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Medien-Tresen | 14.11.2025
Wo Licht, wo Irrlicht?
Nachdenken über Medien, Dissidenz und zivilisatorische Endzeitfiguren. Folge 1: Antichrist und Transformation.
Text: Daniel Sandmann
 
 

Wie sich ausrichten, wenn alle Richtungen geschwunden sind: Das darf man sich getrost fragen. Dass „wir“ in einer irrlichternden Welt gelandet sind, ist kaum zu bestreiten. Indes, das Irrlichtern greift weiter aus, als manch einer denkt. Und wie unter irrlichterden Bedingungen ein sinnhafter Text zu erstellen wär, auch das darf gefragt sein. Nun, wie viele andere Beiträge ist auch dieser Tresen-Beitrag, mein erster, selbstredend ein Versuch, eine Richtung im gegebenen Irrsinn zu finden. Doch Texte sind Medien, platziert in Gefäßen, die sich ebenso Medien nennen. Diese Struktur ist womöglich zumindest Teil des Irrsinns, und der Fokus darauf wird in unterschiedlicher Prägung und Stärke mein „Ent-setzen“ gerade auch über die Dissidenz begleiten.

Vielleicht ist die Idee eines Mediums grundsätzlich falsch, und vielleicht steht das Medium am Anfang des Niedergangs. Vielleicht ist es das erste Verhängnis des Menschen überhaupt, es sei denn, er selbst sei dieses erste Verhängnis. Vielleicht sperren Medien Menschen voneinander aus, statt sie in Verbindung zu setzen, vielleicht sind sie in ihrer Essenz Kriegsmaschinen und nicht Verständigungsmittel. Alles Vermutungen. Jedenfalls ist unsere westliche Zivilisation womöglich auch deshalb am Ende – wer wollte daran noch zweifeln? –, weil sie eine Zivilisation des Mediums ist und war. Mit anderen Worten: Der Niedergang des Westens mag im Kern darin bestehen, dass kein Leben mehr stattfindet, sondern nur noch mediales Dröhnen, das sich bald einzig noch als technologisches Rauschen zeigt.

Meine Eingangssätze haben natürlich eine massive Unschärfe, weil nicht klar ist, was ‚Medium‘ darin bedeuten soll. Mit dieser Unschärfe gehe ich zunächst bewusst voran, um nach und nach mehr Licht einzuwerfen. Zu Beginn dieses längeren Fadens, der nicht mit diesem einen Beitrag abzuwickeln ist, soll lediglich gesagt sein: Die Sprache selbst steht unter Verdacht, ein Medium zu sein, und insofern würden diese Ausführungen selbst von Beginn weg unter dem leiden, was ich als das Verhängnis des Mediums eingangs formelhaft herausgestellt habe: unter Leblosigkeit nämlich. Doch könnte sich die Sprache unter mehr Lichteinstrahlung doch unterscheiden von Medien, von denen gemeinhin die Rede ist und die im Verständnis der Dissidenz bzw. der Machtkritik sozusagen als Paradigma und Antreiber des Zivilisationsabsturzes fungieren. Es könnte sich nämlich herausstellen, dass Sprache von den Medien missbraucht wird zu Zwecken, die mit ihr nichts zu tun hätten: zu Isolations-, Sedierungs- und Haltungszwecken im Dienste der Macht.

Das mag alles etwas kryptisch klingen und muss es auch. Ich kann die Welt und ihren Niedergang nicht gleich im ersten, zweiten oder dritten Absatz eines Textes erklären, der sich die Frage stellt, woran man sich überhaupt noch ausrichten könne in diesen Zeiten. Das versteht sich. Zwar mag die Essenz dessen, weshalb „wir“ abgestürzt sind, am Ende nicht so komplex sein, wie einige annehmen, aber sie ist bestimmt nicht in drei Abschnitten zu fassen.

Springen „wir“ – auch dieses WIR ist Propaganda, zumindest jedoch Schablone, immerhin: offengelegt wird das bereits etwas auskorrigiert – ganz woanders hin. Nicht zur Macht – sind da nicht alle Sätze schon formuliert worden?; zu den Trumps, Merzens, Macrons etc. und allen anderen Systemvariablen?; zum Kapital selbst allerdings auffallend weniger... –, ich springe zur Ohnmacht. Genauer zu den Stimmen, die den Diskurs im Rahmen dieser Ohnmacht bestimmen. Und weil ich hier – eine Medienvorgabe – mit wenig Zeichen auskommen muss (die ich allerdings massiv überschreite), sei sozusagen als Abkürzung die These gleich vorweggestellt: Es werden Muster bedient, welche die Muster des Systems sind. Und das erst löst die Orientierungslosigkeit aus. Dass eine Leyen oder eine Kallas Sätze der Orientierung streuen, damit rechnet keiner.

Bildbeschreibung Bild: Charles Michel, Ursula von der Leyen und Kaja Kallas im Juni 2024. © EU, CC BY 4.0

Drei Szenen habe ich herausgepickt und mich dabei auf die deutschsprachige Dissidenz beschränkt:

  • Szene 1: Ein Systemkritiker spricht in einem Beitrag, geschaltet auf mehreren Blogs der „alternativen Medien“, vom Wiederkommen des Antichristen.
  • Szene 2: Ein Systemkritiker spricht in einer Gesprächsrunde von Zeitenwende und Transformation. Er meint damit die „Wende“, die mit Trumps Wahl eingetreten sei und alte Paradigmen abgelöst hätte, namentlich erwähnt er den Wokeismus. Es widerspricht ihm niemand.
  • Szene 3: Systemkritiker „sprechen“ mit der KI. Das ist unter Dissidenten zu einer beliebten Form geworden, die Zeit totzuschlagen. Ich fokussiere auf jenes „Gespräch“, in welchem der Dissident die KI in etwa fragt „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der Machtgefährlichste im ganzen Land“, beziehe aber auch weitere solche Trainingseinheiten an den Geräten mit ein.

Wer das Licht sucht in diesen drei Szenerien, es sei schon verraten, der taucht ins Dunkle ab. Ins Finstere gar. Dies festzuhalten aber ist die erste Bedingung dafür, dass Licht wieder werde. Szene 3 nehme ich im Dezember auf, heute am Tresen werden 1 und 2 verhandelt.

Das Hokuspokusböse versus Goethe

Szenerie 1: Der Antichrist als Erklärungsansatz für den zivilisatorischen Zusammenbruch hat Tradition in der Dissidenz, insofern damit auf Moral referiert wird, eine „entartete“ Moral, die personifiziert wird. Bereits zu Coronazeiten ward dieses Muster des Bösen als Erklärung gewoben und in den Diskurs eingeworfen. Und mit diesem Muster die Verdrängung, die ihm eingeschrieben ist. Besser gesagt: Der Abzug der Kritik von den Zentren der Macht, also vom Kapital. Neu an dieser Antichrist-Betrachtungsweise aus der Dissidenz ist, dass sie als realpolitisches Argument direkt von der Macht bzw. vom Kapital übernommen wird, nämlich von Peter Thiel.

Auf Thiels Reden und Geplauder vom Antichristen wird in diesem Beitrag der Dissidenz referiert. Auf dessen Aufruf, christliche Werte wieder zu leben. Dieser Aufruf wird weitgehend ungebrochen übernommen und explizit gesagt, es wäre gut, dieser „Diskurs“ aus dem angelsächsischen Raum würde auch in Deutschland geführt. Wie dieser Diskurs aussehen könnte, zeigt der Beitrag sodann gleich selbst auf: Goethes Mephisto-Figur aus Faust wird als Antichrist funktionalisiert. An Mephistos Bosheit und Moral gehe die Welt zugrunde – zum Beispiel, indem man Kinder an die destruktiven Computerspiele lasse, sagt diese dissidente Argumentation.

Nun, Goethe wird sich im Grabe drehen, war genau dies doch nicht die Aussage seiner komplexen Mephisto-Figur. Goethe hat Mephisto vielmehr als Kunstfigur geschaffen, um im Dialog mit ihr Schichten der Persönlichkeit Fausts dramatisch vorzuführen und erkenntnistheoretisch freizulegen. Die Teufelsfigur aus der mittelalterlich-kirchlichen Hokuspokus- und Drohkiste dagegen war Goethe ein Graus – weil erkenntnistheoretischer Schrott.

Die Kulminationsszene der Faustschen (!) Verheerung findet sich in Faust II da, wo Faust in seinem optimierenden Tatendrang zwecks Kanalisierung und Rationalisierung der Natur das letzte Stück Land der Antike, das Arkadien von Philemon und Baucis, zerstört und die Bewohner beseitigen lässt, stimmigerweise und ganz im Sinne einer Philanthropie à la Soros so, dass er für sich sagen kann, gerade so brutal hätte er es ja nicht gewollt.

Goethe koppelt den Tilgungsakt an die Unfähigkeit Fausts (und also des Menschen), Weile zu „leben“. Er muss stattdessen ständig tätig sein, ständig zielgerichtet sein, weil er sich selbst und zuletzt das Sein nicht aushält. Daraus entsteht die Destruktion der Welt und nicht aus dem Hokuspokus-Bösen einer als Mephisto vorgeführten Antichrist-Figur. Es ist das ständige Wuchern des Kapitals, das Goethe – weitgehend und wohlweislich unverstanden von der Germanistik und vor allem vom deutschdidaktischen Schulbetrieb – in erschlagender Präzision als Zivilisationsabsturz vorführt, konkret als Ausmerzung seines Ideals der Antike. Es ist Faust, der Ingenieur, welcher das Land von Philemon und Baucis rationalisiert, kanalisiert, optimiert und tötet, Faust, der Unternehmer, der Kapitalist, der Optimierer. Nicht Mephisto.

Bildbeschreibung Bild: Setting für den Faust von Georg Daubner 81907). @ Ji-Elle, CC BY-SA 4.0

So geht die von Goethe prophetisch vorhergesehene Verheerung, die seit 2020 nochmals geraffter ausgerollt wird. Sie hat mit dem Antichristen rein gar nichts zu tun, es sei denn, diese theologische Figur würde an das Wuchern des Kapitals geknüpft. Bleibt das aus – wie in diesem Antichrist-Text –, übernimmt die Systemkritik die puppenkistenhafte Verdrehung und Sedierung des Systems (in diesem Fall konkret von Thiel), auf dass das Kapital aus dem Fokus gerät und stattdessen sedierend von schwindenden Familienwerten etcetera gesprochen wird. Über Familie darf natürlich gesprochen werden. Doch ohne Anbindung an Machtfragen wird ein solcher „Diskurs“ selbst zu einem Muster des Machterhalts. Und so finden Systemkritik und System zusammen im trivialen Antichristtopos des Peter Thiel bzw. des ganzen digital-militaristischen Überwachungskomplexes – und die KI darf dabei als Gegenfigur zu diesem bösen Antichristen vortanzen: Sie schaut mit ihren Algorithmen nämlich darauf, dass der Mensch keine abartigen, schmutzigen, perversen und familienfeindlichen Gedanken hat, und sperrt die Konten der Ketzer und Störenden, schneidet sie von der Kommunikation ab, von der Gesundheitsvorsorge etcetera braballera.

Dass Peter Thiel alles Interesse hat, nicht die digitale Rundumsorglostotalüberwachung als Verheerung der Zivilisation entlarvt zu sehen und stattdessen sedierend die Hokuspokus-Figur des Antichristen als Bösewicht vorschiebt, versteht sich. Thiel will seine Technologie verkaufen. Er tut exakt das, was Faust tut: Er optimiert mit seiner Palantir-Technologie die Welt, tut das, was Goethe als Destruktion aufzeigt. Dass Thiel Goethe nicht versteht, ist evident. Sein Nichtverstehen geht Hand in Hand mit seinem Geschäftserfolg. Dass ein Text der Dissidenz dem aufsitzt und das Reaktionäre der Technologie zumindest implizit als Lösung vorträgt, ist Teil der absoluten Richtungslosigkeit. Szenenwechsel. Paar Jahrhunderte zurück, Südamerika: Da hätten sich die Menschen den „Antichrist“ sehnlichst herbeigewünscht, um den „Christ“ bei dessen „Kultivierungsaktionen“ (sprich: Genozid) aufzuhalten. Das als Ergänzung, und dass das Christentum nicht darauf zu reduzieren sei und dass vor allem Jesus sich an einer Antichrist-Diskussion in diesem Sinne entweder nicht beteiligt oder sich darüber – auch über Thiel – entsetzt hätte, sei der Differenzierung wegen angefügt.

Transformation oder der Spritzenhausierer am Tisch des Dealers

In Szenerie 2 (spezifisch ab 1:01:40) ist die Finsternis nicht weniger finster: In einer Gesprächsrunde mit vier Leuten verweist ein Gehirnwissenschaftler darauf, dass die technologische Überwachung bis auf die Ebene reiner Gedanken vorgedrungen und der Totalitarismus dabei sei, lückenlos und bis ins Innerste des Innern vorzudringen. Er selbst würde, aufgrund seiner Gedanken, zweifelsohne „abgestraft“ vom System. Daraufhin sagt ein anderer Gesprächsteilnehmer, der im Rahmen der Corona-Inszenierung manche machtkritische Dekonstruktion vorgelegt hat: „Da wäre ich mir nicht so sicher.“ Er verweist in der Folge auf eine „Transformation“ und erwähnt hierfür die Charlie-Kirk-Ermordungsthematik. Trump habe diese „Transformation“ durch das „Abwatschen“ verschiedener Landespolitiker (gemeint: Politiker der Demokraten in den USA) nochmals verdeutlicht; viele, die „schlimme Sachen“ gemacht hätten in letzter Zeit, würden nicht mehr Gehör finden; „das ende jetzt massiv“ und zwar weltweit.

Bildbeschreibung Bild: Screenshot mit Tom Lausen, Gwendolin Walter-Kirchhoff, Michael Nehls und Walter van Rossum (von links oben nach rechts unten)

Trotz fehlender Kohärenz im Gedankengang wird deutlich, dass hier von der konservativen Wende die Rede ist, die der Votant durch die Trump-Administration in Gang gesetzt sieht. Der Gesprächsleiter – eine Mini-Aufhellung – fragt immerhin nach, weshalb es sich nun ändern solle, er könne das nicht erkennen. Daraufhin erwähnt der „Coronakritiker“ das Attentat auf Trump, das dieser „durch die Hand Gottes“ überlebt hätte, und weiter nochmals das Kirk-Attentat mit der Folge, dass die Antifa als terroristische Vereinigung nun gesehen werde. Aus diesen Ausführungen folgert der Votant, dass eine große Gruppe von Menschen „bewusster“ geworden wäre und dass die „Transformation“ nun schnell vollzogen werden müsse, es sei auch historisch belegbar, dass nun Dinge geschehen, die es nicht mehr ermöglichen würden, nach der alten Norm weiterzuleben.

Sucht man nach einem Irrlichtern ähnlichen Formats, man muss wohl bei den Höhepunkten Lauterbachscher Argumentationskunst anfangen. Was soll transformiert werden oder bereits worden sein? Welche Norm soll über den Haufen geschmissen werden? Das Kapital etwa, das die Coronanummer so souverän durchgezogen hat?

Man mag an Wunder glauben, aber abseits davon gilt: Das Kapital geht weiter wie immer. Noch ungebremster und unregulierter, geht es nach Trump, Milei & Friends – wobei Regulaturen in Sachen Kapital stets nur Sedativa sein können und müssen. Die Totalüberwachung eilt der Vervollkommnung entgegen, andere Meinungen werden, Palantir/Peter Thiel sei Dank, zielsicher ausgemerzt. Zwar sind es teilweise andere Gruppen, die nun als „blaues Wild“ (Ingeborg Bachmann: Unter Mördern und Irren) fungieren, aber der Neuanstrich von Zielscheiben ist keine Transformation. Die Tilgung des autonomen Subjekts und damit essentiell verschränkt die Überwindung der menschlichen Natur sind weiterhin das Endziel – der Wokeismus qua Figur auf dieser Linie ist momentan zwar als Sedierungsfolklore mit lachenden Gesichtern unter Regenbogenflaggen aus dem Programm genommen, aber es würde keineswegs wundern, die Algorithmen kämen bald schon wieder, etwas modifiziert, auf ihn zurück. Der Menschenrechtlerin Francesca Albanese dagegen, welche den Völkermord an den Palästinensern als das ausspricht, was er ist, wird von denen, welche die angebliche Transformation in Gang setzen, die Einreise verweigert. Yanis Varoufakis widerfuhr Gleiches bereits gut ein Jahr eher, als er ebenso zum Tilgungsakt in Palästina sprechen wollte. Er aber wurde nicht von der Trump-Transformationsgilde, er wurde vom Bodenpersonal der Grünen und der SPD in Deutschland mundtot gemacht. Im Kapital findet alles zusammen.

Sieht nun also so Zeitenwende aus? Ist das noch brutalere Vorgehen in Gaza diese Transformation? Oder die Regime-Change-Operationen gegen Venezuela? Finden die, „die schlimme Sachen gemacht haben“, kein Gehör mehr? Geht es um eine Transformation des Reaktionären ins noch Reaktionärere, ist das gemeint? Des Faschistischen ins noch Faschistischere? Und in der Tat sieht es so aus, wenn man den Spritzenhausierer am Marmortisch im Weißen Haus zusammen mit anderen „Geistesgrößen“ der Zivilisation wie Zuckerberg und Thiel um den Präsidenten versammelt und grinsen sieht, dabei die Worte sprechend:

Mister President and I.

Und mag in diesen meinen Sätzen eine gewiss Polemik eingelagert sein – sehr moderat angesichts der wahren Verhältnisse – und mag es in den USA kritische Gegenströmungen zu Übergriffen auf den Menschen durchaus geben, etwa wenn da und dort der Corona-Faschismus offen angesprochen wird, wenn eine Tulsi Gabbard eine vorübergehende, schöne und wirkungslose Stellung bekommen hat und ein Robert F. Kennedy ebenso und wenn weiter der WHO-Massenmenschenhaltungsregulierung entgegengetreten wird, so feiert der Kapitalismus gerade eine grandiosinfantile Party qua Comic exakt an diesem Marmortisch der Transformierten, ein Fest, das zuweilen ob seiner realsatirischen Groteske (Trump als Papst und andere witzige Einfälle) tatsächlich ein großes Gelächter verdient, solange man noch lachen kann. Niemals hat ein J.D. Vance, von einem Trump ganz zu schweigen, niemals hat einer der „Meinungsfreiheitskämpfer“ hier in Deutschland, AfD-Personal inklusive, auf an Albanese und Varoufakis vorgenommene Redeverhinderungen verwiesen, wenn sie sich für die Freiheit der Meinung ins Zeug warfen. Vielmehr hat die Transformationsgarde in den USA, einmal an exekutiven Hebeln sitzend, gemerkt, wie schön und nützlich eine Cancel Culture doch ist. Im Grunde haben sie sich nur ein wenig erinnern brauchen (J.D. Vance‘ Rede vor der versteinerten europäischen Russophobie-Community bleibt dennoch eine Aufhellung).

Bildbeschreibung Bild: Vance am 14. Februar 2025 in München (Foto: MSC/Preis, CC BY-SA 4.0)

Ist dies die Transformation, die aus der Corona-Dissidenz heraus angepeilt war? War die Fortführung der Repression unter (teilweise) veränderter Zielscheibenbeschriftung das, was als Verheißung über den bald schon in eine ferne Mythologie abgetauchten Großdemonstrationen zu Berlin lag? Wie kann das sein? Wer/Was sediert in einem Ausmaß, dass Beiträge, wie in Szenerie 1 und 2 vorgeführt, weitgehend unwidersprochen bleiben (dass sie, einmal in Gehirnen aufgekommen und erzeugt, vorgetragen werden sollen, versteht sich)? Haben die Medien als solche damit zu tun? Sind es Muster, die auch für die Medien der Dissidenz gelten? Oder ist es, grundsätzlicher noch, die Technologie selbst? Eine Technologie, die genuin darauf ausgerichtet ist, Subjekte zu ersetzen („es wird alles so schön bequem... und schneller... und effizienter...“) und also zu tilgen? Oder ist es am Ende die unkenntliche Verzahnung von beidem? Meine Suche nach den Geistern in den Sümpfen geht im Dezember weiter, so die Welt noch steht. Bis dahin gelte der Seelenfrieden allüberall.

Empfohlen als erhellende Lektüre: Michael Jaeger, Global Player Faust. Zur Aktualität Goethes.

Daniel Sandmann ist promovierter Philosoph und Linguist. Er betreut bei Manova den Literatursalon und hat – unter verschiedenen Namen und in kleinen Verlagen – Romane, Dokumentationen und Erzählungen veröffentlicht; jüngst erschienen: Teer Sandmann: Raffen, Sterben, Trance; demnächst in noch unbekanntem Theater: ZWERG, Roman.

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Bildquellen: Kloster Sv. Joakim Osogovski in Nordmazedonien. Bild: Edal Anton Lefterov, CC BY-SA 3.0