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Medien-Tresen | 10.01.2025
Was macht eigentlich ... die BRAVO?
Die ikonische Jugendzeitschrift gibt es noch. Sie kämpft auch mit einer Generation, die längst woanders aufgeklärt wird. Ein Blick in die Januarausgabe.
Text: Aron Morhoff
 
 

Sicher kennen Sie die schier unendlichen Zeitschriftenregale großer Bahnhofskioske. Kreuzworträtsel, Metal-Musik, Schiffbau, Wohnmobile, HiFi, Gitarren, Hitler. Und stets fragt man sich: Wer zur Hölle kauft das eigentlich? Eine Zeitschrift, die in diesem Wirrwarr stets heraussticht und mich immer freundlich anlacht, ist die Bravo. Der Klassiker. Ich glaube, ich habe mir die Bravo selbst nie gekauft, doch da das meine ältere Schwester immer erledigt hat und ich reinspickeln durfte, kenne ich Stil, Sprech und Layout der Zeitschrift nur zu gut.

Um es gleich vorwegzunehmen: Vieles ist beim Alten geblieben. Das 1954 erschienene Teeniemagazin ist vom Cover bis zu jeder einzelnen Seite mit jungen Gesichtern geschmückt, von denen ich praktisch keines mehr kenne. Ausnahmen: Billie Eilish, Taylor Swift, Ariana Grande. Ansonsten steht die Bravo nach wie vor für Star-Horoskope, Interviews und Riesenposter, Style-Checks, Liebesratgeber (Dr. Sommer) und viele dümmliche Quizze. Das Niveau ist kaum höher als bei den sonstigen Erzeugnissen der Bauer Media Group (TV-Zeitschriften, Alles für die Frau, Rezepte pur). Die international tätige Verlagsgruppe fährt übrigens einen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro im Jahr ein. Damit spielt man den ganz Großen mit. Springer kommt auf vier Milliarden Euro und Burda auf drei.

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Denglisch-Dschungel und Dr. Sommer

Was sich geändert hat, ist die Ansprache: „We like. Snapchat-Lover Cenkgo. ‚Ich benutze immer wieder neue Snapchat-Lenses und die Big Glasses Lens seit drei Jahren regelmäßig, weil (…) ich es lustig finde, sie dann ab und an in meinen Snaps zu tragen‘.“ Die Frage, ob sich die Bravo zu ihrer Teenie-Zeit anders angehört hat, kann ich mir an der Stelle wohl sparen. Stattdessen nur der Hinweis, dass sich die Zeitschrift eigentlich treu geblieben ist und nunmal für heutige 14-jährige Gen-Zler schreibt, inklusive ihrer Begriffe und ihrer Smartphone-Sozialisierung.

Dass das manchmal an die Grenzen der Erträglichkeit geht, beweist die letzte Seite, gewidmet der deutschen Sängerin Nina Chuba (26). Dort erfährt man, wie ihr „nices life“ gelaufen ist und dass sie gerade einem „super cuten Animationsfilm“ ihre Stimme leiht. Mit Rapper Ufo361 „droppte“ sie kürzlich eine „Hammer-Collab“, „anders gut“. Obwohl ich Anglizismen selbst nicht abgeneigt bin und jede boomeresque Verteufelung für ewiggestrig halte, tut so manche Seite diesbezüglich weh.

Vielleicht ist dieser Vorwurf gar nicht den Redakteuren zu machen, die sich übrigens, das muss gesagt werden, durchaus Mühe geben mit ihrer Jugendzeitschrift – denn was Satzbau und Grammatik angeht, sind dort Profis am Werk. So manche Formulierung ist erfrischend und gewitzt, die Ansprache gelungen in ihrer Jugendlichkeit und Fünfe lässt man auch einmal gerade sein.

Hervorragend auch die zahlreichen Seiten rund um Liebesthemen, Sexualität und Körper, bei denen das Team von „Dr. Sommer“ wie gewohnt große Sensibilität an den Tag legt. Es ist gar nicht so einfach, die Fragen „Bin ich zu dick?“, „Sollte ich zum Frauenarzt?“ oder „Ist mein Penis zu klein?“ würdevoll zu beantworten, ohne zu sehr um den heißen Brei herumzureden. Ich gehe davon aus, dass die Bravo den pubertierenden Lesern der rund 50.000 Exemplare, die jeden Monat verkauft werden, noch immer ein guter Rat in ihrer Entwicklungsphase ist (zu Spitzenzeiten lag die Auflage bei zwei Millionen pro Woche).

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Konformismus ja, Agitation nein

Die Titelstory handelt von Taylor Swift, eine Sängerin, so seicht, oberflächlich und belanglos wie die Bravo selbst, nur aktueller und erfolgreicher. Natürlich darf hier die Erzählung über die „Stimme einer Generation“ und die „Queen der Rekorde“ nicht fehlen. Allerdings bleibt die pseudofeministische Agenda aus, was auffällt und angesichts des üblichen Taylor-Swift-Bilds einer „starken Frau“ auf eine bewusste Entscheidung schließen lässt, keinen zu großen Keil zwischen Jungs und Mädchen zu schlagen. Auch hier kann man der Redaktion nur gratulieren, nicht jede Agenda mitzufahren. Unvermeidlich scheint aber LGBTQ. Der 22-jährige Sänger Siovo (wie, den kennen Sie nicht?) wird als Teil der „queeren Community“ vorgestellt. Seine Pressefotos sehen aus wie aus einem schwulen Erotikmagazin. Er wird gefragt, wann er sich das erste Mal geoutet hat und wie das für ihn war. So weit, so gut.

Dr. Sommer ist in diesem Zusammenhang natürlich ebenfalls interessant, auch hier hat der Zeitgeist sein Unwesen getrieben. „Wie geht schwuler Sex?“ fragt der 14-jährige Jimin. Und Marie (13) erzählt, sie träume ständig lustvoll von ihrer Freundin. Die Bravo erklärt ihr, dass sie wahrscheinlich bi oder lesbisch sei. Zu guter Letzt gibt es in der Rubrik der 30 Serienempfehlungen dieses Mal ein Romantik-Special, in der auch eine LGBTQ-Serie nicht fehlen darf, was ich allerdings nicht verwerflich finde.

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Altern in Würde

Insgesamt bleibt vor allem hängen, dass die Bravo noch lebt. Das ist in Zeiten von Insta, Snapchat und TikTok eigentlich ein Wunder. Gegen das Smartphone hat die aus der Zeit gefallene Aufmachung keine Chance. So ist die Kultzeitschrift deutlich abgespeckt und erscheint seltener. Wer sie in den Händen hält, bekommt eine Dosis angenehmer Nostalgie. Gegen Anglizismen und eine Portion Gendergesülze konnte sich die Zeitschrift nicht ganz verschließen, wobei sich die Redaktion hier augenscheinlich noch mäßigt.

Fazit: Das Ziel, interessante Persönlichkeiten zu formen und mit Tiefgang zu glänzen, hat sich die Bravo auch 2025 nicht. Für den Zweck, den sie erfüllen will, nämlich seichte Teenie-Lektüre mit Aufklärungsthemen, macht sie aber ihren Job noch recht konzentriert und solide, betrachtet man die gnadenlose Social-Media-Konkurrenz, gegen die die Zeitschrift sich behaupten muss.

Die nächste Bravo erscheint übrigens am 28. Januar.

Aron Morhoff studierte Medienethik und ist Absolvent der Freien Akademie für Medien & Journalismus. Frühere Stationen: RT Deutsch und Nuoviso. Heute: Stichpunkt Magazin, Manova, Milosz Matuschek und seine Liveshow "Addictive Programming".

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Bildquellen: Zeitschriftenfotos: Aron Morhoff