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Oben & Unten | 15.01.2025
Wahlkampf gegen unten
Die deutsche Einheitspartei und ihre ideologischen Wasserträger blasen zum Angriff auf die Armen und Schwachen.
Text: Felix Feistel
 
 

Es ist Wahlkampfzeit, und in solchen Zeiten werden stets alle möglichen Forderungen vorgetragen, die sich an die Kandidaten richten. Und natürlich formulieren die Kandidaten auch selbst Wünsche und Ziele, um sich dem Volk zu präsentieren. Oft ist dabei die Rede vom Wohl des Volkes, das zu garantieren angeblich der Anspruch sei, weshalb man diese oder jene Maßnahme durchsetzen müsse. In dieser Wahlkampfperiode ist das Wohl des Volkes aber offenbar allen Beteiligten ziemlich egal. Anders ist die Zunahme der asozialen Forderungen, die hier erhoben werden, nicht zu erklären. Es entsteht der Eindruck, der von Warren Buffet so berühmt proklamierte Klassenkampf von oben wird gerade immer unverblümter geführt.

Den Anfang machten diverse Abgeordnete der CDU schon vor geraumer Zeit. Hier wurden Forderungen laut, die gesetzlich Versicherten an ihren Behandlungen beim Arzt zu beteiligen. Bis zu 2.000 Euro im Jahr sollten sie zusätzlich zu ihren ohnehin stetig ansteigenden Versicherungsbeiträgen leisten, um eine unterstellte Flatrate-Mentalität zu überwinden. Hinzu kam vor einigen Monaten ein Strategiepapier, das darauf abzielt, die Ärzte in einen stärkeren Wettbewerb zueinander zu schicken – als gäbe es nicht ohnehin einen Ärztemangel – und die Patienten dazu zu verpflichten, den günstigsten Arzt zu wählen.

Nun setzte der Vorsitzende der Privatversicherung Allianz, Oliver Bäte, noch einen drauf, und forderte, den Karenztag wieder einzuführen, der in Deutschland in den 1970er Jahren abgeschafft wurde. Dieser sieht vor, dass Arbeitnehmer die Kosten des ersten Tages ihrer Krankschreibung selbst tragen sollen, also keine Lohnfortzahlung erhalten. Dabei behauptet Bäte, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer im Jahr 20 Tage krank feiere – was natürlich nur Ausdruck der Faulheit der Menschen sei – wohingegen das Statistische Bundesamt von 15 Krankheitstagen im Jahr ausgeht. Die Maßnahme, so Bäte, spare den Krankenkassen über 40 Milliarden Euro pro Jahr. Bäte selbst verdient in seiner Position übrigens etwa 20.500 Euro an jedem einzelnen Tag eines Jahres. Bei den von ihm angegebenen Einsparungen kann man vermuten, dass dieses Geld direkt in seine Tasche – und die Taschen seiner Kollegen – wandert. Bäte versucht hier also, in Zeiten von Finanzierungslöchern der Krankenkassen sein eigenes, überzogenes Gehalt zu sichern.

Währenddessen unterhält sich Alice Weidel auf X mit Elon Musk über Deregulierung. Ihr Ansinnen: Die staatlichen Beschränkungen der „Wirtschaft“ aufzuheben, um deren Möglichkeiten und Produktivität zu erhöhen. Die pseudolibertäre Partei steht also für eine Stärkung von Konzernmacht und richtet sich gegen jede Form der Beschränkung. Dass Goldman-Sachs-Weidel den Staat als einzigen Urheber von Unfreiheit sieht und die Verschmelzung von Banken- und Konzernmacht mit dem Staat, in dem erstere die Regeln schreiben, vollkommen ausblendet, war allerdings zu erwarten. Gleichzeitig spricht Alice Weidel sich für höhere Rüstungsausgaben aus – höher noch als die von Trump geforderten fünf Prozent des BIP. Das entspricht 44 Prozent des Bundeshaushalts von 2023 und damit beinahe jedem zweiten Euro an Steuergeldern – je mehr die Steuereinnahmen durch eine zerstörte Wirtschaft sinken, desto größer wird dieser Anteil sein.

Doch glücklicherweise gibt es bereits Ideen, wie diese Ausgaben bewältigt werden sollen. Nein, keine steigenden Spitzensteuersätze, Gewerbe- und Körperschaftssteuern. Diese sollen, wenn es nach der CDU geht, sogar gesenkt werden. Stattdessen sollen die Rentner ihren Anteil leisten. Diese sollen später in den Ruhestand gehen und dabei weniger an Rente kassieren. Es kann ja auch nicht angehen, dass die Alten nur faul herumliegen und keinen produktiven Beitrag mehr leisten. Auch die Bürgergeldempfänger sollen, so die überhaupt nicht neue Vorstellung, mehr gefordert und am besten überhaupt nicht mehr gefördert werden.

Der Klassenkampf von oben gewinnt also an Fahrt. Die deutsche Einheitspartei setzt bis hin zur AfD wie schon in den vergangenen Jahrzehnten die Interessen der Finanz- und Tech-Oligarchie durch. Auch eine Wahl wird auf diesen Klassenkampf von oben keinen Einfluss haben. Felix Feistel veröffentlicht seit 2017 Texte über das aktuelle Zeitgeschehen bei Manova, Apolut, tkp & Multipolar. Mehr auch auf seinem Telegram-Kanal.

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