Vor einigen Tagen war ich in der Stadt unterwegs. Dabei fiel mir ein Transparent auf, das jemand an seinen Balkon gehängt hatte. Das an sich ist nichts Ungewöhnliches, denn die Stadt ist überzogen von politischen Botschaften in Form von Stickern, Transparenten und Graffiti, die von einem fragwürdigen künstlerischen Verständnis zeugen. Doch auf diesem Transparent prangte eine Botschaft, die nicht wirklich neu ist, aber tief blicken lässt. In großen Lettern stand dort nämlich der Slogan
Abtreibungsrechte sind Frauenrechte.
Das ist eine Einschätzung, wie sie in einer speziellen ideologischen Gruppierung weit verbreitet ist. Für Frauenrechte geht man hier gern auf die Straße und macht generell jede politische Frage zu einer Frage von Rechten für Frauen – wahlweise auch vermeintlicher Transmenschen und anderer psychologischer Verwirrungen. Doch so überzeugt manche von der Botschaft dieses Transparents sind, so falsch ist die Aussage. Denn wenn es so einfach wäre, dann müssten sich um die Frage der Abtreibung nicht so viele emotionale Debatten entfachen. Man würde die Abtreibung einfach generell straffrei stellen, und damit wäre die Angelegenheit erledigt.
Wer sich mal auch nur ein wenig mit Grundrechten befasst hat, die ja die Grundlage unserer vermeintlichen Demokratie darstellen, der weiß, dass das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie die Menschenwürde allen Menschen gleichermaßen zukommen – zumindest in der Theorie. Alle Menschen schließt in diesem Fall auch das ungeborene Leben ein. Denn bei diesem handelt es sich nun einmal bereits um ein Leben. Und da dieses Leben nicht für sich selbst einstehen und seine Rechte geltend machen kann, stehen hier Eltern und Staat stellvertretend. Das heißt aber auch: Niemand kann in die Rechte dieses ungeborenen Lebens mutwillig eingreifen – nicht einmal die werdende Mutter. Denn das elterliche Erziehungsrecht wird durch das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit des heranwachsenden Lebens beschränkt. Daher ist – in einer idealen Welt und der staatlichen Ideologie – der Staat der Wahrer der Grundrechte dieses ungeborenen Lebens und erlaubt die Abtreibung nur in engen Grenzen.
Doch beim Nachdenken über diese Angelegenheit wurde mir ziemlich schnell – wieder einmal – klar, dass es bei dieser Frage gar nicht um Recht, Grundrecht und Schutz des Lebens geht. Menschen, die sich solchermaßen äußern und für ein unbeschränktes Abtreibungsrecht auf die Straße gehen, treten nicht für Frauenrechte ein. Sie fordern die Durchsetzung absoluter Folgenlosigkeit für individuelle Fehler. Mit anderen Worten: Man will sich in seinem eigenen, enthemmten Lebensstil nicht durch so etwas wie mögliche Folgen einschränken lassen. Und die Folge eines ausschweifenden Lebens kann nun einmal die Schwangerschaft sein, die man dann doch bitte schnell beseitigen will. Damit lehnt man die Übernahme von Verantwortung ab und fordert vom Staat, dass er das auch rechtlich ermöglicht.
Mit Frauenrechten hat das alles nichts zu tun. Stattdessen liegt dieser Vorstellung eine menschenfeindliche Ideologie zugrunde, die noch dazu auf enthemmtem Egoismus beruht. Ginge es um Frauen wäre die adäquate Forderung Unterstützung werdender und junger Mütter durch staatliche Institutionen – wenn man schon Forderungen an den Staat stellen will. Dass dies aber gerade nicht die Vorstellung ist, zeigt: Hier fordern mehr oder weniger erwachsene Kinder, von den Folgen ihres eigenen Handelns verschont zu bleiben.
Alle, die hier Einwände haben – etwa Marginalitäten wie das Leben des ungeborenen Kindes –, werden in ebenso kindischer Weise schnell als politische Feinde verschlagwortet und bekämpft – in der Regel unter Begriffen wie „Nazi“ oder „Rechtsextremist“. Die Rechte der Frauen mit dem Recht auf Abtreibung zu vermischen, dient damit auch der Spaltung der Gesellschaft und somit der Stabilisierung der Herrschaft, sodass man vermuten könnte, dass diese Vermischung mit Absicht in diese gewissen ideologischen Kreise eingestreut wurde. Anstatt sich auf wesentliche Punkte zu einigen – etwa die Ablehnung von Macht und Herrschaft, die Zerschlagung des Schuldgeldsystems und die Ermöglichung eines sorgenfreien Lebens für werdende und junge Mütter, um schließlich allen Menschen ein Leben in Würde und Sicherheit zu ermöglichen, werden Partikularinteressen formuliert, die gegen jeden Widerstand durchgeprügelt werden sollen – zur Not auch auf Kosten des eigenen, ungeborenen Nachwuchses.
Damit ist die Forderung nach unbegrenzter Abtreibung zugleich der Ausweis einer infantilisierten Gesellschaft, die Verantwortung ablehnt, für die Verteidigung des eigenen Lebenswandels auch wortwörtlich über Leichen zu gehen bereit ist und sich in ideologischen Schützengräben verschanzt. Die Herrschaft freut’s, denn sie kann die Ideologien aller Seiten beliebig ansprechen und die Menschen gegeneinander aufhetzen.
Felix Feistel veröffentlicht seit 2017 Texte über das aktuelle Zeitgeschehen bei Manova, Apolut, tkp & Multipolar. Mehr auch auf seinem Telegram-Kanal.
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