Viel Geld ist es nicht. Zumindest nicht im Verhältnis zu den Millionensummen, die das Journalisten-Netzwerk OCCRP aus den USA bekommt. Die EU-Kommission finanziert die Organisation mit etwas über 600.000 Euro und will damit den Journalismus fördern. Uns am Medien-Tresen kommt das schon ob der bekannten und von uns im Dezember thematisierten engen Verbindung mit der US-Regierung verdächtig vor – von denen damals, Sie erinnern sich vielleicht, der NDR nicht berichten wollte. Als wir uns noch einmal den Namen hinter der sperrigen Abkürzung angeschaut haben, wird klar: Da haben sich zwei gefunden. OCCRP steht nämlich für „Organized Crime and Corruption Reporting Project“. Auf deutsch: „Projekt zur Erfassung und Veröffentlichung von organisierter Kriminalität und Korruption“.
Die EU-Kommission ist ohne Korruption und organisierte Kriminalität nicht denkbar. Fragen Sie einmal Martin Sonneborn oder einen X-beliebigen noch nicht korrumpierten – was die Sache schon wieder erheblich einschränkt – anderen Europaabgeordneten. Die Zahlungen an die Aufdecker irgendwelcher vermeintlicher Skandale kann man also vielleicht auch einfach als Schutzgeld verstehen. Schließlich recherchiert das Netzwerk auch kaum im Umfeld der US-Regierung bzw. von deren Freunde. Davon handelten die Berichte aus dem Dezember unter anderem. Einer der Rechercheure von damals fasste es in einem Interview treffend zusammen – inklusive des im Mainstream offenbar notwendigen Lobs für die Recherchen:
Das Geniale an Amerikas soft power besteht darin, dass die USA nicht viel steuern müssen. In einem zivilgesellschaftlichen Umfeld, das maßgeblich von der US-Regierung finanziert wird, braucht es keine morgendlichen Strategiemeetings, um klar zu machen, welche Interessen verfolgt werden sollen.
Das will die EU auch, sie hat schließlich genügend Dreck am Stecken und freut sich über die Ablenkung von ihren Verfehlungen rund um Pfizergate und Co. Da liest man als EU doch lieber Berichte wie solche, die aus dem Umfeld des Netzwerks im Vorfeld der Europawahlen vom Juni 2024 zu lesen waren und um die es gleich gehen soll. Zuvor genehmigen wir uns aber einen großen Schluck tschechisches Pils und schauen noch rasch auf die Erkenntnisse dieser Woche.
Die EU spricht in ihrer oben verlinkten Antwort auf die Anfrage des AfD-Europaabgeordneten Petr Bystron davon, dass man mit dem Geld an die OCCRP die „Handlungsfähigkeit von europäischen Journalistinnen und Journalisten, Nachrichtenredaktionen und Medienunternehmen mithilfe von Schulungen und Instrumenten für investigativen Journalismus“ stärken wolle. Bei einigen der Kooperationspartner, zu denen unter anderem der Spiegel, die Süddeutsche Zeitung oder der NDR gehören bzw. gehörten, wäre das sicher angebracht. Aber wir können davon ausgehen, dass es darum nicht geht. Denn schließlich recherchiert man in eine Richtung – und diese ist nicht die korrupte Megabehörde unter Leitung von Ursula von der Leyen, sondern deren Kritiker.
Womit wir bei Petr Bystron und der Berichterstattung vor der Europawahl wären. Das passt gut an den Medien-Tresen, denn damals ging es um Voice of Europe – vor den Europawahlen als „prorussisches Propagandamedium“ gescholten und mit Sanktionen belegt. Grundlage für die Schelte im Mainstream war die Berichterstattung einer tschechischen Tageszeitung (Partner von OCCRP), nach der angeblich rechtspopulistische Kandidaten von Voice of Europe mit Sitz in Prag mehrere Hunderttausend Euro erhalten hätten. Der Artikel erschien im März erstaunlicherweise auf Englisch, während die betreffende Tageszeitung auch online sonst nur auf Tschechisch publiziert. Weitere Details der damaligen Vorgänge sowie die aktuelle Geschichte rund um OCCRP und EU sind detailliert bei den Nachdenkseiten zusammengefasst. Für unseren Zusammenhang und die (mögliche) Verwicklung der EU ist es wichtig, dass Bystron, der auf Platz zwei der AfD-Liste kandidierte, 23 Hausdurchsuchungen über sich ergehen lassen musste. Ohne Ergebnis. Details zu den Geheimdienstinformationen, auf denen die Berichterstattung beruhte, sind bis heute nicht bekannt.
Allerdings: Kurz nach der Europawahl erhielt OCCRP die Förderzusage durch die EU. Eine direkte Verbindung zwischen Berichterstattung und Förderzusage soll hier nicht behauptet werden, dafür gibt es keine Belege. Es geht um das Prinzip, das dahintersteht. Am Medien-Tresen erkennen wir an dieser Stelle den Komplex eines zumindest in Teilen von Regierungen finanzierten Journalismus, der dann genau die Kritiker dieser Regierungen in den Blick nimmt. Dazu gehören die ebenfalls von der EU-Kommission unterstützten Faktenchecker ebenso wie der sich immer mehr als Staatsfunk häutende „öffentlich-rechtliche Rundfunk“.
Inhaltlich wäre an dieser Stelle noch auf eine andere Sache hinzuweisen: Beim Voice of Europe-Skandal ist es wie in vielen anderen Fällen: Zunächst wird etwas skandalisiert, das sich dann nicht als richtig herausstellt. Eine Korrektur gibt es kaum oder sie wird versteckt. Ein Beispiel, das passend zum EU-Thema erwähnt werden soll, wäre der angebliche Störangriff auf das Flugzeug von Ursula von der Leyen vor ein paar Tagen. So ist der Bericht auf tagesschau.de weiter ohne Korrektur online. Relativierungen gab es nur in den Live-Tickern zum Ukraine-Krieg. Die Faktenlage ist zwar beispielsweise bei Euronews zusammengefasst, beim Tagesschau-Zuschauer und -Leser bleibt aber das schlechte Gefühl und die Angst vor Russland. Und darum sollte es wohl auch gehen, was bei allen Berichten dieser Art im Blick bleiben muss – natürlich auch bei der angeblichen Drohnen-Provokation an der polnischen Grenze. Schließlich ist viel mehr vermeintlicher Journalismus Propaganda, als die meisten denken. Ob diese nun aus den USA, von der EU oder anderswo herkommt. Darauf trinken wir noch ein tschechisches Pils. Prost!
Helge Buttkereit ist Historiker, freier Journalist und derzeit in der Öffentlichkeitsarbeit tätig.
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