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Kommentar | 25.05.2025
In Zeiten der Kamelzehe
Das Verhältnis von Frau und Mann ist heute geprägt von Provokation und Aggression. Unser Autor will einfach nur zum Nachdenken anregen.
Text: Rumen Milkow
 
 

Es ist zugegeben ein pikantes, wenn nicht gar umstrittenes Thema, weswegen sich große Medien vermutlich nicht so recht rantrauen. Lediglich die Neue Zürcher Zeitung hat es getan, sehr ausführlich sogar, und das bereits vor Jahren. Die Kollegin schreibt in ihrem Beitrag von einer „Vagina dentata“, also einer „bezahnten Vagina“, einer Männerphantasie, die Realität geworden ist. Sie sei ein aggressives Statement, ein Affront für den Blick und eine Provokation, die Männer in den Nicht-Blick zwingt. So beschrieben, wie gesagt, von einer Frau. Dieses Detail ist nicht ganz unwichtig, ich komme darauf zurück. Doch erst einmal zum Gegenstand der Betrachtung: der Kamelzehe.

Glaubt man dem Internet, und das tue ich gelegentlich, bezeichnet Cameltoe oder auch Camel Toe (englisch für „Kamelzehe“) in der Umgangssprache die Verformung der Kleidung im Schritt bei Damenhosen, die bei sehr eng oder leger getragener Kleidung auftreten kann und einem „W“ gleicht. Klingt harmlos, oder? Die Verformung entsteht, so das Internet weiter, wenn der Stoff der Kleidung zwischen die großen Schamlippen der Frau rutscht und die Konturen der Schamspalte sichtbar macht.

Vielleicht dies noch zur weiblichen Anatomie, soweit sie mir als examiniertem Krankenpfleger in Erinnerung ist: Die großen Schamlippen verlaufen vom Venushügel bis zum Damm und umrahmen die Klitoris. Bei der erwachsenen Frau sind sie im natürlichen Zustand mit Schamhaaren bewachsen. Die beiden großen Schamlippen bilden die Schamspalte. Wäre das also geklärt. Einen Moment noch, auch dies scheint mir nicht ganz unwichtig zu sein: Die großen und kleinen Schamlippen bedecken sowohl den Scheideneingang als auch den Harnröhrenausgang. Sie schützen vor eindringenden Fremdkörpern und Keimen.

Ich schreibe dies, weil gerade wieder die Zeit der Kamelzehe begonnen hat. Allerdings nicht im Zoo, sondern auf den Straßen und Plätzen, in Parkanlagen und nicht zuletzt am Strand.

Man(n), vor allem aber Frau, stelle sich vor, es wäre umgedreht. Der Mann würde seine paarig angelegten Hoden so zur Schau tragen wie manche Frauen ihre Scham. Sowohl der männliche Hoden als auch die weibliche Vulva, zu der die Schamlippen gehören, zählen zu den primären Geschlechtsmerkmalen oder auch Geschlechtsorganen. Vermutlich wäre sofort von toxischer Männlichkeit die Rede. Nicht so bei der Frau. Jedenfalls habe ich noch nie etwas von toxischer Weiblichkeit gehört, wenn sich die Scham unter der Kleidung der Frau abzeichnet.

Bleibt die Frage: Warum möchte manche Frau der Welt unbedingt ihre Scham zeigen? Oder ist es umgedreht: Will die Scham die Welt sehen? Fühlt sich Frau dann besser? Oder nur die Scham? Ist am Ende die Mode beziehungsweise der Designer schuld? Und, diese Frage ist zugegeben gewagt: Will die Frau dem männlichen Geschlecht mit ihrer Cameltoe vielleicht etwas signalisieren?

Denn es ist keine Frage: Die Kamelzehe oder wie man die sich unter der Kleidung abzeichnende weiblich Scham auch nennen mag, zwingt mich als Mann zum Hinsehen. Und das provokativ, denn sie springt mich förmlich an. Will ich nicht als toxischer Mann gelten, muss ich mich zum Wegsehen zwingen. Die eingangs erwähnte Kollegin von der NZZ kommt zum selben Schluss.

Dann sieh doch woanders hin, Mann, höre ich die Feministinnen und Feministen schon sagen. Gut, dann aber gleiches Recht für alle. Wenn sich demnächst der Mann in der Öffentlichkeit an sein Gemächt fasst, um es einfach nur zurechtzurücken: Dann schau doch weg, Frau! Und rücke bitte auch nicht mehr deine Brust in deinem Büstenhalter zurecht. Hat sich schon mal jemand beklagt, wenn Frauen dies in der Öffentlichkeit tun? Ich kann mich ehrlich gesagt nicht erinnern.

Erinnern kann ich mich an ein Schild mit der Aufschrift „Kill All Men“ auf der Frauentagsdemo am 8. März 2023 in Berlin. Sorry, aber da konnte ich nicht weg-, sondern musste sogar zweimal hinsehen. Früher bekamen Frauen am Frauentag Blumen geschenkt, auch und gerade von Männern. Haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demo sich eigentlich schon von dem Schild distanziert? Man stelle sich auch hier das umgedrehte Szenario vor: Eine Demonstration am Internationalen Männertag, dem 19. November, auf der zum Töten sämtlicher Frauen aufgerufen wird. Was für ein Geschrei würde es geben? Und das zu Recht!

Ich will niemanden töten. Nicht nur, weil man das bekanntlich nicht soll – siehe fünftes Gebot. Ich will auch nicht zum Schreien, sondern zum Nachdenken anregen. Auch über die Frage, was als nächstes kommen könnte. Vielleicht „Untenrum frei“? Das gibt es sogar schon, in Buchform, geschrieben von einer Frau. Die Zeitschrift Brigitte meinte dazu: „Mittlerweile ein Klassiker der feministischen Lektüre, es lässt sich nicht anders sagen.“ Es muss also nur noch in die Tat umgesetzt werden. Bleibt die Frage: Nur von der Frau, oder auch vom Mann?

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Bildquellen: Ryan McGuire auf Pixabay