Es ist Geld da. Für Faktenchecker. Machen wir das nicht auch hier am Medien-Tresen? Die Fakten checken, die der Mainstream so verbreitet? Wobei oftmals das, was berichtet wird, nur entfernt etwas mit Fakten zu tun hat. Deswegen trinken wir auch immer wieder ein Gläschen (oder zwei oder drei), um die Leistungen der Kollegen besser ertragen zu können. Jetzt wollen wir doch mal sehen, ob wir den Spieß nicht umdrehen können. Schließlich nutzt die EU auch eine Kriegsmetapher, wen wundert‘s bei der Friedensnobelpreisträgerin. Ursula von der Leyen spricht vom „Democracy Shield“ der EU. Ist das groß genug, dass auch für uns noch ein Platz dahinter frei ist?
Worum geht es? Die Europäische Kommission will ein neues Netzwerk für Faktenchecker etablieren, berichtet Reclaimthenet. Ausgeschüttet werden 5,69 Millionen Euro. Dafür sind Vorschläge gefragt. An Ideen mangelt es uns wahrlich nicht, aber ansonsten dürfte es eng werden. Denn uns fehlt schon die Grundvoraussetzung: die Zertifizierung.
Das European Fact Checking Standards Network (EFCSN) oder das International Fact-Checking Network (IFCN) müssen es schon sein. Könnte ja jeder kommen (so wie wir) und gegen die falsche Desinformation kämpfen. Denn natürlich geht es mal wieder darum: um die Bekämpfung von Desinformation – niemand weiß so ganz genau, was das ist – und um den „Schutz der Demokratie“. Ausgerechnet die EU-Kommission spricht von Demokratie. Das sind ja die richtigen, aber genau darum geht es ja am Medien-Tresen. Und genau deshalb sind wir gerade nicht gemeint, wenn solche Ausschreibungen auf den Markt der NGOs und Medienunternehmen geworfen werden.
Wer kann sich bewerben? Beim EFCSN finden wir die üblichen Verdächtigen: Correctiv und dpa Fact-Checking aus Deutschland, die APA aus Österreich oder die AFP aus Frankreich. Und einige mehr aus anderen Mitgliedsstaaten und darüber hinaus (auch Norweger und Briten dürfen mitmischen und sich bewerben). Hinter dem IFCN steht das Poynter Institute, das enge Verbindungen zur Internet-Elite hat. Dort sind mittlerweile 160 Faktenchecker registriert, darunter der Faktenfuchs des Bayerischen Rundfunks und die Deutsche Welle sowie wiederum Correctiv und die dpa. Doppelt hält besser.
Bevor wir uns aber einen doppelten Genever aus Belgien genehmigen, wir trinken am Medien-Tresen schließlich immer mit regionalem Bezug, schauen wir genauer hin, was das neue Netzwerk leisten soll. In der Ausschreibung geht es um
Außerdem sollen Faktenchecker vor Belästigung und Einschüchterung geschützt werden, wofür ein Schutzprogramm aufgebaut werden soll – inklusive psychologischer Betreuung. Faktenchecken gefährdet also die Gesundheit.
In Europa haben sich schon jetzt einige Faktenchecker im Netzwerk EDMO zusammengeschlossen. Der deutschsprachige Zusammenschluss wiederum heißt GADMO, wo wir wieder auf die dpa und Correctiv treffen, aber auch auf die Universität Dortmund. Die belästigen wir jetzt mal ein wenig mit Fakten. Da bietet sich ein Blick auf den Bundestagswahlkampf an, der laut einem Bericht des Netzwerks im Januar von zahlreichen Falschmeldungen begleitet wurde. Einiger Unsinn wird aufgelistet, GADMO stellte „verifizierte Information“ dagegen und wollte Desinformationskampagnen entlarven. Und was haben sie gefunden? Ein wenig Unsinn ist immer, manchmal mehr, manchmal weniger. Das fasst die Updates zur Wahl zusammen. Von großen Kampagnen keine Spur, ein bisschen böser Russe und böser Musk, aber das war‘s dann auch schon.
Wenn wir genauer hinschauen, stoßen wir auf einen Faktencheck zur Aussage des früheren EU-Kommissars Thierry Breton, der als hauptverantwortlich für den Digital Services Act (DSA) der EU gilt. Dieser hatte mit Verweis auf die Annullierung der Wahlen in Rumänien (die wir hier am Medien-Tresen auch schon besprochen und begossen haben) und die dortige Anwendung des DSA eine Verbindung zu Deutschland gezogen.
Die prägnante Verkürzung, die EU würde die Wahl auch in Deutschland annullieren, ist zwar genau das, also eine Verkürzung. Im Faktencheck wird aber mit Verweis auf Rumänien wiederum der vielleicht wichtigste Fakt weggelassen. Denn es stimmt zwar, dass die Annullierung der Wahl mit einer unfairen Kampagne in den sozialen Netzwerken zugunsten des siegreichen Kandidaten begründet und diese Moskau zur Last gelegt wurde, von wo ein Dementi kam. Das schreibt GADMO. Dass bereits zum Zeitpunkt des Faktenchecks Ende Januar klar war, dass die Kampagne aus Rumänien von der Konkurrenz, der nationalliberalen Partei selbst lanciert wurde (Zusammenfassung bei der FAZ), steht allerdings nicht im Faktencheck. Weglassen, was einem nicht passt. Ist das nicht das, was der Mainstream immer den oppositionellen Medien vorwirft?
So kommen die falschen Aussagen laut den Updates von GADMO vor der Bundestagswahl fast ausschließlich von der Opposition, vor allem natürlich von der AfD oder auch von Friedrich Merz. Und es wird immer wieder auf die Integrität der Wahlen verwiesen, die angegriffen werden sollte. Dabei wäre das ja gar nicht nötig. Die Integrität, insbesondere die Probleme bei der Auszählung, sind hinterher deutlich geworden. Und dass dagegen kaum etwas zu tun ist in diesem Rechtsstaat. Das BSW ist diese Woche vorerst abschließend vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, es muss den Verfahrensweg über den Wahlprüfungsausschuss des Bundestages einhalten. Den aber gibt es immer noch nicht, obwohl die Wahl mittlerweile zweieinhalb Monate her ist. Wenn der Ausschuss konstituiert ist, schaut er sich die Einsprüche an und legt dem Plenum Empfehlungen vor. Wenn der Bundestag dann entschieden hat, gibt es die Möglichkeit des Einspruchs. Und das dauert und dauert.
Die Tatsache, dass der vermeintliche Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland immer mehr zur Bananenrepublik wird, rechtfertigt den ganzen Blödsinn im Netz nicht. Aber sie relativiert ihn. Das gleiche tut das Wissen darum, dass überall auch auf Mainstream-Internetseiten (Stichwort Clickbait) oder auch im Zeitschriftenregal zugespitzt und gelogen wird. Und schließlich sei an die vielleicht größte Wahlkampf-Lüge nebst (Über-)Dehnung der vermeintlich demokratischen Institutionen nach der Wahl durch Friedrich Merz und Co. erinnert. Wir hatten auch das an dieser Stelle schon thematisiert.
Sie sehen, wie haben am Medien-Tresen viele gute Ideen für Faktenchecks. Und bereits Fakten gecheckt. Aber ans Geld aus Brüssel kommen wir nicht. Wir stehen also offenbar vor dem Schildwall der Demokratie, die sie meinen, und können nur den Kopf schütteln. Und die Faktenchecker checken, wenn es nötig ist. Auch Michael Meyen hat dazu diverse Artikel geschrieben (zum Beispiel bei Multipolar) und ein Video aufgenommen. Wenn Sie mehr über die Propaganda der Journalismus-Wächter wissen wollen, schauen sie dort hinein. Oder auch bei meiner Übersicht über die „Meinungswächter“, zu denen ich neben den Faktencheckern weitere Organisationen zähle. Und jetzt ist Zeit für den doppelten Genever. Prost!
Helge Buttkereit ist Historiker, freier Journalist und derzeit in der Öffentlichkeitsarbeit tätig.
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