Die Akustik, natürlich. Es muss großartig sein, auf dieser riesigen Bühne zu stehen und zu merken, wenn jemand ganz oben unter dem Dach unruhig wird. Man hört jeden Mucks. Das Klatschen sowieso. Daniele Ganser sagt hinterher, dass er ein paar Zugaben eingebaut und deshalb 30 Minuten überzogen hat. Der Auftrag an sein Team: unbedingt wieder im nächsten Jahr.
Ganz leicht wird das nicht, wobei: Ausverkauft ist die Konzerthalle nicht jeden Tag, wenn man den Bambergern glaubt. 1400 Menschen, die vorher und in der Pause in langen Reihen am Ausschank stehen. Daniele Ganser lohnt sich auch für Hallenbetreiber. Ob das die „Wohlmeindenden“ überzeugt? Der Fränkische Tag, Leitmedium vor Ort, hatte Ende Juli einen „Star der Verschwörungs-Szene“ angekündigt: „Stadt Bamberg fällt auf umstrittenen Historiker herein“. Der Rest steht hinter einer Bezahlschranke, aber das macht in diesem Fall nichts, weil die Stadt ein eigenes Portal betreibt und dort die Debatte dokumentiert. Der Oberbürgermeister? Distanziert sich. „Sie sind hier nicht willkommen“, Herr Ganser. In Bamberg sei „kein Platz für Verschwörungstheorien, Fake News und antidemokratisches Verhalten“. Belege, dass diese Schlagworte irgendetwas mit Daniele Ganser zu tun haben? Fehlanzeige. Stattdessen Publikumsbeschimpfung. Die Leute seien halt auf der Suche nach „klaren Schuldzuweisungen“.
Man könnte das Lokalblatt in die Tonne treten und den Oberindianer im Rathaus ignorieren, aber so einfach ist es nicht. Lange vor Öffnung der Konzerthalle stehen 30 oder 40 Demonstranten im Bamberger Nebel. An einem Freitagabend, am Ende eines Feiertages, an dem die Innenstadt brechend voll ist und eher in Urlaubs- oder Partylaune. Ein paar hundert Meter weiter beginnt der Ernst des Lebens. Omas gegen rechts. Antifa. Musik. Eine Bambergerin erzählt uns, dass der Redner der Studentengruppe gar nicht aus der Stadt sei, sondern aus Erlangen geholt wurde. Er meckert ein wenig über den Fränkischen Tag, der wohl zu sanft gewesen ist, wenn ich das richtig verstanden habe. Vor allem aber ledert er gegen die Menschen, die zu Daniele Ganser wollen. Eine ganz neue Szene, die da in Bamberg gewachsen sei. Verschwörungsideologisch, rechtsextrem. Mit der Wirklichkeit hat das nichts zu tun. Das Publikum ist das, was man früher bürgerlich genannt hat. Ich spreche mit einem Professor, mit einer Kulturwissenschaftlerin, mit einer Ärztin, mit einer Künstlerin, mit einem Ingenieur, mit einer Lehrerin. Sogar mit einem freien Journalisten, leicht zu erkennen an Pullover, Brille, Ledertasche. Der Antifa-Mann spricht mit niemandem. Er schaut nicht einmal hin, sondern redet zu seinen Leuten, mit dem Rücken zur Halle, aber mit den Leitmedien auf seiner Seite.
Daniele Ganser nimmt das mit Humor. Ein Vorprogramm mit Band, das ist doch was. Auf dem Programm steht „Weltfrieden“, gesprochen aber wird über die Kriege der USA, die ich hier gar nicht alle aufzählen kann, ohne das Tresen-Format zu sprengen. Gansers Liste endet mit Nordstream. Die Bamberger Stadtpropaganda hatte ihm vorher Einseitigkeit unterstellt und eine Frau aus dem Beauftragtenheer sagen lassen, Ganser würde „komplexe Sachverhalte zu stark“ vereinfachen „und durch Suggestivfragen Zweifel“ säen. Ich weiß nicht, was diese Dame von Daniele Ganser gesehen oder gelesen hat. Punkt eins: Die Zweifel sind längst da. Imperium, Nato-Mitgliedschaft, US-Bindung: Das Bamberger Publikum muss da nicht groß agitiert werden. Es ist einfach dankbar, dass jemand das Offensichtliche im Wohnzimmer der Stadt ausspricht. Daniele Ganser liefert, Punkt zwei, politische Bildung im besten Sinn des Wortes, mit einem Augenzwinkern immer da, wo es um Selbstverständlichkeiten geht, die jedes Schulkind wissen sollte, aber im Trommelfeuer der Leitmedien trotzdem in Vergessenheit geraten. Die fünf Vetomächte im UN-Sicherheitsrat, Sie wissen schon.
Am meisten Angst haben die da draußen und in den warmen Redaktionsstuben vermutlich vor Punkt drei. Daniele Ganser nimmt selbst die großen Fragen von Leben und Tod mit Humor. Er schafft es spielend leicht, die 900 Milliarden US-Rüstungsdollar mit der kalten Dusche am Morgen zu verlinken und die Hollywood-Propaganda mit dem James Bond, den jeder Mann in sich fühlt. Das trägt knapp drei Stunden, auch weil Ganser im Wortsinn ein Star zum Anfassen ist. 20 Minuten Pause für die Zuschauer, aber nicht für ihn. Bücher signieren, Selfies machen, Hände drücken. Hinterher nochmal gut eine Stunde und selbst Mitternacht in der Kneipe nebenan noch ein gutes Wort für die letzten Gäste. Ich musste noch einmal zurück zur Halle und habe auf der Straße das Leuchten gesehen, das jedes Grüppchen aus dem Saal nach Hause trug. Kein Vergleich mit den Gesichtern, die vor ein paar Stunden eine Gefahr von rechts herbeireden wollten. Gesund kann das nicht sein.