Selten war die Gefahr eines Krieges in Europa so groß wie aktuell. Politiker reden davon, das Land „kriegstüchtig“ zu machen. Das gleiche Anliegen trug Joseph Goebbels 1944 vor. Man höre sich diesen Ausschnitt einer seiner Reden an und erschrecke über die Parallelen. Offensichtlich sind die Handelnden „kriegssüchtig“.
Es wird ein Krieg gegen Russland für die nächsten Jahre vorhergesagt, ohne dass entsprechende Drohungen von russischer Seite vorausgingen. Wie kann ein Bundeskanzler ernsthaft darüber nachdenken, mit deutschen Marschflugkörpern russisches Gebiet angreifen zu lassen? Artikel 26 des Grundgesetzes sagt in Absatz 1:
Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
Ist es Größenwahn, wenn Marie Agnes Strack-Zimmermann der Meinung ist, Russland wäre besiegt worden, hätte man nur früher die Taurus eingesetzt? Auch Oberst a.D. Roderich Kiesewetter, der CDU-Einpeitscher in Sachen Russlandfeldzug, bläst ins selbe Horn. Es wäre wohl nach dem letzten großen Krieg besser gewesen, im Westen nicht „Deutschland, Deutschland über alles“ als Nationalhymne zu spielen, sondern „Auferstanden aus Ruinen“, um das übermütige Gemüt dieser Nicht-Volks-Vertreter etwas zu erden.
Zusätzlich eingeheizt wird die Stimmung durch die Medien. Der Spiegel titelt am 20. April 2025: „Bundeswehr sucht Rekruten – Fit für die Front“. Und im öffentlich-rechtlichen Polittalk fragt Caren Miosga ihren Gast, wie man die deutsche „Pazifismus-DNA“ überschreiben könne.
Um so wichtiger ist es, gegen diese Tendenzen anzugehen, Gesicht zu zeigen. Traditionell sind in Deutschland die Ostermärsche, ursprünglich durch die Friedensbewegung der 1960er etabliert. Heutzutage gelten Demonstrationen für Frieden als umstritten. Dieter Hallervorden, zugeschalteter Sprecher in Dresden, positioniert sich klar und wird für einen solchen Satz kritisiert:
Der Frieden ist ein wahres Meisterstück der Vernunft.
Das Framing „rechtsextrem“ für Demos wie die in Dresden kennen wir ja bereits aus der Corona-Zeit. Was T-Online nicht daran hindert, diese eingestaubte Nazi-Keule wieder herauszuholen.
In Mecklenburg-Vorpommern fanden in den letzten Tagen in mehreren Städten Ostermärsche und andere Veranstaltungen statt. Mehrere hundert Menschen waren in Rostock, Schwerin, Wismar und anderen Orten auf den Straßen für Frieden und gegen Aufrüstung unterwegs. Ich selbst bin Ostermontag in Neubrandenburg gewesen, beim Ostermarsch, angekündigt vom örtlichen Friedensbündnis. Bereits vor gut einer Woche hatte dieses Bündnis eine Veranstaltung mit Eugen Drewermann und Tino Eisbrenner organisiert.
Auf dem Marktplatz der Vier-Tore-Stadt treffen sich etwa 70 Menschen (Fotos). Viele tragen eine blaue Fahne mit der weißen Friedenstaube. Bevor die Veranstaltung beginnt, spielt ein Teilnehmer selbst getextete Friedenslieder auf der Gitarre. Jürgen Kalkbrenner vom Friedensbündnis Neubrandenburg erinnert er an die Abrüstungsvereinbarungen während des Kalten Krieges und die russischen Verhandlungsangebote an die Nato vor Ausbruch des Ukrainekonfliktes. Er fordert: „Friedensfähigkeit statt Kriegstüchtigkeit. Gegen Krieg, Rüstung, Hass und Hetze.“
Dann übernimmt Olaf Schümann das Mikrofon. Er ist einer der Kandidaten für die Oberbürgermeisterwahlen im Mai und möchte die Friedensfahne vor dem Neubrandenburger Rathaus aufziehen lassen. Eine Idee, die gut ankommt. Machte Neubrandenburg doch letztes Jahr bundesweit Schlagzeilen wegen eines „Fahnenstreits“.
Robert Feuker ist seit fünf Jahren einer der Organisatoren der Montagsdemos. In seiner Rede erinnert er daran, dass Neubrandenburg nach dem Zweiten Weltkrieg zu 80 Prozent zerstört war. Sein Credo: „Wenn alle Menschen sagen: Nein, ich mach da nicht mit, sind die Kriegstreiber machtlos.“
Im Anschluss marschieren die Demonstranten durch die Innenstadt. Dabei wechselt das Mikrofon für kurze Wortmeldungen hin und her. „Für meine Kinder“, ist die häufigste Antwort auf die Frage, warum die Teilnehmer heute hier sind. Und um ein Zeichen zu setzen, ein Zeichen für den Frieden.
Mirko Jähnert hat mehrere Kurse an der Freien Akademie für Medien & Journalismus besucht. Er lebt und arbeitet in Mecklenburg-Vorpommern.
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