05c7e372d7f3d5e4e76e7524faf78879
Welt-Tresen | 22.10.2024
Schnitzel-Nonsens auf Rügen
Mit Unterstellungen versuchen etablierte Medien, die Inhaber eines Restaurants in ein schlechtes Licht zu rücken. Doch die halten dagegen und wissen die Gäste auf ihrer Seite.
Text: Mirko Jähnert
 
 

Viel Ehre für das Restaurant Oma's Küche in Binz auf Rügen. Deutschlandweit erregten sich die Gemüter über das angepriesene „Zigeunerschnitzel“ und dem „Negerkuss“ als Nachspeise. Dabei geht es keineswegs um Omas Kochkünste, sondern allein der Name des Gerichtes ist Grund für die Empörung. Zigeuner sei eine abwertende Bezeichnung für Sinti und Roma, so die Argumentation. In der Ostseezeitung (OZ), mit etwa 81.000 Exemplaren verkaufter Auflage die größte Regionalzeitung in Mecklenburg, reichte das für mindestens fünf (!) Texte, drei davon hinter der Bezahlschranke. Selbst der stellvertretende Chefredakteur musste zum Schnitzel seinen Senf dazugeben und findet „die Aktion genauso geschmacklos wie ein schlecht gewürztes Steak“. Während die OZ unter der Überschrift „Viele Gäste sind empört“ über Rassismusvorwürfe schreibt, ergibt eine Umfrage unter den eigenen Lesern, dass eine deutliche Mehrheit von 86 Prozent überhaupt kein Problem mit der Verwendung des Namens hat.

OZ-Umfrage

Doch auch über Mecklenburgs Grenzen hinaus schaffte es das Binzer Lokal. Das Portal T-Online und auch BILD berichteten über den Vorfall. Beide unterstellen den Inhabern bewusste Provokation durch die am Eingang angebrachte Tafel mit der Werbung für das Gericht. Der „Negerkuss“ stehe ja nichtmal auf der Speisekarte. Nun, hätte sich die BILD-Redakteurin die Speisekarte angeschaut, wäre sie eines Besseren belehrt worden. T-Online hat die fehlende Rechercheleistung ungeprüft übernommen. Mit „Rassismus“ und „Diskriminierung“ fährt später auch der NDR sprachliche Geschütze auf.

Was war eigentlich passiert? Um mehr zu erfahren, treffe ich Sigrun Gonschior, eine der beiden Inhaber von „Oma´s Küche“. In dem verwinkelten Restaurant, in dem viele Spielzeuge und Accessoires aus der DDR-Zeit zu finden sind, setzen wir uns in eine der gemütlichen Ecken. Und die resolute Geschäftsfrau erzählt: Den Stein ins Rollen brachte die Beschwerde eines Urlaubers bei der Ostseezeitung. Vor meinem geistigen Auge kann ich das Entsetzen von ens Malte-Torben sehen, der sonst seine Buddha-Bowl mit Tofu in einem hippen Berliner Szenelokal genießt. Die OZ machte daraus ihre Artikelserie und die anderen Portale stiegen ein. Gesprochen haben aber weder T-Online noch BILD noch der NDR mit den Restaurantbetreibern. Dem NDR gaben diese auf Nachfrage zu einem Interview eine Absage. „Es ist ja bekannt, dass bestimmte Medien Aussagen aus Interviews gern verkürzen und passend schneiden, um eine gewünschte Darstellung zu erreichen“, so Gonschior. Auch eine Anfrage von RTL lehnte sie aus diesem Grund ab.

Niemand ist auf die kulinarische Ausrichtung von „Oma‘s Küche“ eingegangen. Ein Blick in die Speisekarte hätte da für Klärung gesorgt. Liebevoll im Format einer Zeitung gestaltet, wirbt diese mit dem „Charme längst vergangener Zeit“. Traditionelle Küche halt. Dementsprechend findet man viele Gerichte, die einem von früher geläufig sind. Neben Soljanka, Rinderkraftbrühe und Ragout Fin auch das „Zigeunerschnitzel“. Eine Auswahl bekannter Witze aus der DDR-Zeit kann man dort ebenfalls lesen. Eine Kostprobe:

Erich Honecker spricht auf der Straße mit Vertretern der Arbeiterklasse. Eine ältere Oma fragt ihn: „Genosse Generalsekretär, ist der Sozialismus eigentlich von den Wissenschaftlern oder von den Politikern erfunden worden?“ Darauf Honecker stolz: „Von den Politikern natürlich!“ Darauf die Oma: „Na, das dachte ich mir. Die Wissenschaftler hätten es vorher bestimmt an Ratten ausprobiert!“

Mir persönlich kommen da Erinnerungen aus einer Zeit, in der es beim Essen um Geschmack und Gemütlichkeit ging. Oder ist es vielleicht genau diese Erinnerung an ein Stück DDR-Kultur, die die Medien so hyperventilieren lässt? Sprachpolizei und Political Correctness haben an den Stammtischen nichts zu suchen. Die meisten Menschen sehen das genauso und möchten sich nicht moralisch belehren lassen, wie die OZ-Umfrage zeigt.

Natürlich möchte das Restaurant Interesse wecken, was mit der deutschlandweiten Medienpräsenz bestens gelungen ist. Sigrun Gonschior: „Für solche Werbung müssen andere eine Menge Geld bezahlen." Die Reaktionen waren fast ausschliesslich positiv. „Wir haben über einhundert Emails bekommen. Die meisten unterstützten uns und schrieben: Macht weiter so!“ Selbst aus Ungarn schickte jemand ein Foto von einem Restaurant, in dem auf Deutsch ebenfalls für ein „Zigeunerschnitzel“ geworben wurde. Und auch die Google-Bewerter vergeben in der Mehrzahl fünf Sterne für "Oma's Küche".

Zigeunerschnitzel

Sigrun Gonschior wehrt sich gegen die in den Medien erhobenen Unterstellungen. Sie habe nichts gegen Ausländer, sagt sie. „Ich lasse mich nicht in die rechte Ecke stellen. Die Tafel bleibt hängen. Schließlich ist das Zigeunerschnitzel eins der beliebtesten Gerichte auf unserer Speisekarte.“ Für die Mitinhaberin ist das auch ein kleiner Protest. Sie tue nichts Verbotenes und habe nicht vor, sich moralischen Vorverurteilungen zu fügen, sagt sie zum Schluss.

Ach ja, den Abend in Oma’s Küche kann man übrigens mit einem Schluck „Oma’s heiße Pflaume“ ausklingen lassen …

Bildquellen: Autor