Die Vertreibung aus dem Paradies ist eigentlich eine Flucht. Schreibt Axel Klopprogge heute in seiner Kolumne auf dieser Webseite. Der Mensch, so seine These, kann im Paradies nichts gestalten, nicht schöpferisch tätig und somit nicht Mensch sein. Logische Konsequenz: die Flucht. Einer, den dieses Thema ebenfalls umtreibt, ist der Maler Klaus Böllhoff. Mit Axel Klopprogge verbindet ihn eine langjährige Freundschaft; Böllhoffsche Bilder hängen an Klopproggeschen Wänden.
Herr Böllhoff, aufgewachsen in Oberhausen, sind Sie mit 18 nach Berlin gezogen, haben Kunst und Malerei studiert und sind dann in der Kreuzberger Alternativszene aktiv gewesen. Heute leben Sie in der Nähe von Anklam in Mecklenburg-Vorpommern. Was ist passiert?
Die Kurzfassung? Mein Leben.
Gern die Langfassung.
Dass ich mal im „Tempel der Kunst“ lande, in Berlin-Kreuzberg, war nicht abzusehen. Mich hat als Kind und Jugendlicher die Natur interessiert – Biochemie, Mathematik. Ich wollte Forscher werden und die ganz große Entdeckung machen. Damit da aber nicht doch ’ne Bombe draus wird, wurde ich 1968, mit 19, Student der freien Malerei in Berlin. Habe mir dann in Kreuzberg eine beschauliche Existenz aufgebaut, mit kleiner Druckerei, Comics gezeichnet, eine Familie gegründet, Jugendarbeit gemacht. Gesellschaftliche Teilhabe, wie man so schön sagt, stand für mich ganz oben. Es hat nicht viel gefehlt, und sie hätten mir dafür auf dem Heinrichplatz ein Denkmal hingestellt. Gerade noch rechtzeitig hab ich den Absprung geschafft.
Das klingt ein bisschen nach Flucht.
Es war auch eine. Ich war nicht unglücklich, aber ein Teil von mir begraben. Mein Talent, ein Thema zu übersetzen, etwas mitzuteilen, konnte ich ausleben, zum Beispiel in meinen Comics. Mein eigentliches Interesse, die Naturwissenschaften, die Weltentstehung – das kam zu kurz. Die philosophische Seite. Also nochmal zurück auf Los.
Wann war das?
1996, Neustart in Stralsund. Die Marienkirche als Herausforderung. In so einem Koloss kommt man sich ziemlich klein vor. In all der mittelalterlichen Mystik, den gotischen Mauern. Ich habe den Pastor gefragt, wo hier die beheizte Garage ist, in der ich malen kann. So kam ich aufs Gut Swine, ein Nest zwischen Garz und Samtens auf Rügen. Dort war Leben fast ohne Geld möglich, ich konnte Vollgas malen, im Sommer in der Marienkirche ausstellen.
Willkommen im Paradies.
Ja, es entstand mit der Zeit eine Gemeinschaft, Freunde kamen dazu, wir wollten einen Kunsthof draus machen. Es entstanden Ansprüche, Ideen, Pläne ... Das wurde mir zu eng, ich musste weg.
Wohin ging es?
Nach Prora. Mittenrein in den Klotz. Miete 30 Pfennig pro Quadratmeter, das war machbar. Eine interessante Zeit. Rund um die Nazi-Ruine änderte sich eh alle fünf Jahre die Situation. Um’s kurz zu machen: Die nächste Flucht stand trotzdem irgendwann an. Heute sehe ich es als nächsten Schritt einer Entwicklung. In der Kreuzberger alternativen Szene galt die Regel, immer erstmal zwei Jahre durchzuhalten, durchzurackern für ein neues Projekt, eine Idee. Nach fünf Jahren spätestens sollte aber alles auf den Prüfstand: Haben sich Verhärtungen gebildet, Wege eingeschliffen, Strukturen gebildet, die zu stark binden? Bin ich nicht mehr kreativ, werde ich bequem?
Dann ist die nächste Bruchlinie erreicht.
Die liegt bei mir jetzt zehn Jahre zurück. In Klempenow habe ich die Galerie Subitow aufgebaut, im Zentrum des vermeintlichen Nichts. Das steht auf dem Eingangsschild. Wunderbar. Klempenow liegt im Tollensetal, in der Nähe von Anklam. Von der A20 sieht man die Burg. Dort, auf dem platten Land, wollen wir einen Erlebnisort für Kunstunkundige schaffen. Und wenn mal ein Kunstliebhaber vorbeikommt, ist der auch willkommen. Ein künftiger Nachbar unterstützt das Projekt, will das Ambiente mit Burg und Galerie erhalten. Das stand auf der Kippe, als der Besitzer das Haus verkaufen wollte.
Sie machen Pläne?
Pläne? Ja klar. Doch im Scheitern von Plänen öffnet sich die Zukunft eher in ihrem Anteil von Absichtslosem.
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