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Buch-Tresen | 24.10.2024
Theater mit System
Bernd Zeller hat „vier satirische Einakter“ geschrieben, die auf jede große Bühne gehören und dort die besten Schauspieler verdienen.
Text: Michael Meyen
 
 

Stimmt nicht, dürfte der Autor sagen. Bernd Zeller hat schon vor mehr als zehn Jahren abgewinkt. Dieser Stoff, schrieb er nach Einakter Nummer zwei, sei „nicht für subventionierte Theater“ geeignet, „da alle Darsteller angezogen sind“. Nun denn. So ganz stimmt auch das nicht, aber der doppelte und dreifache Boden ist immer eingebaut, wenn man sich auf diesen Künstler einlässt. Zur Einführung lasse ich ihn das Setting am besten selbst beschreiben:

Hauptfigur Mark-Kevin, jüngster Professor aller Zeiten für Medienanalyse und Migrationspädagogik, lehrt zudem Gender-Studies, um Frauen kennenzulernen, und muss, weil Professoren verfassungswidrig niedrig bezahlt werden, seine Wohnung mit einem Soziologen und einem Germanisten teilen, nebenan wohnt eine Psychologin. Er merkt es sofort, wenn jemand anderes vor ihm die Süddeutsche Zeitung gelesen hat, auch wenn sie exakt wieder zusammengefaltet wurde. Sein Traum und Ziel ist, Berater des nächsten SPD-Vorsitzenden zu werden. Einmal pro Woche zelebriert die WG das Ritual des gemeinsamen Feierns der neuen Kolumne von Jakob Augstein. Nun muss auch noch das kleinste Zimmer untervermietet werden, aus soziologischen Gründen bekommt es die Frau mit Kopftuch.

Diese Zana ist, so viel kann ich hier verraten, eine Polin und der Stachel im Wolkenkuckucksheim der Männergemeinschaft. Jemand, der so spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist und sich nicht schert um politische Korrektheit und all die anderen Hindernisse für Fühlen, Denken, Wollen, die die gerade herrschende Rechtfertigungslehre aufgetürmt hat. „Systemtheorien“ steht auf dem Buchdeckel. Der Name Luhmann fällt, das schon, aber der Titel lässt sich auch anders lesen. Bernd Zeller liefert mehr als eine Idee, warum es derzeit so läuft, wie es läuft.

Punkt eins: die Akademikerschwemme. Wo sollen all die Mark-Kevins unterkommen, wenn die Hochschulquote über 50 Prozent steigt? Liegt es da nicht nahe, sich auch für 100 Euro Zuschuss aus irgendeinem Steuertopf erst zu strecken und den Erfolg selbst dann zu feiern, wenn man weiß, dass all das Antifa-Geschwurbel gegen „rechts“ nur heiße Luft ist?

Punkt zwei: die Knappheit auf dem Aufmerksamkeitsmarkt. Das Internet. Anerkennung ist, das wissen Zellers WG-Männer, nur zu bekommen, wenn man die Ideologieschraube ein wenig weiterdreht und verrückter ist als die vielen anderen da draußen. Punkt drei habe ich zwar schon anklingen lassen, will das aber trotzdem wiederholen. Die Sprachregeln vermiesen das Leben und verstellen sowohl den Blick auf die Wirklichkeit als auch den auf die eigenen Bedürfnisse. Sex? Schwierig, schwierig. Und das mit dem Putzen sowieso.

Bernd Zeller zieht seine Figuren im Wortsinn aus und lässt sie nackt vor uns stehen in ihrer ganzen Erbärmlichkeit. Ich habe ihn schon für seine alternativlose Autobiografie von Angela Merkel gefeiert und empfehle hier nach dem Zeichner auch den Stückeschreiber. Er könne sich das Buch gar nicht richtig vorstellen, schrieb mir ein Kollege nach der ersten Rezension und ergänzte, dass er auch die Witze nicht wirklich verstehe. Da die vier Einakter ein Dauerspaß sind, will ich eine Nagelprobe liefern, nach der jeder entscheiden kann, ob ihm dieser Humor liegt. Das Buchhaus Loschwitz rundet die 120 Seiten mit einer Werkliste Zellers ab sowie mit einer Biografie. Die Einträge eins bis drei:

1966: erstmals urkundlich erwähnt; 1985: verlässt Schule ohne Berufsperspektive; 1990: bricht Medizinstudium ab.

So geht es weiter mit Kündigungen, Absagen, Absetzungen – von der Zeitschrift Titanic über die Süddeutsche Zeitung bis zur Harald-Schmidt-Show. Wenn man so will: das Fundament für „Systemtheorien“.

Bernd Zeller: Systemtheorien. Vier satirische Einakter. Dresden: Buchhaus Loschwitz 2024, 120 Seiten, 17 Euro

Bildbeschreibung

Bildquellen: congerdesign @Pixabay