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Bericht | 22.02.2024
Katzenjammer
Hilfe für streunende Katzen geht manchmal ganz schnell. Zum Beispiel in einer kleinen Gemeinde in Mecklenburg-Vorpommern. Über Probleme, nicht nur auf vier Pfoten.
Text: Doris Schröder
 
 

Kalter Wind fegt durch die Straßen von Zarnekow, Ortsteil der Gemeinde Glewitz. Bei unserer morgendlichen Runde bellt unser Hund eine Katze an, die dicht an uns vorbeiläuft. Sie macht einen Buckel, bleibt aber stehen. Unser Hund dreht ab. Die Katze sieht schlimm aus: großer Kopf, abgemagert, struppiges Fell. Am rechten Hinterbein klebt Blut. Sie hinkt leicht, als sie in einem Seitenweg verschwindet. Unser Dorf ist klein. Wir kennen alle Bewohner – und alle Katzen. Diese gehört nicht hierher. Zu Hause fällt mir Yvonne Kreymann ein, eine Frau aus unserer Gemeinde, die Katzen in Not hilft. Ich schildere ihr die Begegnung und sie bringt noch am selben Tag hilfreiche Sachen, um Streuner zu fangen: Lebendfalle, Käscher, Nassfutter, Transportbox und dicke Stulpenhandschuhe aus Leder, als Schutz vor Bissen.

Privates Engagement

Die Streunerhilfe Tribsees ist kein eingetragener Verein. Von staatlicher Seite erhält diese private Gruppe keine Unterstützung. Die Frauen der Streunerhilfe engagieren sich seit 2019 für den Schutz von Katzen. Das benötigte Geld zahlen sie aus eigener Tasche oder aus Kleinspenden. Sie häkeln, sammeln Möbelstücke oder Geschirr bei Haushaltsauflösungen und verkaufen diese Sachen auf Flohmärkten oder über Kleinanzeigen. Von den Einnahmen bezahlen sie Tierarztbesuche, Katzenzubehör, Futter und Fahrten. Sie bringen die Katzen privat unter, bis klar ist, ob sie vermittelt werden können. Manchmal werden sie vom Naturtierheim Ostsee e.V. in Saal unterstützt. Einige Streuner werden wieder ausgewildert, wenn sie kastriert, gechipt und gesund sind. Die Streunerhilfe Tribsees betreibt kein Tierheim. Der Katzenschutz findet neben Arbeit und Familie statt. Am Stadtrand von Tribsees gibt es eine Futterstelle mit zwei Räumen in einer ehemaligen Tankstelle. Weitere Futterstellen befinden sich in der Innenstadt. Dort versorgen die Frauen die ausgewilderten Katzen weiter. Yvonne versorgt sieben Katzen, eine andere Frau zehn Katzen zu Hause. Chronisch kranke Tiere werden nicht an Privathaushalte vermittelt, da kaum jemand die stetigen Tierarztkosten aufbringen kann. Manchmal kommt jede Hilfe zu spät und die Katzen sterben oder müssen vom Tierarzt eingeschläfert werden.

Tiere in Not

Warum gibt es so viele Streuner? Die Gründe sind vielfältig: Erben wollen oder können Katzen nicht übernehmen. Ältere und kranke Menschen dürfen ihre Katzen nicht mit in ein Pflegeheim bringen. Tierarztkosten können nicht bezahlt werden. Kastrationen werden aus Kostengründen oder fehlender Einsicht nicht durchgeführt, sodass Nachwuchs von Freigängern und Streunern programmiert ist. Eine Nachbarin erzählt, dass es schon vorkam, dass eine Samtpfote auf einen Lkw geklettert sei und weit weg von zu Hause landete. Katzen werden aber meist einfach ausgesetzt, weil die Halter nach der Anschaffung feststellen, dass der Unterhalt zu teuer ist, jemand eine Katzenhaarallergie entwickelt oder das Tier die Ledercouch zerkratzt und nachts miaut.

Dazu schreibt das Katzenhaus Gnoien e.V. auf Facebook: „Einmal in eigener Sache! Wir helfen euch wirklich gerne. Jeder kann in die Situation kommen, dass er sein Tier abgeben muss. Wir hinterfragen auch nicht die Gründe. Wir werden jedoch nicht gern angelogen. Wir mögen nicht, dass uns Fundtiere gemeldet werden, die gar keine Fundtiere sind, sondern nur abgegeben werden sollen. Für Fundkatzen sind die Ordnungsämter zuständig, sie kommen dann ins Tierheim und der Besitzer kann gesucht und auch oft gefunden werden ... Wir wollen Tieren in Not helfen und nicht recherchieren müssen, was nun stimmt oder nicht. Also bitte seid ehrlich. Wir haben wirklich für alles Verständnis, für fast alles.“ Vielleicht überwiegt die Angst, dass doch noch Kosten und Vorwürfe auf die Ex-Besitzer zukommen, wenn sie die Mieze direkt zum Tierheim bringen und sich dort erklären müssen. Aber: Für Tiere, die abgegeben werden sollen, ist ein Tierheim die beste Wahl, weil sie dort professionell und tierärztlich versorgt werden. Tierheime kümmern sich auch um die Kastration der Katzen.

Hat die Erhöhung der Tierarztgebühren im Jahr 2022 die Situation verschlechtert? „Ja“, sagt Margarete Zwerg, Vorsitzende des Tierschutzvereins in Teterow, „Privatleute lassen ihre Katzen weniger kastrieren, obwohl auch Ratenzahlung denkbar ist“. Für Kastrationen können Tierschutzvereine wie der in Teterow oder das Katzenhaus in Gnoien Zuschüsse vom Tierschutzbund und vom Land beantragen. Diese decken die Kosten durch die höhere Gebührenordnung. „Am Anfang kostete eine Kastration noch vierzig Euro pro Katze, jetzt hundertfünzig“, so Margarete Zwerg. Für manchen Katzenhalter und erst recht für Katzenschützer wie Yvonne, die außerhalb von Vereinen ehrenamtlich helfen, ist das viel Geld.

Dory von Fleckchen

Die Lebendfalle stellen wir vor unseren Vorgarten und legen ein Handtuch darüber. Als Lockmittel gibt es Nassfutter. Die Falle kontrollieren wir jede Stunde. Das muss sein, auch weil Waschbären gern hineintappen. Doch nur der Kater eines Nachbarn schlüpft zweimal in die Falle – ohne dass diese auslöst. So kann er nach seiner zusätzlichen Mahlzeit ohne Hilfe wieder heraus. Die Streunerin geht uns nicht „ins Netz“. Wir fragen herum und erfahren, dass eine Nachbarin „unsere“ Katze schon seit ein paar Tagen auf Empfehlung der Streunerhilfe Tribsees anfüttert. Fasst die Katze dabei Vertrauen, kann sie später leichter eingefangen werden. Warum wurde die Nachbarin auf die Katze aufmerksam? Zerrissene gelbe Säcke. Der Müll flog durch die Gegend.

Bildbeschreibung

Wir verabreden uns für den nächsten Morgen auf ihrem Grundstück. Ich warte mit dem Käscher um die Ecke, und als die Streunerin kommt und frisst, fange ich sie. Ich ziehe die dicken Schutzhandschuhe an und wir wickeln sie in der Scheune der Nachbarin aus dem Netz. Nicht, dass sie entwischt. Sie miaut, aber kratzt und beißt nicht. Wir bringen sie zu uns nach Hause und setzen sie in die Transportbox. Dort verschlingt sie drei Portionen Nassfutter. Yvonne holt sie noch am Vormittag mit ihrem Auto ab. Am Abend bekommt sie einen Termin bei einer Tierärztin. Auch die ist schockiert über den Zustand der Katze: gerade mal zwei Kilo schwer, am Unterkiefer eine unbehandelte Wunde, die schief verwachsen ist. Am Hinterbein ein Abszess, der aufplatzt. Die Tierärztin reinigt die Wunde. Die Katze hat Flöhe und Würmer. Sie bekommt ein Breitbandantibiotikum, eine Entwurmung, ein Flohmittel und zu Hause bei Yvonne einen neuen Namen: Dory von Fleckchen. Dory ist weiß mit großen dunklen Flecken, friedlich, menschenbezogen und hungrig. Eine richtige Schmusekatze. Sehr wahrscheinlich wurde sie ausgesetzt, denn sie kennt Menschen. Noch weiß keiner, ob sie durchkommt und vermittelt werden kann. Sie könnte chronisch krank sein. Sie könnte eine ansteckende Krankheit haben. Deshalb muss sie in Quarantäne, bis klar ist, dass sie für andere Katzen keine Gefahr ist. Infektionskrankheiten sind generell ein schwieriges Thema bei Streunern, da sie tierärztlich nicht behandelt werden. Sie leben oft unter schlechten Bedingungen wie kaltem oder nassem Wetter, leiden unter Mangelernährung und Parasiten. Dann haben Krankheiten leichtes Spiel. Und kranke Streuner können auch andere Freigängerkatzen anstecken.

Viele Katzenschützer wünschen sich die immer wieder diskutierte Kastrationspflicht. In einigen Regionen gibt es sie schon, zum Beispiel in Schwaan oder Anklam-Land. Ob eine Pflicht notwendig und sinnvoll ist, wird sich zeigen. Eine Kastration kann viel Leid verhindern: von rolligen, nervtötenden Katzen und markierenden, kämpfenden Katern über kranke Katzen mit Schmerzen bis hin zu krankem oder zu vielem Nachwuchs, den das Elterntier nicht durchbringen kann.

Pflicht hin oder her: Tierhaltung bedeutet immer Verantwortung. Und auch Nicht-Katzenhalter können mit Geld-, Sach-, oder Futterspenden die ehrenamtliche Arbeit von Menschen wie Yvonne unterstützen. Nicht nur die Samtpfoten werden es ihnen danken.

Bildbeschreibung

Doris Schröder hat am Kompaktkurs Journalismus sowie am Online-Kurs Bericht der Freien Akademie für Medien und Journalismus teilgenommen.

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