Das Schild am Eingang von Fünfeichen, einem Stadtteil von Neubrandenburg, ist nicht zu übersehen. Überdimensional kündigt der US-Konzern General Dynamics sein Vorhaben an. Im Hintergrund wird bereits gewerkelt, alte Gebäude werden abgerissen, Platz für Neues geschaffen. Die Rüstungsindustrie ist in Goldgräberstimmung.
Schon zu DDR-Zeiten wurden in Neubrandenburg Militärfahrzeuge repariert. Anfang der 1950er Jahre entstand zu diesem Zweck das Reparaturwerk Neubrandenburg (RWN) und entwickelte sich mit fast 5000 Mitarbeitern zum größten Arbeitgeber in der Region. Nach der Wende und der Abwicklung der NVA wurde im RWN noch ein paar Jahre altes Militärgerät verschrottet, bis das Werk 2001 die Tore schließen musste. Aus dem verbliebenen Bestand gründete Thomas Bockhold dann die Fahrzeugwerke FWW Neubrandenburg mit etwa 220 Beschäftigten. Es sollte ein lukratives Investment des Unternehmers werden.
Mit der Ukraine-Krise 2014 begann der Aufbau eines neuen Feindbildes – in Gestalt von Russland, um eine Aufrüstung zu rechtfertigen. US-Rüstungsunternehmen streckten ihre Fühler aus und wurden in Neubrandenburg fündig. 2018 übernahm der US-Konzern General Dynamics die Fahrzeugwerke Neubrandenburg. Stolz heißt es in der Pressemeldung vom 30. November 2018:
Die Übernahme von FWW stellt einen bedeutenden Schritt zur Erweiterung der Präsenz, der Fähigkeiten und des Kundenangebots von General Dynamics in Deutschland dar. Diese Übernahme ist auch ein weiterer Schritt in unserer Wachstumsstrategie, um GDELS als einen der führenden Anbieter von Landsystemen in Europa zu positionieren.
Das Werk in Neubrandenburg wurde die vierte Niederlassung des Konzerns in Deutschland, neben Kaiserslautern, Frankfurt am Main und Berlin. Ab 2021 stiegen die Militärausgaben in Deutschland auf Allzeit-Hochs. Medien und Lobbyisten warnten vor einer angeblichen russischen Bedrohung. Die Gewinne der Rüstungsindustrie sprudelten. Die Neubrandenburger Niederlassung des US-Konzerns, nun General Dynamics European Land Systems-FWW GmbH genannt, weist in ihrem Geschäftsbericht von 2022 einen Gewinnsprung von knapp 250.000 Euro im Jahr 2021 auf nunmehr 2,4 Millionen Euro aus. Nur ein Jahr später explodiert diese Summe auf sagenhafte 8,5 Millionen Euro! Wem das Unternehmen all das zu verdanken hat, wird auf Seite 1 des Geschäftsberichtes erwähnt:
Hauptnachfrager sind staatliche Institutionen. Angesichts des Krieges in der Ukraine investieren die Bundeswehr, als Hauptkunde der GDELS-FWW, sowie die osteuropäischen Staaten aktuell verstärkt in die Erhöhung der Einsatzbereitschaft der Streitkräfte, was sich basierend auf der Natur des Geschäftes der GDELS-FWW weiter positiv für das Unternehmen auswirken kann.
In Neubrandenburg bleibt das Geld allerdings nicht. Es gibt einen Gewinnabführungsvertrag mit der Muttergesellschaft.
Geschäftsführer der GDELS-FWW in Neubrandenburg ist Nico Danneberg. Dessen Lebenslauf ist stramm militärisch geprägt – vom Bundeswehroffizier über Rheinmetall und MT-Aerospace bis zu General Dynamics. Danneberg ist auch einer von sieben Managern der Firma, die Lobbyarbeit im Bundestag betreiben. Erstmals im Lobbyregister des Bundestages eingetragen wurde die Firma aus Neubrandenburg bezeichnenderweise am 25. Februar 2022, nur einen Tag nach dem Beginn von Russlands Militäraktion in der Ukraine. Die Manager der Firma wussten nur zu gut, wo man Gelder locker machen kann.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich 2023 auch Mecklenburgs Wirtschaftsminister Reinhard Meyer für einen weiteren Ausbau des Standortes einsetzte. In einem Video äußert sich Geschäftsführer Danneberg auch selbst für die Zukunft überaus optimistisch.
Dass deutsche Politiker wieder von militärischer Stärke und Kriegstüchtigkeit träumen und dafür Hunderte Millionen Euro Schulden aufnehmen, hat die Geschäfte von General Dynamics in Neubrandenburg dieses Jahr nochmals beflügelt. Die Firma hat einen Millionenauftrag von der Bundeswehr an Land gezogen. 256 Fahrzeuge vom Typ Piranha 5 sollen geliefert werden. Dazu arbeitet die Firma mit Rheinmetall in Düsseldorf zusammen. Im gerade entstehenden „Systemunterstützungszentrum“ in Neubrandenburg sollen dann die Wartung und die Ausbildung an den Fahrzeugen angesiedelt werden.
Das Beispiel General Dynamics in Neubrandenburg zeigt eindrucksvoll, wie sich der militärisch-industrielle Komplex dank medialer Kriegspropaganda und kurzsichtiger Politik eine goldene Nase verdient.
Mirko Jähnert hat mehrere Kurse an der Freien Akademie für Medien & Journalismus besucht. Er lebt und arbeitet in Mecklenburg-Vorpommern.
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