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Welt-Tresen: MV | 28.01.2025
Mit Sicherheit ein Problem
Clans, Messerangriffe, Kriminalität: Auch im Norden wird es zunehmend unsicherer. Wir besuchen eine Kampfschule.
Text: Mirko Jähnert
 
 

Die innere Sicherheit gehört zu den wichtigsten Themen im Wahlkampf. Man könnte meinen, im beschaulichen Mecklenburg-Vorpommern spielt das keine Rolle, wenn es hier selbst Clan-Chef Remmo anscheinend zu ruhig ist. Doch weit gefehlt. In den letzten Jahren stieg die Kriminalität hierzulande weiter an. Der 2024 veröffentlichten polizeilichen Kriminalstatistik kann man entnehmen, dass die Täter immer jünger werden und der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger überproportional ansteigt. Das wird seitens der etablierten Parteien gern verharmlost, weil es der politischen Gegenseite in die Karten spielt. Die Zahlen sind aber eindeutig. Dem Anteil von 7 Prozent an der Gesamtbevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern stehen 23,9 Prozent nichtdeutsche Tatverdächtige laut Kriminalstatistik gegenüber (siehe Auszug).

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Das ist im gesamtdeutschen Vergleich zwar eher wenig, sorgt bei der Bevölkerung aber für ein gestiegenes Bedrohungsgefühl.

Ein Hotspot ist dabei immer wieder Rostock. Berichte über Messerstechereien „arabisch aussehender Täter“ sind hier keine Seltenheit mehr. Dass wegsehen keine Lösung ist, machte Anfang Januar Manuel Ostermann von der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG in einem Brandbrief im Nordkurier deutlich:

Es kann doch nicht wahr sein, dass wir uns in Deutschland aus Angst einschränken, weil hier im Verhältnis ein paar wenige Migranten die Mehrheit durch Angst zum Rückzug aus dem öffentlichen Raum zwingt. Ich kann diese Entwicklung leider verstehen, aber in keinem Fall akzeptieren.

Wo Politik versagt und Probleme kleinredet, reagieren die Menschen trotzdem. In Mecklenburg führte das – wie im gesamten Osten – zum Erstarken der AfD. Wer dann die Menschen noch als rechtsextrem beschimpft und die Nazi-Keule schwingt, erreicht das Gegenteil. Dabei ist das Problem nicht neu. In den neuen Bundesländern verspüren 70 Prozent der Menschen einen schlechteren Schutz vor Kriminalität und Verbrechen als in der früheren DDR, wie eine Umfrage 2019 ergab. Nur die Sorge um den Arbeitsplatz wird noch größer bewertet. Genug Zeit zu handeln war also da.

Die schlechtere Sicherheitslage führt auch dazu, dass sich wieder mehr Menschen der Selbstverteidigung widmen und sich beispielsweise bei Kampfsportschulen anmelden. Christian Nietzold (auf dem Foto beim Training) ist Geschäftsführer des Wing Revolution Center Bad Doberan in der Nähe von Rostock und gibt Kurse in Kampfsport und Selbstverteidigung. Seit 1991 ist er dem Kampfsport verbunden, 2003 erfüllte er sich den Traum einer eigenen Kampfsportschule. Dort vermittelt er in seinen Kursen hauptsächlich die Fähigkeiten zur Selbstverteidigung und Selbstbehauptung. Selbstverteidigung ist auch der Hauptgrund, warum sich die Menschen bei ihm anmelden. Frauen kommen oft in seine Schule, nachdem sie bereits Erfahrungen mit Gewalt gemacht haben.

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Hat die Zunahme von Kriminalität und Straftaten in Mecklenburg für seine Schule Auswirkungen? „Eigentlich ist Selbstverteidigung ja ein klassisches Thema. Die Schwerpunkte haben sich aber verschoben“, sagt Christian Nietzold. „Ich gehe heute mehr auf die Abwehr von Angriffen mit Waffen ein, da sich die Bedrohungslage dahingehend verändert hat. Für Frauen war Selbstverteidigung früher kaum interessant. Nach den Ereignissen 2015 in Köln hat sich das geändert. Mittlerweile liegt der Anteil der Frauen in den Kursen bei etwa 40 Prozent.“

Die Entwicklung der Sicherheitslage in Mecklenburg sieht er kritisch. „Solche Fälle wie im November in Rostock passieren regelmäßig, werden nur nicht öffentlich publiziert. Die Fallzahlen sind deutlich höher“, sagt Nietzold. Schüler seiner Schule berichten immer wieder über Straftaten, die nicht in der Zeitung erwähnt werden. In einer Umfrage unter seinen Kursteilnehmern sagen alle, dass der staatliche Schutz vor Gewalt und Kriminalität schlechter geworden sind. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Soziale Medien, Zuwanderung und sozioökonomische Ungleichheit werden am häufigsten genannt.

Ich möchte von Christian Nietzold wissen, worin er die Gründe dafür sieht, dass Gewalttaten immer mehr von jüngeren und zugewanderten Tätern ausgehen. Er sieht vor allem die kulturellen Unterschiede als Auslöser, was zu Ausgrenzung und letztendlich zu Frust führt. Eine Integration sei so nicht möglich. Kulturell bedingt ist auch der Umgang mit Gewalt und Waffen anders als hierzulande, weshalb die Hemmschwelle für diese Delikte niedriger ist.

Kritik an der Migrationspolitik wurde lange als rechtsextrem abgewiesen. Auch wer Kampfsport trainiert, wird von den Medien gerne mal in diese Schublade geschoben. Wie begegnet Nietzold solchen Argumenten? Die ehrliche Antwort: „Ja, Kampfsportschulen werden auch genutzt, um ‚aufzurüsten‘. Das passiert aber auf allen Seiten. Ich kenne Schulen mit unterschiedlichster Klientel, das ganze Spektrum.“ Die Teilnehmer an seinen Kursen kommen aus rund zehn Nationen. Christian Nietzold ist der Meinung, dass Kampfsportschulen politisch neutral sein sollten. So kommen bei ihm zum Beispiel Menschen zusammen, die sonst eventuell Gegner wären. „Das hilft, Vorurteile abzubauen“, ist er sich sicher. Zu ihm kann jeder kommen, unabhängig von der politischen Einstellung. „Das Konzept der Ausgrenzung funktioniert nicht und führt nur zu Aggressivität. Entscheidend ist, dass alle die Regeln einhalten, innerhalb und außerhalb der Schule“, sagt er klar und deutlich. „Wer dagegen verstößt, muss die Schule verlassen.“

Die Politik tut gut daran, dass Thema innere Sicherheit ernst zu nehmen und eigene Fehler aus der Vergangenheit zu korrigieren. In der Bevölkerung ist das schon lange angekommen. Dort haben die Verantwortlichen das Vertrauen verspielt. Deshalb suchen die Menschen nach politischen Alternativen – und Selbsthilfe.

Mirko Jähnert hat mehrere Kurse an der Freien Akademie für Medien & Journalismus besucht. Er lebt und arbeitet in Mecklenburg-Vorpommern.

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