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Bericht | 16.12.2024
Revolutionäres aus Prag
Auf1 ruft zu einem „Alternativ-WEF“ – und gut drei Dutzend Köpfe sprechen vor Kameras und handverlesenem Publikum über „eine freie Welt von morgen“.
Text: Michael Meyen
 
 

Es fängt gerade erst an und ist fast schon wieder vorbei. Nein, sagt Vaclav Klaus. Wunschdenken ist der Fluch unserer Zeit. Wir müssen über heute sprechen. Punkt und Ausrufezeichen, wuchtig auch durch die Biografie des Mannes, der da vorn steht. Vaclav Klaus ist inzwischen 83 und spätestens seit 2014 nur noch in den Nachrichten, wenn es darum geht, die Grenzen des Sagbaren zu markieren. Ukraine, Zuwanderung, AfD: Klaus verkörpert die Gegenposition. Sein Deutschlandbild hat er Anfang September auf einem „Bürgergipfel“ in Stuttgart noch einmal in dunklen Farben bekräftigt. Hunderte Polizisten, die einen Kongress schützen? Das habe er zuletzt in „der kommunistischen Ära“ erlebt.

Vaclav Klaus weiß natürlich, warum Stefan Magnet und Auf1 mit ihrem „Alternativ-WEF“ nach Prag gegangen sind. Er sagt, dass die Debatte in Tschechien noch etwas freier sei und bemüht auch hier die Vergangenheit. „Sie hat in dieser Hinsicht unsere Augen geöffnet.“ Mit dem Tagungsmotto kann er trotzdem nichts anfangen. „Die Aufgabe der heutigen Zeit ist es, die Überreste (oder vielleicht nur die Ruinen) der gestrigen Welt zu retten. Mehr zu erreichen, gehört für mich schon zur Wunschwelt.“

Trotzdem. Vaclav Klaus in Prag: Besser kann dieses „Alternativ-WEF“ nicht anfangen, zumal der Redner 2008 im gleichen Saal den Ehrenvorsitz der Partei aufgegeben hat, für die er Ministerpräsident war, Parlamentsvorsitzender und dann auch Präsident. Klaus nutzt seine 15 Minuten, um eine Formel zu prägen („Demokratie ohne Adjektive“) und die Machtinterpretation der Wirklichkeit in wenigen Sätzen auseinanderzunehmen. Die „dominante Ideologie (in ihren verschiedenen Verkleidungen) spricht ganz absichtlich nicht über die Freiheit.“ Multikulturalismus. Ökologismus. Genderismus. Globalismus. Gegen Grenzen und damit gegen Freiheit. Gegen die Autonomie der Wirtschaft. Gegen die „biologische Substanz des Menschen“ und gegen die Familie. Gegen Volk und Demos und so auch gegen die Demokratie.

Aller Anfang ist klein – und ein wenig auch geheim

Dass sein wichtigster Redner den Slogan „freie Welt von morgen“ mal eben in die Tonne getreten hat, stört Stefan Magnet offensichtlich nicht. Zumindest lässt er sich nichts anmerken. Die Idee zu diesem Treffen sei von ihr, sagt Elsa Mittmannsgruber auf der Bühne. Ihr sei irgendwann aufgegangen, dass auch Klaus Schwab und seine Leute ganz klein angefangen haben. Den großen Rest dieser Alternative habe dann das Magnet-Team erledigt. 150.000 Euro, so heißt es immer wieder im Foyer, habe das Ganze gekostet. Extra-Sponsoring, gepusht von der Aussicht, über Vernetzung für Synergie, Erkenntnis, Mehrwert zu sorgen. Also ein 1-A-Hotel buchen und gut 100 Leute zusammenholen, von denen einige schon ein Planspiel hinter sich haben, als Vaclav Klaus zu allen spricht. In meiner Tagungsmappe liegt dazu eine Skizze: Lockdown in Hamburg plus Medien, die von Biowaffen aus Russland oder China sprechen. Was sich Kayvan Soufi-Siavash, Alexander Christ und gut 20 andere überlegt haben, um Weihnachten 2025 ohne Krieg und Great Reset zu feiern, werden wir bei Auf1 sehen können.

Das heißt auch: Dieses „Alternativ-WEF“ ist eine Fernsehshow, die im Stillen vorbereitet wurde. Ich wusste nur, wer mit mir auf der Bühne sitzen würde, wenn es um „Medien von morgen“ geht (Titelbild, ganz links: Moderator Robert Stein): Elias Sasek (kla.tv), Frank Höfer von Nuoviso, Michelle Gollan und Magnet selbst. Ich durfte eine Begleitung benennen und zwei Ehrengäste, die das simulieren, was für das nächste Jahr geplant ist: eine Show mit Publikum. 2024 wird in jeder Mail um Vertraulichkeit gebeten. Der lange Arm der Cancel Culture: Er könnte auch bis nach Prag reichen. Die Sperrfrist für jede Berichterstattung endet deshalb erst heute.

Idealismus und der Glaube an uns selbst

„Alternativ-WEF“: Stefan Magnet weiß um die Fallstricke, die ein solcher Name zwangsläufig mit sich bringt. Wir tagen nicht geheim, sagt er. Anders als in Davos werde jeder alles sehen können, was hier besprochen wird. Warum Magnet die Abkürzung mit „Western Ethics Formation“ übersetzt? Er wolle nicht weglaufen, auch wenn am Wort „Westen“ Verwesungsgeruch klebe. Alle, die er gefragt habe, hätten sofort zugesagt – ganz ohne Honorar. Magnet spricht über Idealismus und seinen Glauben an den Menschen – ein Muster, das sich durch den Tag ziehen wird. Auf der Bühne sitzen nur Menschen, die sich, so Magnet, in den letzten vier Jahren bewährt haben im Kampf für Selbstbestimmung, Souveränität, Freiheit.

Kayvan Soufi-Siavash natürlich, der den zweiten Eröffnungsvortrag hält und später noch einmal über globale Konflikte sprechen wird. Um das TV-Vergnügen nicht vorwegzunehmen, mögen hier Stichworte genügen. Europa als US-Testgelände. Wahlen, die erfunden wurden, um den Bürger auszuschalten. Kommunikationsmittel, die uns alles wissen lassen über die letzten 48 Stunden, aber nichts über die 3000 Jahre davor. Kayvan wirbt offensiv für Losverfahren und für das Menschenbild von Viktor Frankl. Was immer auch passiert: Jeder hat die Freiheit zu entscheiden, was und wer er im nächsten Moment sein will.

Damit ist der Ton gesetzt. Sucharit Bhakdi erzählt, wie ein Schulmediziner der ersten Garde zu Suzanne Humphries kam und ihrem Buch über „Die Impf-Illusion“. Neben ihm sitzt Michael Nehls und sagt: Gesundheit ist kein Schicksal. Die Menschen müssten wieder lernen, an sich selbst zu glauben, und aufhören, das Denken an Lehrpläne und Lehrer abzugeben. Später geht es noch einmal um Losverfahren, aber auch um ganz praktische Schritte – um das Dokumentieren von Prozessen zum Beispiel (Michael Ballweg) oder um die Suche nach Sponsoren und damit um den Wunsch, die eigene Arbeit professionalisieren zu können (Hermann Ploppa).

Die Welt von morgen, das wird mit jeder Runde deutlicher, steht und fällt mit der Analyse der Gegenwart. Um das nur mit einem Beispiel zu illustrieren: Werden die Erzählungen, die heute Herrschaft verschleiern und legitimieren, gerade abgeräumt (Martin Müller-Mertens), oder ist die Macht darauf angewiesen, die Simulation aufrecht zu erhalten (Martin Sellner)? Von der Antwort hängt ab, ob man weiter von einer „Demokratie ohne Adjektive“ träumen kann mit so schönen Zutaten wie Zufriedenheit, Freiheit, Frieden (Beate Bahner) oder sich ganz andere Fragen stellen muss. So oder so: Prag wird die Debatte anstoßen. Das Planspiel, das immerhin war zu erfahren, hat Kontaktschuld als Grundübel ausgemacht. Also: anschauen, weitertragen, mitdiskutieren.

Das gilt selbstredend auch für das, was ich in Prag über mein Journalismusideal gesagt habe. In Kurzform: Transparenz und Vielfalt. Damit das nicht in der Luft hängt, habe ich an die DDR erinnert und daran, dass das Neue damals nicht von den Medien ausging, auch nicht von ARD und ZDF, wie manche bis heute behaupten. Jedes Ende nimmt seinen Anfang da, wo sich die eigene Erfahrung partout nicht mehr mit der Ideologie zusammenbringen lässt. Was auch immer Auf1 und Co. senden: Es ist ein Irrglaube, dass es nur Argumente braucht, um Menschen zu bewegen. Dieser Irrglaube wird gestärkt von einer Politik, die uns permanent einreden will, dass jeder Bösewicht über das Internet die Wähler verführen kann. Siehe gerade Rumänien. Information ist ein Herrschaftsinstrument. Wenn man sich (wie ich) wünscht (sorry, Vaclav Klaus, aber das war die Vorgabe der Veranstalter), dass tatsächlich alle mitreden und mitentscheiden könne, wenn es um ihr Leben geht, dann muss ich folglich wissen, von wem die Information kommt und wem sie vielleicht hilft. Wer hat versucht, sie zu unterdrücken, was treibt den Überbringer an und von wem wird er bezahlt? Auf1, das habe ich in Prag gelernt, hat jetzt ein Konto in Ungarn. Die Kündigungen der letzten Zeit. Nur einer von 25 Spendern hat alle Umzüge von Bank zu Bank mitgemacht. Wenn es keinen Großsponsor im Dunkeln geben sollte, braucht also auch die Plattform selbst einen Kick. Dass sie organisieren und zusammenbringen kann, hat jeder gesehen, der in Prag dabei war.

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Bildquellen: Alexander Christ, Michael Meyen, Michael Ballweg und Ralf Ludwig am 12. Dezember in Prag (von links)