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Buch-Tresen | 11.09.2025
Gegen das Verschweigen
Das Buch „Vereinnahmte Wissenschaft“ analysiert die RKI-Protokolle und zeigt, wie politische Interessen die Corona-Maßnahmen bestimmten.
Text: Brit Gdanietz
 
 

Als ich Bastian Baruckers Anthologie in die Hand nahm, ahnte ich nicht, dass mich der Inhalt derart herausfordern würde – trotz meines Vorwissens. Ich wusste nur, dass es ein Thema ist, das mich schon sehr lange umtreibt und dem ich mich widmen musste. Das Buch bündelt Originalzitate aus den Protokollen des Robert Koch-Instituts (RKI), kommentiert von Persönlichkeiten aus Journalismus, Politik, Medizin und Rechtswissenschaften. Die Autoren beleuchten die vormals geheimen Protokolle aus verschiedenen Blickwinkeln und setzen sie ins Verhältnis zu den politischen Entscheidungen der Corona-Jahre. Herausgeber Bastian Barucker schreibt im Klappentext:

Dieses Buch richtet sich sowohl an Befürworter als auch an Kritiker der Maßnahmen, an Empörte und Neugierige, an Entsetzte und Verletzte. Vielleicht gibt es die Möglichkeit, auf Grundlage der Protokolle eine gemeinsame Basis zu finden.

Triggerwarnung

Für alle, für die die Inhalte der freigeklagten Protokolle Neuland sind, möchte man einen Warnhinweis, eine sogenannte Triggerwarnung aussprechen. Das Buch nimmt einem zwar die Arbeit ab, sich durch 4000 Seiten RKI-Protokolle zu kämpfen, kann aber Menschen, die von all dem keine Ahnung hatten, durchaus verstören. Obgleich mir viele Fakten bereits bekannt waren, ertappte ich mich beim Lesen immer wieder dabei, wie ich das Buch zur Seite legen und sehr tief durchatmen musste. Vieles, was Kritiker der Maßnahmen frühzeitig benannten, wofür sie diffamiert, mit Repressalien belegt, als Schwurbler und rechte Spinner aus dem Diskurs gedrängt wurden, wird hier belegt und mit Fakten unterfüttert. All das chronologisch nachvollziehbar serviert zu bekommen, ist mitunter schwer auszuhalten.

Nicht für die Öffentlichkeit

Allein der Fakt, dass die RKI-Protokolle geheim bleiben sollten, müsste das Interesse an diesem Buch enorm steigern. Warum hält eine Behörde sie jahrelang unter Verschluss und versucht, mit höchstrichterlichem Beistand und immensen Kosten an deren Geheimhaltung festzuhalten?

Freigeklagt wurden die internen Aufzeichnungen des Covid-19-Krisenstabs nicht von einem der etablierten und durch Steuergelder hoch subventionierten deutschen Leitmedien, etwa ARD oder ZDF. Auch nicht von einer der großen deutschen Zeitungen, wie der Süddeutschen, dem Spiegel oder der Zeit, sondern von dem bis dahin kaum bekannten, auf Spenden basierten Online-Magazin Multipolar und seinen Herausgebern Paul Schreyer und Stefan Korinth. Zunächst in großen Teilen geschwärzt, übergab später ein Whistleblower aus dem RKI die Protokolle an die freie Journalistin Aya Velázquez.

Die veröffentlichten Leaks machen es jedem Bürger möglich, die internen Notizen der obersten Gesundheitsbehörde der Bundesrepublik einzusehen. Die rund 4000 Seiten umfassenden Protokolle plus Zusatzmaterial sind offiziell verfügbar, jeder kann sie herunterladen und darin recherchieren. Das Buch ermöglicht es auf schnellerem Weg, sich auf 250 Seiten einen Überblick über die Vorgänge im RKI während der Corona-Zeit zu verschaffen.

Ein Krimi – aber keine Fiktion

Die von Aya Velázquez in einem Vorwort beschriebenen Tage und Wochen von der ersten Kontaktaufnahme bis zur Veröffentlichung, die technischen und logistischen Sicherheitsvorkehrungen und schließlich die Onlinestellung des Materials am 23. Juli 2024 um 4 Uhr morgens lesen sich wie ein Krimi. Geheime Übergaben in der Lobby eines Hotels in Berlin Mitte, ohne private Handys, um nicht ortbar zu sein. Getarnte Briefe mit USB-Sticks und Harry-Potter-Adressen als Absender. Prepaid-Simkarten und ein Betriebssystem, für das die Polizei keine Hacking-Software besitzt. Es durfte kein Risiko eingegangen werden, um die Kontaktperson zu schützen und die Veröffentlichung nicht zu gefährden.

Politik trieb RKI vor sich her

Die Rechtswissenschaftlerin und Philosophin Frauke Rostalski, die Philosophin Svenja Flaßpöhler, die Professorin für Strafrecht Elisa Hoven und die Schriftstellerin Juli Zeh – die beiden zuletzt Genannten sind auch Richterinnen am Verfassungsgericht in Sachsen und Brandenburg – widmen sich in einem Kapitel der Rolle der Politik, deren Umgang mit der Öffentlichkeit und den Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Sie resümieren: „... es wurde gefordert, ‚der Wissenschaft zu folgen‘, ungeachtet dessen, dass in großen Teilen Uneinigkeit bestand und die Politik massiv Druck auf die Wissenschaft ausgeübt hatte“. Dies habe das Vertrauen in den Staat und die Institutionen massiv beschädigt.

Die bis heute mantraartig wiederholte Behauptung des ehemaligen Gesundheitsministers Karl Lauterbach, die Politik hätte sich in die wissenschaftlichen Bewertungen des RKI nicht eingemischt, wird entlarvt und ad absurdum geführt. Zu diesem Ergebnis kommt auch Paul Schreyer in seinem Vorwort: „Das RKI, das zeigen die Protokolle in vielen Details, saß in der Corona-Zeit nicht etwa am Steuer, sondern ließ sich lenken und vor den Karren spannen: von der Politik, von internationalen Organisationen. Nach außen hin aber wurde der Eindruck erweckt, die Politik folge den Experten der eigenen Fachbehörde. Deren interne Zweifel, auch das zeigen die Protokolle jedoch, fielen unter den Tisch, wurden nicht berücksichtigt und geheim gehalten.“ Die Politik berief sich stets auf die Wissenschaft. Die RKI-Protokolle beweisen hingegen, dass die Politik das RKI vor sich hertrieb.

Fehlende Wirksamkeit von Masken war bekannt

Die Rolle des RKI war demnach nicht, wie suggeriert, die einer Behörde, welche nach wissenschaftlichen Standards die Regierung beriet, sondern die einer abhängigen Unterabteilung des Gesundheitsministeriums, deren Aufgabe ausschließlich darin bestand, eine Kommunikationsstrategie für politische Entscheidungen zu entwickeln. So auch im Hinblick auf die fehlende Evidenz zur Wirksamkeit von Masken. Oliver Hirsch, Professor für Wirtschaftspsychologie, und der Arzt Dr. Kai Kisielinski stellen dazu Untersuchungen an. Aus einer Protokoll-Notiz vom 16. November 2020 geht demnach hervor, dass die Nutzung von Masken durch Laien sogar als gefährlich eingeschätzt wurde. Es werden unter anderem hohe Kohlendioxidkonzentrationen angeführt, die bei längerem Tragen toxisch wirken können. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die vielen herz- und lungenkranken Menschen, denen schon ohne Maske das Luftholen schwerfällt.

Depressionen und Suchtmittelkonsum steigen

Eine entschwärzte Stelle vom Oktober 2020 legt offen, dass gerade die Maskenpflicht für Schulkinder vom RKI durchaus kritisch gesehen wurde: „Maskenpflicht für Grundschüler kritisch diskutiert wegen eventuellen Langzeitfolgen; Einzelschicksale: Depressionen, Suchtmittelkonsum steigen.“ Die Wortmeldung der Vorsitzenden des deutschen Philologenverbandes Susanne Lin-Klitzing vom Juni 2020, nach welcher das Tragen von Masken den „Kern jedes Unterrichts torpediere“, konnte die politischen Entscheidungen zur Maskenpflicht offensichtlich nicht beeinflussen. Ausführlich widmet sich das Buch dem höchst bedenklichen Umgang mit Kindern und bezieht sich auf den Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin Günter Kampf, der für den Gebrauch von Masken schwerwiegende Nebenwirkungen anführt wie Kopfschmerzen, Unwohlsein oder Atemnot. Trotz dieser frühen Erkenntnisse waren die Schüler gezwungen, über Wochen und Monate stundenlang Masken zu tragen.

Impfdruck trotz fehlender Daten – auch auf Genesene

Weiter geht das Buch der Frage nach, warum Genesene zur Impfung gedrängt wurden, und führt auch hier verschiedene Wissenschaftler ins Feld: Der Medizinprofessor Martin Kulldorf, der an der Harvard-Universität unterrichtete, wies darauf hin, dass bei den meisten Viren die natürliche Immunität die durch Impfung hervorgerufene Immunität übertrifft, was auch für COVID gilt. Durch die Analysen der Wissenschaftler wird klar, dass es keinesfalls darum ging, Menschen vor Corona zu schützen, sondern politische Vorgaben zu erfüllen. In diesem Fall: so viele Menschen wie möglich zum Impfen zu bewegen. Es wird offensichtlich, wie wenig unabhängig das RKI war, seine Erkenntnisse und Zweifel gegenüber dem Gesundheitsministerium zu verteidigen. Selbst interne Ängste vor Konsequenzen sind dokumentiert, sollte sich die Behörde den Maßnahmen der Regierung widersetzen.

Besonders gravierend erscheinen die Ausführungen der Biologin Sabine C. Stebel. Sie belegen, dass man bereits der Zulassungsstudie von Pfizer „die mangelnde Schutzwirkung der ‚Impfung‘“ entnehmen konnte und spätestens seit dem 8. Februar 2021 auch der Übertragungs- und Eigenschutz „mehr als zweifelhaft“ waren. Stebel endet mit der Feststellung, dass aufgrund der fraglichen Schutzwirkung und der Schädigungen durch die ‚Impfung‘ die Impfkampagne spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte gestoppt werden müssen. Wie ist es also zu erklären, dass Gesundheitsminister Lauterbach im August 2024 nach eigenen Angaben noch einmal 15 Millionen Corona-Impfdosen für den Herbst und Winter 2024 orderte?

Das RKI – eine Schwurblerbehörde?

Die Journalistin Ruth Schneeberger erinnert an Pflegekräfte, die ihre Stellen verloren, weil sie sich nicht impfen ließen, an bis dahin geschätzte Wissenschaftler, die aus dem Diskurs gedrängt, als Verschwörer oder Schlimmeres betitelt wurden, weil sie genau die Fragen thematisierten, die auch die RKI-Mitarbeiter umtrieben. Weiterhin hält sie fest, dass Karl Lauterbach zusammen mit dem Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen (Bündnis 90/ Die Grünen) die durch Paul Schreyer freigeklagten Teilprotokolle zunächst mit der „Einmischung fremder Mächte“ abgetan hatte. Sehr überraschend kündigte er dann plötzlich eine „vollständige Entschwärzung“ an. Niemand kann sagen, ob es jemals dazu gekommen wäre. Der Whistleblower und Aya Velázquez kamen dem Minister zuvor.

Wo bleibt die Presse?

Nachdem im Sommer 2024 öffentlich wurde, dass sich auch die Mitarbeiter der höchsten Gesundheitsbehörde zu den „Schwurblern“ zählen durften, blieb ein entsprechendes Presse-Echo aus. Erst durch die hohen Wellen, die die Veröffentlichung in den sozialen Medien schlägt, sahen sich einige große Redaktionen gezwungen, sich des Themas anzunehmen und darüber zu berichten. Dem ZDF war die Meldung mit „politischer Sprengkraft“ gar eine Drei-Minuten-Meldung wert. Es bleibt offen, schreibt Schneeberger, warum im Deutschlandfunk noch im Dezember 2024, also fast sechs Monate nach der Veröffentlichung der geleakten Files, in einer Sendung die Protokolle ausgerechnet von Christian Drosten und Karl Lauterbach „eingeordnet“ wurden, also von genau den Experten, deren Agieren in der Pandemie durch die Protokolle in keinem guten Licht erscheint. Vielleicht wähnte man sich ob der Menge des Materials auch einfach in Sicherheit, dass die meisten Menschen sich ohnehin nicht an dessen Sichtung wagen würden.

Um das Interesse möglichst klein zu halten, äußerte Jens Spahn kurz nach Veröffentlichung, er verstehe das ganze Theater nicht, und behauptete in einem Video auf X, dass „alles was darin steht, schon seit drei bis vier Jahren bekannt ist; das ist nichts Neues“. Na klar! So braucht sich auch niemand mehr damit zu befassen. Man tut einfach das, was immer getan wird, wenn kein Aufsehen erregt werden soll. Getreu dem Motto: Bitte gehen Sie weiter, hier gibt es nichts zu sehen. Schneebergers Kapitel mündet schließlich in der Gewissheit: „Solange große Teile der Presse sich weiterhin schützend vor die damals Verantwortlichen stellen, wird es keine echte Aufarbeitung geben können.“

Zeitzeugnis als Grundlage für Aufarbeitung

Man konnte es ja nicht besser wissen. Diese bis heute immer wieder getätigte Aussage ist mehr als widerlegt. Man wusste die entscheidenden Dinge schon sehr zeitig. Der Sammelband bietet die Chance, zurückgehaltenes Wissen zu verbreiten, und liefert in komprimierter Form die Belege, dass mit Manipulation, Lügen und Halbwahrheiten gearbeitet wurde, um die Impfkampagne in die von der Politik gewünschte Richtung zu lenken.

Alle, die ein ehrliches Interesse an der Aufarbeitung der Corona-Jahre haben, finden hier ein Zeitzeugnis, das die Vorgänge und Zuständigkeiten namentlich und mit kalendarischer Einordnung bereitstellt. Ich empfehle es jedem interessierten Bürger und dringend allen Ärzten. Es gehört in die Bibliothek aller Politiker und Abgeordneten. Alle gerichtlichen Institutionen täten gut daran, die RKI-Protokolle für ihre Urteilsfindung hinzuzuziehen. Sei es für die Bearbeitung der vielen abgelehnten Versorgungsansprüche Impfgeschädigter, für die Rehabilitierung von Ärzten, die wegen ausgestellter Maskenattests verurteilt wurden, als auch für die Soldaten, die durch Verweigerung der „Impfung“ mit Freiheitsstrafen belegt und ihrer Existenz beraubt wurden. Es wäre ein wichtiges Zeichen für alle, denen gesundheitliche, berufliche oder gesellschaftliche Nachteile entstanden sind. Ich würde es zur Pflichtlektüre aller Mitglieder der „Enquete-Kommission zur Aufarbeitung der Corona-Pandemie“ machen, die gerade ihre Arbeit beginnt. Das Buch bietet eine wertvolle Grundlage, die Notwendigkeit einer kompromisslosen Aufarbeitung zu erkennen und sich dafür starkzumachen.

Bildbeschreibung

Bastian Barucker (Hrsg.): Vereinnahmte Wissenschaft. München: massel Verlag 2025, 252 Seiten, 22,90 Euro.

Mit Beiträgen von Aya Velázquez, Bastian Barucker, Paul Schreyer, Philippe Debionne, Frauke Rostalski, Ruth Schneeberger, Wolfgang Kubicki, Elke Bodderas, Volker Boehme-Neßler, Oliver Hirsch, Kai Kisielinski, Franziska Meyer-Hesselbarth, Sebastian Lucenti, Svenja Flaßpöhler, Elisa Hoven, Juli Zeh, Valeria Petkova, Alexander Konietzky, Sabine C. Stebel

Brit Gdanietz ist Schauspielerin und Sprecherin und hat am Kompaktkurs Journalismus an der Freien Akademie für Medien & Journalismus teilgenommen.

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Bildquellen: Lothar Wieler (links) und Jens Spahn nach einer Bundespressekonferenz am 3. Dezember 2021. Foto: picture alliance/dpa | Kay Nietfeld