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Meyen am Tresen | 29.09.2025
Prof. Dr. Qualität
Die Rudolf-Augstein-Stiftung spendierte der Universität Hamburg einst eine Journalismusprofessur und wundert sich nun, was daraus geworden ist.
Text: Michael Meyen
 
 

„Ein bisschen unerklärlich“ steht über dem Bericht des Mediendienstes Kress. Eindrucksvoll sei Franziska Augsteins Rede gewesen, voller Lob für Volker Lilienthal, aber auch mit „kritischen Tönen“. Sagen wir es so: Ohne Konflikt hätte Kress den Text nicht gemacht. Und ich hätte kein Thema gehabt für diese Kolumne.

Ich hatte mehrfach das Glück, Franziska Augstein reden hören zu dürfen. Eindrucksvoll: Dieses Wort trifft es ganz gut. Aus dem, was die Kollegen aus dem Hamburger Vortrag übermittelt haben, spricht jedoch vor allem Ratlosigkeit. Es geht um das, was die Rudolf-Augstein-Stiftung vor gut zwei Jahrzehnten mit der Universität Hamburg vereinbart hat. In Kurzform: Wir wollen, dass ihr euch um die „Praxis des Qualitätsjournalismus“ kümmert, bezahlen deshalb für fünf Jahre einen Professor und lassen das anschließend aus dem Uni-Etat weiterlaufen. Wenn man so will: der klassische Weg, über den Geld und Lobbyismus Forschung und Lehre kapern. Ich habe das in den 1990ern im Kleinen erlebt, als der Börsenverein des deutschen Buchhandels in Leipzig eine Professur für Buchwissenschaft und Buchwirtschaft haben wollte und dort Dietrich Kerlen installierte, vorher in der Chefetage von Bertelsmann. Im Großen kann das gerade jeder in Heilbronn studieren, wo die Schwarz-Stiftung gleich Dutzende Lehrstühle und einen ganzen Campus hinklotzt. Dieter Schwarz: Das ist Kaufland und Lidl. Das sind knapp 50 Milliarden Euro. Eine andere Liga als die Augsteins.

Und damit zurück nach Hamburg, wo sich die Tochter des Spiegel-Gründers fragte, was aus der „Stange Geld“ geworden ist, die seinerzeit aus dem Familienvermögen an die Universität gegangen ist:

Wenn Volker Lilienthal zu lehren aufhört, wird mit ihm auch der Akzent auf der Vermittlung journalistischer Praxis wegfallen. Es wird, mit einem Wort, von dem, was 2006 mit der Rudolf-Augstein-Stiftung ausgemacht war, nichts übrigbleiben.

Volker Lilienthal ist die Hamburger Entsprechung zu meinem Leipziger Beispiel Dietrich Kerlen. Ein Journalist, Jahrgang 1959, der sich beim Evangelischen Pressedienst hochgearbeitet hat, qua Position in vielen Jurys saß (die Kirchen mischen überall mit, wo es irgendwie um Medien geht) und im Herbst seiner Karriere auf die Professur berufen wurde, die die Augsteins in Hamburg gestiftet hatten. Ich kann mich noch gut an die Debatten erinnern. Die Kommunikationswissenschaft war damals noch kleiner als heute und schon immer eine Neidgemeinschaft. Diese Hamburger. Lassen sich einen Praktiker unterjubeln, promoviert in der Germanistik und bisher nicht aufgefallen als Sozialwissenschaftler.

Das Rumoren wurde noch lauter, als das Finanzierungsmodell der Universität öffentlich wurde. Wieder in Kurzform: Wenn das Geld von der Stiftung ausläuft, topfen wir um und lassen das einfach über die Stelle von Siegfried Weischenberg weiterlaufen. Für wen das jetzt zu viel Uni-Klein-Klein ist: Wenn jemand wie Weischenberg in den Ruhestand geht, einer der wenigen Medienforscher, die auch jenseits des Elfenbeinturms einen Namen haben, dann scharrt die nächste Generation lange vorher mit den Hufen. Nachfolger werden und so ein wenig vom Ruhm übernehmen. Bei Siegfried Weischenberg lief das wie im Märchen. Auch der schnellste Hase hätte keine Chance gehabt, weil der Igel schon da war – Volker Lilienthal, Professor von Gnaden der Augsteins. Die Universität hat aus zwei Professuren eine gemacht, sich so ein Berufungsverfahren gespart und nun mit der Pensionierung Lilienthals neben dem Arbeitsfeld Qualitätsjournalismus auch den Kontakt zur Praxis beerdigt.

An sich wäre das alles nicht der Rede wert, wenn es nicht wie in einem Brennglas zeigen würde, wie sich die universitäre Medienforschung in den letzten 20 Jahren verändert hat. Eine Stiftungsprofessur: In den 1990ern und frühen 2000ern war das eine Art Hauptgewinn – für beide Seiten. Die Spender sorgten dafür, dass ihr Gebiet akademische Weihen bekam und so salonfähig wurde über den reinen Profit hinaus. Und Kollegen wie die in Leipzig oder in Hamburg konnten Pluspunkte sammeln bei ihrer Hochschulleitung. Seht her: Wir sind wichtig und müssen wachsen. Heute funktioniert das ganz anders – weil die Universitäten geflutet werden mit politischem Geld. Man muss sich dazu nur bei den Hamburger Medienforschern umschauen. Auch hier regieren längst die Verbundforschung und damit die ideologischen Großthemen. Klima, Nachhaltigkeit, Demokratie – zu bearbeiten von jungen Leuten, befristet beschäftigt und so viel leichter steuerbar als jeder Stiftungsprofessor.

Franziska Augstein hat das jetzt in Hamburg mit Humor genommen. Sie attestierte der Universität einen „ausgeprägten Sinn für hanseatische Unabhängigkeit“ und hakte das Kapitel so offenkundig ab. Zitat bei Kress: „Man habe dazugelernt über den Umgang mit einer großen, wichtigen Institution.“ Wenn die Stiftung künftig bestimmen will, was an den Universitäten passiert, sollte sie einfach ein paar Forschungsprojekte ausschreiben.

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Bildquellen: Audimax der Uni Hamburg. Foto: Pauli-Pirat, CC BY-SA 4.0