23 Jahre alt. Heute Mittag bin ich über den Beitrag von Michael Meyen gestolpert, Titel: Mediennachwuchs gesucht. Ich glaube, Ihr habt da ein sehr gutes, sinnvolles Projekt auf die Beine gestellt. Journalist zu werden bedeutet für mich weniger, eine bestimmte Technik zu erlernen, als vielmehr an sich selbst zu arbeiten. So bekommt der gute Kern in einem selbst Licht zum Wachsen. Ich denke, auf diese Weise schafft man überhaupt erst die Voraussetzung dafür, das Wesentliche erfassen und authentisch berichten zu können.
Dieser Bewerber war anders als die anderen. Mit elf, schrieb er uns, habe er unter dem Eindruck von Stuttgart 21 einen monatlichen Newsletter gestartet, sich dann „in die Eigenheiten der deutschen Rechtschreibung (und Zeichensetzung)“ eingearbeitet, so das Buch „Das Bargeldkomplott“ von Hansjörg Stützle Korrektur lesen dürfen – und sein Thema sowie einen Mentor gefunden. Die Publikationsliste war beeindruckend. Rubikon, Bargeldverbot.info, Geld und mehr von Norbert Häring.
Bewerbungsschluss hin oder her: Wir haben einen Termin gemacht und unser Glück als Ausbilder gefunden. In der Zwölfer-Gruppe, die im Frühherbst 2022 zu uns in die Oberpfalz kam, waren großartige junge Leute, keine Frage, zum Teil schon mit Fangemeinden und ohne jeden Zweifel, auf welcher Seite sie stehen würden in den Kämpfen der Zukunft. Andere haben schnell aufgegeben. Eine Frau meldete sich nicht mehr, als wir einen ihrer Texte nicht ganz so toll fanden, und eine andere sagte, dass sie doch lieber für die Uni lernen wolle. Hakon von Holst ist in dieser Umgebung aufgeblüht. Natürlich hat er einige der Übungen genutzt, um über Bargeld zu schreiben, aber wir wären schlechte Lehrer, wenn wir ihm das dauerhaft hätten durchgehen lassen. Hakon ist daheim zu den Bauern gegangen, hat zugehört und das gemacht, was ein guter Journalist tut. Sehen und sagen. Eine Recherche zur Düngeverordnung hat es in die Berliner Zeitung geschafft und ein Kommentar zur Nährwertampel immerhin auf der Akademieseite, wo Hakon auch nach dem Abschluss regelmäßig schreibt.
Wichtiger: Er hat etwas aus dem Jahr bei uns gemacht. Ich kann hier unmöglich alles verlinken, was seitdem entstanden ist, und beschränke mich deshalb auf seinen Text über Kontokündigungen bei Oppositionsmedien – eine Arbeit, die nur jemand leisten kann, der für eine Sache brennt. Dieser Multipolar-Artikel ist in Auszügen in den Mainstream geschwappt (unter anderem in die Neue Osnabrücker Zeitung) und hat die Debatte verändert. Welcher Journalist kann das schon von sich sagen?
Sie merken schon: Das ist eine lange Vorrede für das, was ich eigentlich will. Montag erscheint Hakons erstes Buch. Krieg gegen das Bargeld, Untertitel: „Warum wir Münzen und Geldscheine für unsere Freiheit benötigen“. Ich durfte den Text vorab lesen. Sie wissen jetzt: Ich bin befangen. Trotzdem. Besser kann man das auf 80 Seiten nicht machen. „Ich bilde mir nicht ein“, schrieb Hakon in seiner Bewerbungsmail vor knapp drei Jahren, „dass ich einen Sachverhalt besonders lebendig und ansprechend darstellen könnte“. Kann sein, dass das damals so war. Heute liefert dieser Autor neben aller Politik auch und vor allem ein Lesevergnügen.
Vielleicht werden Sie sagen: Da predigt jemand zu den Bekehrten. Ich zahle doch längst nur noch bar. Mag sein. Das Buch lohnt sich trotzdem, weil Hakon von Holst nicht nur Munition für die Verteidigungslinie liefert (um in der Sprache seines Titels zu bleiben), sondern längst mehr ist als ein Aktivist, der sich umfassend eingelesen hat. Immer wieder streut er ein, was er bei Auftritten erlebt hat, bei denen auch die Gegenseite präsent war. Mastercard zum Beispiel. Hakon von Holst kennt die Allianzen und kann so ganz überraschende Verbündete präsentieren. Mehr will ich hier gar nicht verraten und stattdessen Ronald Thoden danken, dem Verleger, der diesem jungen Autor vertraut. Mit Schreibern wie Hakon von Holst können wir gelassen auf das zugehen, was da kommen wird.
Hakon von Holst: Krieg gegen das Bargeld. Warum wir Münzen und Geldscheine für unsere Freiheit benötigen. Berlin: Hintergrund 2025, 80 Seiten, 10,90 Euro.
Hakon von Holst bei Milena Preradovic
Berichte, Interviews, Analysen
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