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Rezension | 06.01.2025
Was zur Wahl steht
Marcus Klöckner führt uns mit Remarque zurück in die Schützengräben des Ersten Weltkriegs und fragt: Wollen wir das wirklich alles wiederholen?
Text: Michael Meyen
 
 

Wo Marcus Klöckner draufsteht, sind die Medien drin. Journalismuskritik mit Bourdieu als Eckpfeiler, mit Leidenschaft und mit Beispielen, die sich einprägen: So hatte ich das für mich gespeichert nach dem grandiosen Buch Sabotierte Wirklichkeit, das schon 2018 viel von dem vorwegnahm, was dann zwei Jahre später auch für den Laien nicht mehr zu übersehen war, und dann noch einmal dick unterstrichen, als dieser Autor im Sommer 2021 wortgewaltig mit dem Zombiejournalismus abrechnete. Auch der Bestseller „Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen“ passte in diese Schublade. Eine kommentierte Zitate-Sammlung für die Ewigkeit, zusammengetragen dort, wo Marcus Klöckner schon deshalb zu Hause ist, weil er fast täglich öffentlich schreibt, kommentiert, interviewt.

2025 ist der Soziologe Marcus Klöckner zurück und vereint sich mit dem Medienbeobachter zu einem Publizisten, der nicht hinnehmen will, was er in Politik und Gesellschaft sieht. „Kriegstüchtig!“ heißt das Buch, das heute im Verlag fifty-fifty erscheint, einer Westend-Tochter, die immer dann herhalten muss, wenn es heikel wird wie jüngst bei der Jeffrey-Epstein-Analyse von Tahir Chaudhry. Klöckners Untertitel: „Deutschlands Mobilmachung an der Heimatfront“.

Der Journalismus spielt mit in diesem Buch, klar. Wie sollte das anders gehen. Florence Gaub bei Markus Lanz. O-Ton Klöckner: „Schließlich kommt irgendwann die Gräuelpropaganda, das heißt oft: irgendwas mit Babys“. Er setzt aber voraus, dass wir das wissen, und kann so tiefer einsteigen. Das beginnt bei den Begriffen. Kriegstüchtig: Was bedeutet das eigentlich? Und was genau ist gemeint, wenn von Fahnenflucht gesprochen wird? Klöckner kennt sich aus im Militärischen und in der Machtanalyse sowieso. Er hat früher als die meisten anderen über die Bilderberg-Treffen geschrieben und kann so auch eine Vokabel wie Kriegstreiber fruchtbar machen für einen differenzierten Blick auf das Polittheater.

Größte Stärke dieses schmalen Buchs ist aber die Folie, vor der Marcus Klöckner die Gegenwart zeichnet: „Im Westen nichts Neues“. Immer wieder Zitate aus dem Buch, dazu die Verwunderung über die Aufnahme eines Films, gemacht von einem Deutschen, der damit immerhin den Oscar gewonnen hat und in seiner Heimat offenkundig doch nicht zum Nationalhelden wurde – ganz anders als Florian Henckel von Donnersmarck einst mit seinem Stasi-Märchen. Erich Maria Remarque erlaubt Marcus Klöckner, immer wieder zu wechseln zwischen Wucht und Sachlichkeit. Ob es hilft? Wir werden sehen. Mit „Kriegstüchtig!“ geht das Buchjahr immerhin gut los.

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Bildquellen: Tony Phelps @Pixabay