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Oben & Unten | 17.12.2025
Volle Bäuche, leere Seelen
Die Konsumgesellschaft ist Symptom einer chronischen Entfremdung – zu beobachten gerade jetzt im Advent und zum Weihnachtsfest.
Text: Felix Feistel
 
 

Weihnachten ist ja bekanntlich das Fest der Liebe. Mal ganz davon abgesehen, dass die Scheidungs- und Trennungsraten hier am höchsten sind, ist diese Annahme auch aus einem anderen Grund fragwürdig. Wenn die Familie sich nicht gerade versammelt, um sich tagelang zu streiten, dann drückt sie ihre vermeintliche Liebe auf höchst eigentümliche Weise aus. Denn das primäre Symbol und der hauptsächliche Inhalt von Weihnachten hat längst nichts mehr mit der frohen Botschaft zu tun, dass der Sohn Gottes zu unser aller Erlösung geboren worden sei. Natürlich, diese Geschichte ist ein schmückendes Beiwerk, eine Rahmenhandlung für den eigentlichen Sinn und Zweck des Festes, das ohnehin kaum mehr ist als die Umetikettierung unseres europäischen, kulturellen Erbes durch eine räuberische Institution. Doch selbst die unseren Vorfahren vor Jahrtausenden übergestülpten Inhalte verblassen vor dem Hintergrund der Degeneration heutiger Zeit, die diesem Fest nur einen einzigen Zweck zuschreibt. Und das ist nichts anderes als der überbordende Konsum.

Das beginnt schon in der Vorweihnachtszeit, in der alljährlich die Weihnachtsmärkte als konsumistische Hotspots installiert werden und die Menschen zu billigem Glühwein und fettigem Essen verlocken. Allabendlich versammelt sich die konsumwütige Menge dann, um sinnentleert in der Kälte zu frieren und sich an den heißen Tassen festklammernd ihre Gesundheit zu ruinieren. Einen tieferen Sinn in Form eines bedeutungsschwangeren Rituals gibt es hierbei nicht. Von außen betrachtet ist dieses Verhalten denkbar absurd.

Doch der Konsum beschränkt sich nicht auf Holzbuden mit Beleuchtung von fragwürdigem Kitsch. In der Vorweihnachtszeit ergreift eine Art Wahn nicht nur die Passanten, sondern auch die Ladenbesitzer. Alles muss dann zwanghaft nach dem Weihnachtsmotto geschmückt, die Menschen mit verlockenden Angeboten in die Läden verführt werden. Jede Marke, jeder Hersteller bringt für seine Waren Weihnachtseditionen heraus, denn jeder will an dem verheißungsvollen Geschäft partizipieren. Auf die Spitze getrieben wird das Ganze durch einen absurden Hype um Adventskalender, an dem mittlerweile ebenfalls jede Marke, jeder Hersteller und jeder Influencer teilnimmt, der etwas auf sich hält. In dieser kurzen Zeit fordert wirklich alles die Menschen zum grenzenlosen Konsum auf – und die Menschen folgen dieser Forderung bereitwillig. Denn Weihnachtsgeschenke wollen gekauft sein, welche die beschworene Liebe ersetzen in dieser materialistischen Welt, die jedes höheren Daseinszweckes beraubt ist.

Da der Mensch zu einem Homo Consumensis retardiert ist, kann dieser seine kurzfristige Erfüllung nur im ausufernden Konsum finden. Hinter den Augen, die über ausgepackte Geschenke glitzern, befinden sich dabei in der Regel seelenlose Geister, in denen die Unzufriedenheit bereits in dem Augenblick wieder einsetzt, da der letzte Fetzen Geschenkpapier auf dem Boden zur Ruhe kommt. Der Konsum, dem diese Gesellschaft wie einem Wahn verfallen ist, bringt die ganze Verzweiflung der Menschheit auf den Punkt, die jeden spirituellen Bezug selbst zum Weihnachtsfest längst verloren hat. Nicht geistige und emotionale Werte stehen im Vordergrund, sondern die Ansammlung materialistischer Werte.

Der Konsum ist zugleich das perfekte Herrschaftsinstrument. Er schaltet die Massen in einem Verlangen nach den immer gleichen Waren gleich und versetzt sie in Abhängigkeit von einer Maschinerie, die auf diese Weise aufrechterhalten werden muss. Jede Störung des ungebremsten Konsums wird als Einschnitt in die persönliche Freiheit wahrgenommen, und so setzen die Massen alles daran, diese Maschinerie am Laufen zu halten. Und wenn das erfordert, sich eine giftige Spritze geben zu lassen oder absurde Hygienemaßnahmen einzuhalten, dann werden auch solcherlei Anordnungen unwidersprochen befolgt – man erinnere sich an die Weihnachtsmärkte zur Zeit des Coronafaschismus, als die konsumwütigen Besucher wie Zootiere hinter Absperrgittern zusammengepfercht ihren Glühwein durch die FFP-2-Maske kippten.

Bildbeschreibung Bild: Christkindlmarkt in Baden-Baden, 26. November 2021. Foto: Gerd Eichmann, CC BY-SA 4.0

Die Erfüllung der Wünsche der Obrigkeit wird zu einer notwendigen Bedingung für die Aufrechterhaltung des Konsums und der Konsum dabei zum einzigen Gradmesser für den vermeintlichen Wohlstand einer Nation. So sind auch alle Maßnahmen recht, diesen Konsum anzutreiben. Gleichzeitig steht den Menschen die Entfremdung immer mehr ins Gesicht geschrieben. Trotz Konsums werden sie immer unglücklicher, denn hinter der Fassade der bunten Glitzerwelt westlichen Marketings lauert der Abgrund der Sinnlosigkeit.

Was wohl geschieht, wenn dieser angesichts einer sich ausweitenden, allumfassenden Krise nicht mehr durch den Massenkonsum überbrückt werden kann?

Felix Feistel veröffentlicht seit 2017 Texte über das aktuelle Zeitgeschehen bei Manova, Apolut, tkp & Multipolar. Mehr auch auf seinem Telegram-Kanal.

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Bildquellen: Weihnachtsmarkt in Wien 2007. Foto: Marek Slusarczyk, CC BY 3.0