Ein sternenklarer Himmel an diesem Freitagabend im November. Lend, ein kleiner Ort im Salzburger Pinzgau. Die Luft ist kalt draußen, doch im Laden von Manuela Zoller empfängt den Besucher Wärme – und warm ist auch das „Hallo“ von ihr. Ebenso das der anderen Gäste in Manuelas Dorfladen, die gemütlich beieinandersitzen. „Ich bin auch das Cafè – und freitags ab 20 Uhr betreibt mein Mann Manuel die Bar hinten“, sagt Manuela. Es ist ein kleines Geschäft – und trotzdem bekommt man fast alles: Lebensmittel, Haushalts- und Tabakwaren, kleine Geschenke. Außerdem bietet Manuelas Dorfladen seinen Veranstaltungssaal für Konzerte, Weihnachtsfeiern oder Geburtstage an. Auch die Post ist im Laden integriert. Viel Arbeit sei das Ganze schon, „aber ich mache es gerne“, sagt Manuela. „Und mein Mann unterstützt mich ja auch“. Im Dezember 2017 hat Manuela die Trafik in Lend übernommen, da die Pächterin in Pension ging. Vor anderthalb Jahren ist sie in den ehemaligen „Handlwirt“ umgezogen. Ziel: größer werden, um mehr anbieten zu können.
Für einige Jahre gab es in Lend überhaupt kein Lebensmittelgeschäft. Auch kein Postamt. Und Wirtshäuser sind ohnehin rar geworden. Vor allem in kleinen Gemeinden. In Lend hat Manuela mit ihrem Dorfladen für Abhilfe gesorgt. Sie hat alles zusammengemixt, aus mehreren Läden einen gemacht. Trotzdem ist es für kleine Betriebe nicht einfach, sich auf dem Markt neben den ganz Großen zu behaupten. Aber Manuela wirkt entschlossen und standhaft. Obendrauf ist sie freundlich und hilfsbereit. Aber zurzeit sei es für niemanden einfach. „Da geht es keinem besser und jeder muss schauen, wie er klarkommt – die Kunden genauso wie ich“, sagt Manuela. „Am Ende bleibt mir nicht viel vom Verkauf.“ Die Preise halte sie trotzdem so niedrig wie möglich. „Immer an der Grenze.“ Auf die Frage, warum sie sich so viel Arbeit bei wenig Gewinn antue, erwidert sie: „Damit die Einwohner die Möglichkeit haben, im Ort einzukaufen.“
Im Sommer bedient die gelernte Einzelhandelskauffrau zusätzlich Radfahrer oder andere Gäste, die Hunger oder Durst haben, draußen auf der Veranda. Oder Kinder, die ein Softeis wollen. Aber heute ist es drinnen viel gemütlicher. Hin und wieder muss Manuela kassieren, einen Kaffee oder ein Bier ausschenken. Rund eine Hand voll Kunden kommen zum Einkaufen. Die anderen Gäste sitzen an den Kaffeetischen am Fenster, es wird gelacht. Oder mal ein „Schmäh“, also ein Scherz, in unsere Richtung geschickt – und alle lachen. Eine der Herausforderungen sind Fleischbestellungen. „Manche Kunden möchten das Fleisch vorher sehen, aber ich habe keine Möglichkeit, das hier zu lagern. Ich kann es nur für die Leute bestellen.“ Ansonsten könnten die Menschen mit jedem Wunsch kommen: „Alle Anregungen sind willkommen. Kommunikation ist das Wichtigste. Sie können nach allem fragen. Immer her damit.“ Da meldet sich ein Gast aus der Kaffee-Ecke zu Wort – Günter H.: „Brauchst glei kemma. Sie schaut da um ois!“ Und Patrick S., der neben ihm sitzt, ergänzt: „Zumindest probieren tuat sie’s!“ Günter sagt, es sei „familiär und total wichtig, dass dieses Geschäft existiert“. Da ist er sich mit allen aus der Kaffee-Ecke einig. Er würde wegen der Freundlichkeit herkommen und einkaufen, wegen der Nähe zu seinem Zuhause und weil es ein Familienbetrieb ist. Patrick und Günter sagen auch: „Aus Solidarität – mia san Lendner!“ Weniger klasse findet Günter, dass die Politik Familien- und Kleinbetriebe „verhungern“ lässt. „Dafür stopfen sie umso mehr in Großkonzerne.“ Dagegen scheint es auf Gemeindeebene besser zu funktionieren. „Die unterstützt mich bei wichtigen Fragen und wo sie kann“, sagt Manuela. „Außerdem kennen sich hier die Menschen: Es gibt mehr Zusammenhalt und Gemeinschaftssinn.“
Trotzdem könnten mehr Kunden in ihren Laden kommen, damit es besser läuft. Manuela versteht, dass viele auf dem Heimweg von der Arbeit zum Diskounter fahren. Weil es „auf dem Weg liegt“ – und billiger ist. Somit sieht sich die Ladenbesitzerin, Lebensmittelverkäuferin, Cafébetreiberin, Trafikantin, Wirtin, zweifache Mutter und Postamtbetreiberin einem übermächtigen Heer gegenüber – so wie einst das kleine Gallien gegen das mächtige Rom. Abschließend wünschen sich alle Gäste, dass Manuela die Lendner weiterhin versorgen kann. Zwar nicht mit einem Zaubertrank wie Miraculix, jedoch mit einer Mixtur aus Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und familiärer Atmosphäre. Oder wahlweise einem Schlummertrunk an der Bar!
Martin Landauer hat am Online-Kurs Bericht teilgenommen.