Star Wars für Erwachsene – so oder so ähnlich lautet ein stimmiger Kommentar unter irgendeinem YouTube-Video. Und das trifft es. Man muss wirklich kein Fan der George-Lucas-Schöpfung sein, um dieser Serie etwas abzugewinnen. Selbst wer nie einen der Originalfilme gesehen hat, kann sich hier zurechtfinden. Wer sie gesehen hat und beim Gedanken an lichtsäbelschwingende Jedi-Ritter und nervtötend lispelnde außerirdische Lebensformen nur mit den Augen rollt, dem sei gesagt: Gebt der Serie Andor eine Chance!
Die Handlung beginnt etwa fünf Jahre vor den Ereignissen von Star Wars – Eine neue Hoffnung, also dem ersten Film aus den Siebzigern. Auf dem düsteren Industriemond Morlana One sucht der Hauptprotagonist Cassian Andor in einem Bordell nach Informationen über seine Schwester. Zwei Raufbolden in Uniform gefällt sein Gesicht nicht, zwei Minuten später sind sie tot. Der erste ungewollt, der zweite, weil er zu viel gesehen hat. Cassian flieht zurück auf seinen Heimatplaneten Ferrix, wo er versucht, seine Spuren zu verwischen, während die Konzernpolizei eine Fahndung nach ihm einleitet. Hieraus entspinnt sich die gesamte Handlung der ersten Staffel. Dabei werden in den zwölf Episoden viele Genres gestreift. Mit dabei: der Ausbruch von einem Gefängnisplaneten. Oder ein Raubzug, um die Gehaltsauszahlung für einen ganzen imperialen Sektor zu stehlen (das Imperium setzt auf Bargeld in Form von Credits in Barrenform). Die Drahtzieher hinter dem Raubzug sind dabei keine gewöhnlichen Diebe – sondern Rebellen. Sie wollen zeigen, dass das unverwundbar wirkende Imperium eben doch angreifbar ist.
Die Rahmenhandlung zeigt eine Galaxis, die unter der zunehmend repressiven Tyrannei des Imperiums immer mehr auf eine offene Rebellion zusteuert. Die Planeten und ihre Bewohner und Kulturen werden eindrucksvoll und mit viel Liebe zum Detail in Szene gesetzt. Die stimmige Atmosphäre saugt einen mitten hinein ins Geschehen, und die hochkarätigen Darsteller lassen kaum Wünsche offen. Sowohl die Rebellen als auch ihre imperialen Gegenspieler werden von glaubwürdigen und komplexen Protagonisten dargestellt. Außerdem mit dabei: die verzweifelt ringende Senatorin Mon Mothma, die versucht, dem Imperium auf politischer Ebene etwas entgegenzusetzen, während sie in einer lieblos arrangierten Ehe feststeckt.
Seit April läuft die zweite und letzte Staffel, die die vier Jahre vor dem Stand-alone-Prequel Rogue One abdeckt. Dieses knüpft dann nahtlos an Eine neue Hoffnung an. Die zwölf Folgen nutzen diesen längeren Zeithorizont, um die Komplexität noch einmal deutlich zu erhöhen. Was muss geschehen, damit aus willfährigen und wohlhabenden Untertanen Rebellen werden? Das Imperiale Sicherheitsbüro ISB, eine Art Staatssicherheit für den Imperator, trägt mit rücksichtslosen und mit allen Mitteln der hybriden Kriegsführung agierenden Methoden seinen Teil dazu bei. Die Gefahr zu spoilern ist zu groß, aber Parallelen zu aktuellen Geschehnissen drängen sich nicht nur auf, sondern springen einen förmlich an. Heckenschützen, Propaganda und nützliche Idioten – die gesamte Klaviatur eines dystopischen Überwachungsapparats wird fabelhaft ausgespielt. Staffel zwei fühlt sich teilweise an wie ein Spionagethriller. Auch Pathos und Inhalt der Schlagabtausche im Senat sind mehr als ein Kopfnicken hin zu unserer eigenen Galaxis.
Während bei den alten Star-Wars-Filmen die meisten Rebellen eher blasse Statisten bleiben, schafft es Andor, ihre inneren Konflikte plastisch darzustellen. So wie der gruselig exzentrische Saw Gerrera, Anführer einer extremistischen Splittergruppe, die selbst vielen Rebellen als zu gefährlich oder kompromisslos gilt. In einer Schlüsselszene teilt er seine Überzeugungen mit einem jungen Rebellen:
Revolution ist nichts für geistig Gesunde. Sieh uns doch an! Ungeliebt, gejagt, Kanonenfutter … Wir werden alle tot sein, bevor die Republik zurückkehrt – und doch sind wir hier.
Der Preis der Freiheit ist hoch. Die persönlichen Opfer sind immens. Kaum ein Rebell, der nicht immer wieder an den Punkt kommt, an dem er alles hinschmeißen möchte. Und doch – irgendwie machen sie weiter.
Wenn ich heute Nacht sterbe: War es das wert? – Das Imperium kann nicht gewinnen. Du wirst dich nie richtig fühlen, es sei denn, du tust, was du kannst, um sie aufzuhalten. Du kehrst zu dir selbst zurück. Du bist mehr geworden als deine Angst. Lass das dich schützen.
Jan Schulz-Weiling hat mehrere Kurse an der Freien Akademie für Medien & Journalismus besucht. Er lebt und arbeitet in Freiburg. Aron Morhoff, der sonst alle zwei Wochen an dieser Stelle schreibt, ist gerade in Osteuropa unterwegs.
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