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Medien-Tresen | 17.01.2025
Inhaltsleere Blickfänger
Im grauen Januar hat die „heiße Phase“ des Wahlkampfs begonnen. Eine Plattitüde, wie sie auch auf vielen Plakaten steht. Ein Rundgang durch die Slogans.
Text: Helge Buttkereit
 
 

Wenn der Kanzler und sein Vize in einem kleinen Dorf an der Laterne hängen, ist nicht Revolution, sondern Wahlkampf. Nach den Weihnachtsdekorationen ploppen sie allüberall wieder auf: In den Städten und Gemeinden sind Scholz, Habeck & Co. zu sehen. Das reichweitenstärkste Medium dieser Tage ist das Wahlplakat. Zeit also für einen kleinen Streifzug an den Laternenmasten entlang zu dem, was uns da wieder vollmundig versprochen wird. Oder auch nicht. „Zuversicht“ prangt es da auf dem Plakat. Aber der Mann darüber verbreitet nichts weniger als das. Robert Habeck schaut ernst drein, vielleicht gedrückt von der Würde des Amtes, das er nicht erreichen wird? Vielleicht im Wissen darüber, dass seine Politik nicht zuversichtlich macht? „Ein Mensch. Ein Wort.“, so der Slogan unter dem Bild. Ein Versprechen, das nicht gebrochen werden kann. Bei den Grünen ist das schon mal was. Trinken wir erst einmal ein Gläschen Wein. Bio, versteht sich.

Unter dem Vize dann der Kanzler. Darf ich euch das „Sie“ anbieten, SPD? Ich will nicht von der Partei geduzt werden, die noch jeden Arbeiter verraten hat. „Mehr für dich. Besser für Deutschland.“ steht da. Immerhin, fast schon ein Satz. Na ja, von einem ganzen Satz kann zwar doch nicht die Rede sein, aber wir wollen mal nicht so sein. Wahlslogans verkürzen immer. „Mehr für dich.“ Wovon mehr? Von chaotischer Regierungspolitik vielleicht? Und dann: „Besser für Deutschland.“ Besser als was? Die bisherige Regierung? Irgendwie scheinen die Strategen im Willy-Brandt-Haus und die PR-Agenturen hinter der Kampagne nicht mitbekommen zu haben, wer da in den vergangenen Jahren im Kanzleramt saß. Auch wenn besagter Mann auf dem Plakat abgebildet ist. Wobei: Vergesslichkeit und Scholz, das soll ja zusammenpassen. Haben wir die geheime Botschaft hinter diesem Plakat entschlüsselt? Darauf einen Rotwein. Da stimmt zumindest die Farbe.

Bildbeschreibung

Dass wir uns am Medien-Tresen die Wahlplakate schön trinken, ist vielleicht auch die bessere Variante als das, was Jens Berger im Dezember auf den Nachdenkseiten beim Betrachten der SPD-Slogans einfiel. Er wollte mehr kotzen, als er fressen kann, als er las: „Wir kämpfen für deine Sicherheit.“ Um meine kann es nicht gehen, denn ich hatte ja das Sie erbeten. Tobias Riegel meint ebenda, dass viele der Plakate einfach mal das Gegenteil behaupten, stehen doch die Grünen für „Hochrüstung, US-Unterwerfung und für eine von vielen Bürgern als eiskalte Schocktherapie empfundene Wirtschafts- und Außenpolitik“. Da falle die bereits erwähnte „Zuversicht“ schwer. Übrigens: Die Grünen werben einige Kilometer hinter der Laterne mit dem Kanzler und seinem Vize ausgerechnet für Frieden. Das setzt dem Gegenteiltag auf dem Wahlplakat die Krone auf.

Florian Rötzer fragt in seinem Text im Overton-Magazin in Richtung von Robert Habeck und den Grünen, was denn bisher so aus Kanzlern wurde, wenn sie ein Mensch bleiben sollen. Rötzer nimmt mehrere Plakate und Slogans auseinander (zum Beispiel die Frage, was wir davon haben, wenn wir mit einem Kanzler Friedrich Merz stolz auf Deutschland sein sollen) und fasst zusammen:

So wird mit angeblich mündigen Bürgern in einer angeblich deliberativen Demokratie umgegangen. Parteien und Werbeagenturen schaffen inhaltsleere Blickfänger, TikTok-Botschaften gewissermaßen, und halten die Wähler für so dumm, darauf anzuspringen. Das dürfte auch der Grund sein, warum so aufgeregt die Angst vor Desinformation geschürt wird.

Womit wir schon gleich einen Vorteil dieser inhaltsleeren Plakate sehen: Wo keine Information, da droht auch keine Desinformation im Sinne von „Keine Waffen in Kriegsgebiete“. Das plakatierten die Grünen noch 2021. Wobei „Beide Stimmen für den Politikwechsel“, so heißt es auf einem CDU-Plakat, dürfte recht nah dran sein an einer Desinformation. Hat doch die Ampel vieles fortgesetzt, was die Union begann. Künftig ist mit einer Koalition aus CDU und SPD oder Grünen auch kaum ein fundamentaler Politikwechsel zu erwarten. Nun denn, den will wohl auch kaum jemand im Establishment. Zeit für das nächste Gläschen. Dieses Mal ein Silvaner aus Franken, auch Söders Heimat (und er selbst) soll in diesem Text nicht fehlen.

Schauen wir noch auf die anderen Slogans. Die AfD hat Zeit. „Zeit für Deutschland“, „Zeit für sichere Grenzen“ oder einfach nur „Zeit für Alice Weidel“. Allerdings ist das mit der Zeit ja immer so eine Sache. Zeit ist immer, aber sie kann auch dauern. Und so wird die AfD weiter warten. Zumindest will ja (noch) keine der anderen Parteien mit ihr die Zeit verbringen. Da wir auch noch weitere Slogans anschauen wollen, verlassen auch wir die Partei, die vermutlich keine Plakate mit „Zeit für noch mehr Rüstungsausgaben“ oder „weniger Sozialstaat“ drucken lassen wird, was im Wahlprogramm steht, aber auch bei der größten Oppositionspartei ist das mit der Ehrlichkeit so eine Sache. Die neueste Oppositionspartei wiederum will gleich alles anders machen. Mit „Alles lässt sich ändern“ plakatiert der Christian-Lindner-Wahlverein. Gleich alles? Auch die FDP? Da die Wähler daran kaum glauben, muss die Partei zittern. Zur Beruhigung empfehlen wir einen pfälzer Weißherbst. Einen Rainer-Brüderle-Gedächtniswein. Auch der ehemalige Bundeswirtschaftsminister musste schon einmal eine Bundestagsfraktion abwickeln.

Fast im Gleichklang formulieren BSW und Linke. Bei ihnen wird verdient. „Unser Land verdient mehr“, heißt es bei Sahra Wagenknecht & Co. Mal ist es die Rente, mal die Sicherheit oder die Kompetenz. Was soll man da sagen? Mehr davon schadet nicht. Die Linkspartei wiederum hat über ihr Wahlprogramm geschrieben „Du verdienst mehr“. Das mit dem Duzen hatten wir schon, schauen wir auf die flotten Sprüche: „Ist Deine Miete zu hoch, freut sich der Vermieter“ oder „Ist Dein Einkauf zu teuer, macht ein Konzern Kasse“. Die Aussagen stimmen. Unübertroffen (aber vermutlich aufgrund der Ironie nicht für jeden verständlich) ist wie immer „Die PARTEI“. Bei der Fahrt über eine Brücke sah ich diese Woche ihre neueste Kreation: „Toi, toi, toi! Diese Brücke hält.“ Und auch das war keine Desinformation, denn sonst wäre wohl auch nichts aus diesem Text geworden.

Übrigens: Wer hinter all dem Geschwafel steckt, steht in der Süddeutschen. Dort berichten einige der Macher, wie es zu den Slogans gekommen ist. Man erzählt sich, dass es sogar Inhalte gewesen sein sollen. Darauf zum Abschluss noch einen Riesling, den beliebtesten Wein der Deutschen. Prost!

Helge Buttkereit ist Historiker, freier Journalist und derzeit in der Öffentlichkeitsarbeit tätig.

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