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Bericht | 13.11.2023
Natürlich Käse!
Die Schwarze-Schaf-Schule des David Asher: Ein Käsekurs für Vertrauen in Rohmilch, natürliche Prozesse und Handwerk.
Text: Doris Schröder
 
 

Das Käsemachen interessiert mich schon lange. Deshalb weiß ich noch genau: 2017 stieß ich auf das Buch „Die Kunst der natürlichen Käseherstellung“ von David Asher. Der Anspruch des Autors war es, Milchprodukte einschließlich Käse in der eigenen Küche auf natürliche Weise herzustellen. Das wollte ich lernen, und so kaufte ich das Buch, eine Kefirknolle, Käseförmchen und Käsetücher. Ich begann mit Kefir und Joghurt. Sogar Mozzarella gelang mir, wenn auch nicht immer. Versuche, Camembert oder Blauschimmelkäse herzustellen, scheiterten. Auch traute ich mir nicht zu, einzuschätzen, ob ein Käse gelungen war oder nicht. Lieber schmiss ich ihn aus Angst vor gesundheitlichen Risiken weg, besorgt aufgrund von Medienberichten über E. coli-Bakterien oder Listerien im Käse.

Im Oktober 2023 – sechs Jahre nach meinen anfänglichen Versuchen, Rohmilch zu verarbeiten – konnte ich endlich einen der weltweiten Kurse David Ashers besuchen. Meine Chance, ein „schwarzes Schaf“ zu werden. Die weißen Schafe stehen sinnbildlich für die industrielle Milchverarbeitung, das schwarze Schaf für die natürliche Käseherstellung. Dafür musste ich zwar in die Schweiz fahren, aber ich wollte Antworten auf meine Fragen. Ich brauchte Sicherheit und Vertrauen in die natürlichen Käserei-Prozesse. Den Kurs auf dem Demeter-Biohof Gut Rheinau im Kanton Zürich organisierten Menschen, die mindestens genauso wissbegierig waren wie ich. Meine rund 1050 Kilometer Anfahrt war auch nicht die längste, wie ich erst dachte. Eine Teilnehmerin reiste aus Indien an, zwei Teilnehmer kamen aus den USA. David Asher aus Kanada. Unter den Kursteilnehmern waren Käseproduzenten aus den Bergen, Gastronomen, Sauerteig-Bäcker und Menschen wie ich, die einfach lernen wollten, wie man Käse macht.

Warum David Asher?

Warum in die Schweiz fahren, um von einem Kanadier das Käsen zu lernen? Das werde ich meist gefragt, wenn ich von diesem Erlebnis erzähle. Meine Antwort: David Asher ist Experte auf dem Gebiet des natürlichen Käsens – mit dem Selbstverständnis, nie ausgelernt zu haben und sich selbst immer weiterzubilden. Das macht ihn für mich sympathisch und vertrauenswürdig.

Bildbeschreibung

Aufgewachsen in British Columbia, hatte David schon als Kind Freude am Gärtnern. Mit Käse aber kam er erst als junger Erwachsener in Berührung. Er studierte Abwassertechnik und arbeitete nebenbei auf einem Bio-Hof, wo er erstmals Käse aß. Von da an interessierte ihn, wie man Milch zu Käse fermentiert. Er wurde Biobauer mit eigenen Ziegen und begann, Käsekurse zu geben. So fand er seine Berufung. Seine Erkenntnisse fasste er in dem Buch zusammen, das ich 2017 kaufte. David bereiste viele Länder und befasste sich mit natürlicher und industrieller Milchverarbeitung. Kurz: Bei ihm hat das Käsewissen aus der ganzen Welt ein Zuhause gefunden. Qualitativ hochwertige Käse sind in Kanada und den USA kaum zu bekommen, in Europa sieht es etwas besser aus. Zumindest kann man hier noch Rohmilch und Rohmilchprodukte kaufen, doch die Angst davor sitzt bei vielen tief, vor allem aus Unwissen. Diese Angst mit altem Wissen und neuen Erfahrungen zu zerstreuen, wieder Sicherheit und Vertrauen in hochwertige, natürliche und gesunde Lebensmittel zu schaffen, ist neben Regionalität ein zentrales Anliegen Davids.

Natürlich und gesund – ohne sterile Sauberkeit

„Milch ist zum Fermentieren da.“ So Davids Antwort, als ich fragte, was er vom Milchtrinken hält – egal ob wir sie als Rohmilch, pasteurisiert oder H-Milch zu uns nehmen. Bekömmlich und gesund ist Milch für David, wenn sie in Dickmilch, Kefir, Joghurt, Amasi oder eben Käse umgewandelt, also fermentiert wurde. Bis auf Labenzyme ist in euterwarmer Rohmilch fast alles dafür vorhanden. Und auch in unserer natürlichen Umgebung befinden sich ständig unzählige Schimmelpilze, Hefen, Bakterien, Viren und Milben, die wir für hochwertigen Käse gut gebrauchen können. Schaffen wir Bedingungen, die natürliche Prozesse in Gang bringen, erhalten oder verstärken, ist das Milcherzeugnis bekömmlich, gesund und ein Genuss.

Bildbeschreibung

In frisch gemolkener Milch tummelt sich eine große Vielfalt an Mikroben. Wenn wir die Milch nicht herunterkühlen, weil sie für eine zentrale Verarbeitungen an einem anderen Ort haltbar gemacht werden muss, sondern frisch weiterverarbeiten, brauchen wir uns keine Gedanken um E. coli oder andere gefährlichen Mikroben zu machen. Die bleiben ganz sicher in der Minderheit, weil sie aufgrund der vielen für uns vorteilhaften Mikroben kaum Entwicklungsmöglichkeiten in der Milch haben. Die guten Mikroben unterstützen wir, indem wir die Milch zum Beispiel mit Kefir, Molke oder auch Dickmilch versehen. Oder indem wir unsere Milchansätze in den immer wieder gleichen Holz- oder Glasgefäßen aufbewahren, ohne diese auszuwaschen. Auch Temperatur, Luftfeuchte und Salz sind sehr wichtig. Damit entscheiden wir, welche Mikroben wir unterstützen. Zum Beispiel „Geotrichum Candidum“. Ein weißer Schimmelpilz, der sich von Milch ernährt und sie vor äußeren Einflüssen schützt. Sterilität ist bei der natürlichen Käseherstellung weder notwendig noch erwünscht. Selbst natürliches Lab ist nicht steril. Und so nutzten wir alle ganz selbstverständlich unsere vorher in Molke gewaschenen Hände, um den Käsebruch vorsichtig zu bewegen, Käse zu formen oder die Temperatur und die Beschaffenheit zu fühlen.

Lab: Von der regionalen Kreislaufwirtschaft zum globalen Industrieprozess

Haben Babys noch das Vermögen, aus Milch Käse zu machen – denn nichts anderes ist das, was Babys nach dem Stillen auch mal ausspucken –, können ältere Menschen das nicht mehr. Daher muss Milch fermentiert werden. Zur Käseherstellung benötigt man Lab. Lab ist ein heißes Thema. Pflanzen wie Labkraut, Pilze wie Mucor oder genveränderte Organismen von Pfizer können auch als Lab fungieren. Seit Menschengedenken wurde jedoch tierisches Lab zur Käseherstellung verwendet – Labmägen sehr junger Tiere wie Kalb, Zicklein oder Lamm. Dieser enthält alle für die Käseherstellung notwendigen Enzyme. Eigentlich war dies lange Zeit ein regionaler Kreislauf, bis es aus ethischen Gründen Proteste dagegen gab, sehr junge Tiere um ihrer Labmägen Willen zu töten. Natürlich wurde nicht nur der Labmagen, sondern das ganze Tier verwertet, aber das spielte keine Rolle. Die Regionalität der Labmagenherstellung musste einem globalen, umweltunfreundlichen und industriellen Wahnsinn weichen: der Herstellung von Labtabletten. Auch diese beinhalten jedoch die Enzyme von Labmägen geschlachteter Tiere. Von der Schlachtung bis zur Tablette werden nun aber die verschiedenen Arbeitsschritte auf verschieden Kontinenten durchgeführt – mit enormem Verpackungs- und Transportaufwand. Wer glaubt, Vegetarier würden nicht den Tod von Tieren verursachen, liegt falsch. Das gilt für den Konsum von Milchprodukten genauso wie von Eiern.

So ein Labmagen kann je nach Tierart 500 bis 4000 Liter Milch in Käse umwandeln. Wir nutzten im Kurs Labtabletten, aber auch den Labmagen eines Zickleins, den wir über Nacht in Molke einweichten. Darin waren dann alle wichtigen Bestandteile für die Herstellung von Käse gelöst. Die Lab-Molke kann man sehr lange im Kühlschrank aufbewahren und für zukünftige Käseansätze nutzen.

Käsewissen für Zuhause

Wir lernten in fünf Tagen sehr viel – über Starter wie Kefir, Dickmilch und Molke, über Frischkäse wie Crottin bis Camembert und Oaxaca-Käse, aber auch über Blauschimmel- und Hartkäse. Eine Menge Theorie. Aber auch eine Menge zu tun, zu probieren und zu verkosten. Natürlich ist es in fünf Tagen nicht möglich, alle Käse zur Reife zu bringen. Oder sehr große Käse wie zum Beispiel Gruyere oder Parmesan in einer Küche anzusetzen. Für diese Arten Bergkäse benötigt man hunderte beziehungsweise tausende Liter Milch für einen Käselaib. Aber wir lernten, dass ein Tomme du Valais, ein Mutschli oder ein Raclette-Käse durchaus zu Hause hergestellt werden können. Dafür benötigt man lediglich 20 oder 40 Liter Milch.

Bildbeschreibung

Wir lernten, wie wichtig euterwarme Milch ist, wie sich Käsebruch entwickelt und wann er wie weiterverarbeitet werden sollte. Wir lernten den Unterschied zwischen Käseformen aus Plastik und aus natürlichen Materialien wie Ton oder Holz kennen. Wir lernten auch den für die Weiterverarbeitung notwendigen ph-Wert von 5,3 von Bruch für Mozzarella zu erkennen, ohne einen Teststreifen zu nutzen. Was macht man mit der anfallenden Molke? Woher bekomme ich Blauschimmel? Und wie müssen Käsehöhlen beschaffen sein? Käsewissen in fünf Tage gepresst – aber zu Hause problemlos anwendbar, so man Rohmilch hat, am besten ungekühlt.

Etliche Erkenntnisse aus seinem Buch hat David revidiert. Sein neues Wissen gab er uns im Kurs weiter. Es ist für Profis genauso spannend und interessant wie für Hobby-Käser. Durch seine Handouts und unsere Mitschriften bekamen wir Kursteilnehmer ein aktualisiertes „Buch“. Das neue Buch von David soll in zwei Jahren fertig sein. Lassen wir bis dahin unser Vertrauen in die natürliche Käseherstellung reifen. Übrigens: Über seine Webseite kann sich jeder Käseliebhaber per Newsletter informieren lassen, wann und wo die nächsten Kurse stattfinden.

Doris Schröder hat am Kompaktkurs Journalismus an der Freien Akademie für Medien und Journalismus teilgenommen.

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Bildquellen: Titel: Vane Monte, Pixabay; Fotos: Autorin