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Rezension | 08.11.2023
Propaganda statt Journalismus
Die Autorin hat sich einen Zweiteiler des öffentlich-rechtlichen Fernsehens über zukünftige Pandemien angeschaut und fand sich in einem Werbefilm wieder.
Text: Doris Schröder
 
 

Am 6. November 2023 schlug mir Google einen Hinweis des MDR auf eine zweiteilige Dokumentation vor mit den Titeln „Was wird die nächste Pandemie?“ und „Wie verhindern wir die nächste Pandemie?“, zu sehen in der ARD-Mediathek.

Dieser Zweiteiler entstand als Kooperation von MDR und BR, produziert von Gabi Schlag und Benno Wenz. Das Autorenteam lebt in Berlin und arbeitet bereits seit über 15 Jahren für Radio und Fernsehen, vor allem für fast alle öffentlich-rechtlichen Sender. Schwerpunkt: komplexe, wissenschaftliche Themen, spannend und verständlich gemacht.

Der Zweiteiler beginnt mit Bildern aus einer Intensivstation, gefolgt von Särgen und Militär-Lkw sowie Menschen in weißen Ganzkörperschutzanzügen. Dazu der Sprecher: „Corona hat die Welt verändert. War das eine Ausnahme oder nur ein Vorgeschmack?“ Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach darf die Frage beantworten. Er weiß, dass wir uns auf weitere Pandemien vorbereiten müssen. Auch die beiden Filmemacher scheinen es so zu sehen, dass Corona die Welt verändert hat, nicht die Maßnahmen. Sie zeigen in ihrer Produktion nur eine Seite: Wissenschaftler, die an Viren forschen und dabei eingebunden sind in supranationale Organisationen wie World Health Organisation (WHO), Eco Health Alliance (EHA), One Health (OH), Global Health Hub in Berlin und andere, die demokratisch nicht legitimiert sind. Alle vertreten jedoch bestimmte Interessen – wessen eigentlich? Und wessen Interessen vertritt Lauterbach? Das wird in den vielen Interviews nicht thematisiert. Es wird auch nicht erklärt, wie im Laufe der Zeit der Begriff „Pandemie“ politisch umdefiniert wurde. Nichts darüber, dass PCR-Tests allein keine Infektiösität nachweisen können und dass es auf dem Weg zu einem PCR-Testergebnis Kontaminationen und Fehler geben kann, die das Ergebnis verfälschen.

Vergleiche hinken immer, aber dieser zum besseren Verständnis: Sie kommen in ein Theater. Niemand zu sehen. Auf der Bühne liegt ein Schal. Was Sie nun mit Ihren Augen herausbekommen, entspricht in etwa der Leistungsfähigkeit eines PCR-Tests: Sie sehen den Schal, erkennen vielleicht die Farbe. Sie wissen aber weder etwas über den Stoff, noch, wem der Schal gehört oder wie er dahin gelangt ist. Vielleicht gibt es in dem Theater weitere dieser Schals? Oder andere? Vielleicht aus dem Kostümfundus? Das lässt sich nur vermuten ... Ungefähr so können Sie sich PCR-Testergebnisse vorstellen. Diese detektieren nur einige sehr wenige Teile von Virus-RNA oder DNA – und zwar so sensibel, dass eben keine Infektion vorliegen muss, wenn der Test etwas anzeigt. Häufig werden andere Ursachen für Erkrankung oder Tod gar nicht untersucht oder ausgeschlossen. Aber auch dazu erklärt der Zweiteiler nichts.

Stattdessen setzt er auf Bilder aus Afrika, den USA, von Tieren und Forschern. Zu sehen sind auch Luftbildaufnahmen der Insel Riems, Standort des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Nationales Referenzlabor und Forschungsstation für Tierseuchen, Tiergesundheit und Impfstoffe. Daneben immer wieder eindrucksvolle Animationen von verschiedenen Virenmodellen und Zeichentricksequenzen von Ausbruchsszenarien. Unter anderem Schweinegrippe (2009), Spanische Grippe (1918), Ebola (2014/2015) und Corona (ab 2019). Kritisches Hinterfragen Fehlanzeige. So stellte das Autorenteam fest, dass noch nicht bekannt sei, von welchem Tier Sars-Cov 2 auf den Menschen übersprang, obwohl schon längst viel darauf hindeutet, dass Sars-Cov 2 im Labor erschaffen und mit neuen Funktionen ausgestattet wurde – mittels Gain of Function. Auch Laborunfälle und damit verbundene Risiken werden nicht thematisiert. Es kommen Wissenschaftler zu Wort, die sich darüber freuen, mit Viren auf wirtsfremden Proben zu experimentieren, oder vor Verschwörungstheorien warnen.

Und die Gegenmaßnahmen? Weltweite Überwachung, zum Beispiel Abwasser-Monitoring und Massentestungen, Hygienemaßnahmen und Impfstoffe. Dem Immunsystem, das über Jahrtausende hinweg gut funktioniert hat, wird keine besondere Bedeutung beigemessen.

Keine Frage: Der Zweiteiler ist technisch gut gemacht. Aber Journalismus würde in Frage stellen. Würde kritische Stimmen und andere Sichtweisen zu Wort kommen lassen. Davon lebt übrigens auch Wissenschaft. Dieses Werk ist Propaganda. Beeindruckend, aber einseitig. Ein gutes Lehrstück in Sachen Medienkompetenz.

Doris Schröder hat am Kompaktkurs Journalismus an der Freien Akademie für Medien und Journalismus teilgenommen.

Bildquellen: Titelbild: Mario Hagen, Pixabay