Ich weiß: Die Schauspielerei gehört nicht an den Welt-Tresen. Wir haben diese Kolumne erfunden, um über den deutschen Tellerrand blicken zu können – in Länder, die der Hauptstadtjournalismus links oder rechts liegen lässt, mit Autoren, die sich vor Ort auskennen. Ungarn und Bulgarien, die Schweiz und MV (ein wenig Selbstironie muss sein), hin und wieder auch darüber hinaus. Im Januar Kreta und nächste Woche Moskau.
Diese Woche ist Ebbe. Die OB-Stichwahl in Neubrandenburg gibt es erst am Sonntag, und Michael Straumann, unser Mann im Alpenland, steckt mitten in den Prüfungen zum Semesterende. Also muss Hollywood herhalten. Ich dachte: ein Kassenschlager. Pustekuchen. Das Kino in Cham hatte zur besten Sendezeit zwar seinen größten Saal reserviert, aber wir waren allein. Das hat was.
Eigentlich müsste ich diesen Film in die Tonne treten. Die Story? So überladen, dass selbst drei Stunden und tausend schnelle Schnitte nicht reichen, um alles unterzubringen, was man sich da ausgedacht hat. Spannung? Nun ja. Nach sieben Teilen kennt man das Muster. Die Schauspieler? Viel ist da nicht zu tun gewesen. Wenig Drama oder Einkehr, viel Action. Sonst? Wie immer. Hochglanzwerbung für das US-Militär und für den Dienst hinter dem Dienst. Wir wissen, wie solche Produktionen entstehen. Wer diesen Film sieht, hat keinen Zweifel mehr, dass jeder Rüstungsdollar gut angelegt ist und dass es jenseits des tiefen Staates noch eine Ebene tiefer gehen muss. Die Präsidentin, eine farbige Frau mit Brille, hat einen Jungen in Uniform und tut am Ende genau das, was jede Mutter tun würde. Also alles in Butter mit der Demokratievariante made in USA.
Wenn man das alles beiseitelässt, findet man eine Metabotschaft, die schon die Neuauflage von Top Gun getragen hat. Der Mensch lässt sich nicht berechnen. Der Mensch ist besser, als die allerbeste Maschine je sein wird, weil er gegen jede Logik handeln kann und gegen alle Instinkte – im Zweifel auch zu seinem eigenen Nachteil. Jeder Mensch trägt eine Geschichte mit sich herum, die ihn einzigartig macht und die ihm auch erlaubt, alle Regeln zu brechen und Unbekannten zu vertrauen, wenn es darauf ankommt. Die Präsidentin muss keinen langen Befehl schreiben, damit Tom Cruise auf einem Schiff im fernen Ozean das bekommt, was er braucht – wieder von einer Frau am Steuer, okay. Ein Datum genügt. Der Tag ist 30 Jahre her, aber beide wissen noch, was damals passiert ist in Jugoslawien. Jemand hat nicht entschieden, als es nötig war, und so Menschen in den Tod geschickt. Das, da sind sich beide Frauen wortlos und über tausende Meilen einig, wird nicht noch einmal passieren.
Mission: Impossible – The Final Reckoning ist kein guter Film. Die Macher brauchen unendlich viele Schnipsel, um die Figur Ethan Hunt zusammenzusetzen, und lassen einen Nebenhelden am Ende aus dem Off aufsagen, was sie den Zuschauern mitgeben wollen. Sei’s drum. Was im Zeitalter von KI und Trans- oder Posthumanismus zählt, ist das Menschenbild. Die Zukunft ist offen. Wir können heute alles hinter uns lassen, was wir bisher getan haben, uns etwas überlegen, was es so noch nicht gibt, und das Wirklichkeit werden lassen – mit ein paar Freunden, versteht sich, mit Menschen, auf die wir bauen können. Zum Beispiel den Welt-Tresen, nächste Woche wieder wie gewohnt.
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