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Oben & Unten | 19.11.2025
Erlernte Hilflosigkeit
Digitalisierung und Automatisierung scheinen die Menschen zu hilflosen Objekten zu machen. Beobachtungen an der Supermarktkasse.
Text: Felix Feistel
 
 

Im Laufe dieses Jahres haben die meisten Supermärkte und Drogerien, die ich gelegentlich besuche, ihr Bezahlsystem umgebaut. Neben den gewöhnlichen Kassen mit Kassenband und Kassierer gibt es jetzt überall auch jene Kassen, an denen man sich selbst abkassieren kann. Was hier in Deutschland als große Neuheit erscheint, habe ich schon vor zehn Jahren in Großbritannien gesehen. Aber sei’s drum.

Die neuen, automatischen Kassen wurden zunächst nicht gut angenommen. In den ersten Wochen sah ich beinahe niemanden, der sie nutzte. Nur der Umstand, dass von den üblichen Kassen immer nur eine besetzt ist, wodurch sich je nach Tageszeit schon einmal lange Schlangen bilden, zwingt die Menschen dann dazu, die neuen Kassensysteme zu nutzen. Hier können sie dann die Arbeit der Kassierer selbst übernehmen – scheitern dabei aber immer wieder. Hilflos stehen sie davor, drücken auf den Displays herum und rufen um Hilfe, sodass am Ende doch ein Mitarbeiter kommen und irgendetwas freischalten muss. In Punkto Arbeitsersparnis ist durch diese Kassen also gar nichts gewonnen. Hinzu kommt, dass man dort nur mit der Karte bezahlen kann – Big Brother erfährt also genau, was man wo wann kauft. Auf diese Weise bereiten diese neuen Kassen den Weg in eine vollkommen digitalisierte Diktatur.

Vor Kurzem stand ich in der langen Schlange vor der gewöhnlichen Kasse und beobachtete eine junge Frau an den Selbstbedienungskassen. Ganz normal scannte sie die Waren ein und bezahlte mit der Karte. Den Kassenbon, den man anschließend erhält, muss man am Ausgang einscannen, damit sich die Schranke öffnet. Und genau hier setzten die Probleme ein. Denn aus irgendwelchen Gründen – seien es technisches, sei es menschliches Versagen – akzeptierte die Schranke ihren Kassenbon nicht und blieb verschlossen. Hilflos versuchte die junge Frau immer wieder, ihren Bon zu scannen. Doch nichts rührte sich. Sie rief die Kassiererin, die aber gerade sehr beschäftigt war und sie auf später vertröstete.

Bei der Lösung ihres überhaupt nur eingebildeten Problems ließ die junge Frau jede Kreativität vermissen. Denn während sie selbst Probleme mit dem Scannen ihres Bons hatte, verließen neben ihr mehrere Personen den Kassenbereich, deren Bons von den Schranken akzeptiert wurde. Die junge Frau nahm dies auch wahr und beobachtete verzweifelt, wie andere den Laden problemlos verließen. Hier hätte sich die junge Frau nun einfach einem der anderen Kunden anschließen können. Sie tat dies aber erst auf Aufforderung der Kassiererin. Sie selbst schien auf diese Idee überhaupt nicht zu kommen. Zu groß war die Ehrfurcht vor der Technik.

Dieses kleine Beispiel zeigt, dass die digitale Diktatur nicht obsiegen wird, weil sie so monolithisch und unüberwindlich ist. Sie wird obsiegen, weil die Menschen sich freiwillig der nur vermeintlichen Autorität der Technik beugen. Einen Vorgeschmack darauf haben ja schon die Corona-Warnapps gegeben und die Corona-Tests. Deren Urteil haben sich Menschen furchtsam gebeugt, auch wenn sie keinerlei Symptome einer irgendwie gearteten Krankheit zeigten. Tests und Technik erzeugen lediglich den Schein einer Autorität. Denn real können sie das eigene Leben gar nicht behindern. Was soll ein per App zugestelltes Verbot, die Öffentlichkeit, ein öffentliches Verkehrsmittel oder eine andere Örtlichkeit zu betreten, denn schon bewirken? Praktisch und physisch hält es einen nicht auf. Auch die Weigerung der Schranke im Supermarkt, sich zu öffnen, ist durch einfaches Drübersteigen zu umgehen.

Das einzige Hindernis, sich diesen eingebildeten Autoritäten zu widersetzen, ist ein psychologisches, wie bei allen Regeln. Man macht sich die angemaßte Autorität zu eigen und unterwirft sich damit. Der Mensch begibt sich so freiwillig in die Unterwerfung. Es ist eine erlernte Hilflosigkeit, die den Menschen schon heute die anmaßende Übergriffigkeit vermeintlicher Autoritäten akzeptieren lässt, die sich noch verschärfen wird.

Nur aufgrund dieser erlernten Hilflosigkeit und der mangelnden Kreativität im Umgang mit lediglich angemaßter Autorität siegt die Diktatur.

Felix Feistel veröffentlicht seit 2017 Texte über das aktuelle Zeitgeschehen bei Manova, Apolut, tkp & Multipolar. Mehr auch auf seinem Telegram-Kanal.

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Bildquellen: Gerd Altmann @Pixabay