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Welt-Tresen: Tansania | 25.02.2025
Eine Klinik im Paradies
Vor neun Jahren gründete eine Zahnärztin aus Bayern auf der Insel Pemba die Dental Clinic. Ein Gespräch über Hilfe, andere Kulturen und Glück.
Text: Antje Meyen
 
 

Mimi Blien arbeitet als Zahnärztin für ganzheitliche Zahnheilkunde in Wildenberg-Pürkwang in Niederbayern. Seit 2016 fliegt sie im Januar nach Tansania. Im Gepäck: Zahnbürsten, Zahnpasta und jede Menge medizinisches Material für die Dental Clinic der Vereins Connecing Continents auf der Insel Pemba.

Frau Dr. Blien, was macht aus einer Zahnärztin, die bis 2017 eine eigene Praxis in Straubing hatte, die Gründerin einer Zahnklinik in Ostafrika?

Auslöser war die Bekanntschaft mit dem Vereinsvorstand von Connecting Continents, Josef Gold, einem sehr sozial eingestellten Geschäftsmann aus Straubing-Bogen. Der Verein betreibt hauptsächlich die erfolgreiche Secondary School auf Pemba mit 360 Schülern und 16 Lehrern. Diese Schule habe ich 2016 besucht und dabei den Kindern in den Mund geschaut. Was ich gesehen habe, hat mich erschreckt. Deshalb 2017 meine Initiative für eine Dental Clinic auf dem Schulgelände. Ich wollte den Kindern eine Zahnprophylaxe ermöglichen, wie sie bei uns in Deutschland die Regel ist.

Wie ist der Besuch in diesem Jahr gelaufen?

Zur Begrüßung standen alle, wirklich alle Schüler Spalier und haben für uns gesungen. Wir, das waren neben mir Manuela Bell, eine Physiotherapeutin aus Straubing, die vor Ort behandelt hat, ihr Mann Christian, der mit technischem Sachverstand geholfen hat. Gabriele Ewald, eine gute Freundin, brachte sich in den Schulklassen ein. Louisa Ewald, eine Schülerin, machte ihr Sozialpraktikum in Schule und Zahnklinik. Sie hielt vor allen Klassen einen Vortrag über Zahnprophylaxe und Mundhygiene. Ihr Freund Benjamin half bei IT-Problemen und erstelle ein einfaches Tool zur digitalen Patientenerfassung. Gert Tilk aus Bogen, ein Freund der Schule, unterstützte mich tatkräftig und klärte die Schüler außerdem über Plastikmüll auf – und wie man ihn vermeiden kann.

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Und wie groß ist das Team der Zahnklinik?

Dort arbeitet ein festes Team: ein beratender Zahnarzt, ein junger Dentist, zwei zahnmedizinische Assistentinnen, eine Schreibkraft und ein Cleaner.

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Was unterscheidet einen Zahnarzt von einem Dentisten?

Der Dentist ist ein Lehrberuf. Den gab es in Deutschland bis Ende der 1950er Jahre auch noch. Mein Onkel war Dentist. Später durfte man nur noch mit einem Studium als Zahnarzt arbeiten. In Tansania lernen Dentisten drei Jahre, werden im Job dann ungefähr wie Krankenschwestern bezahlt. Der Lehrplan ist okay in der Theorie, aber es mangelt in der Praxis. Die Leute können Zähne ziehen, aber keine Füllungen machen. Sie könnten es sich auf YouTube anschauen und selbst beibringen, aber das macht hier niemand. Obwohl es ganz leicht wäre.

Wer leitet die Klinik?

Unser Zahnarzt Dr. Waliid. Er war Ausbilder an der Dentistenschule in Sansibar, der Nachbarinsel. Wir sind glücklich, dass er jetzt regelmäßig bei uns ist. Mit dem Personal ist es schwierig, weil Pemba für Tansanier sehr abgelegen ist. Dort geht man nur hin, wenn man da geboren ist. Eine Zahnklinik darf nur ein studierter Mediziner leiten. Bürokratie halt – das lieben die Leute hier. Sie mögen Hierarchien. Wenn ich vor Ort bin, muss ich ständig etwas entscheiden, werde immerzu gefragt, weil sie mich als Chefin ansehen. Das kann wirklich anstrengend sein.

Gibt es etwas Besonderes im Arbeitsalltag?

Die Teambesprechungen! Die Probleme werden da ausführlich erläutert, es gibt eine angenehme Gesprächskultur. Jeder bekommt eine lange Redezeit, in der er nicht unterbrochen wird. Es wird kritisiert, man bleibt dabei jedoch sehr höflich. Für mich klingt da ein wenig die alte Kultur des arabischen Geschichtenerzählens durch. Pemba ist ein Teil des afrikanisch-arabischen Kulturraums. Auch im Taxi erlebt man das übrigens. Da sitzt man nie allein drin, es steigen immer noch Leute zu. Und die reden miteinander. Jeder spricht sehr lange, alles läuft ganz ruhig, niemand fällt dem anderen ins Wort. Das tut richtig gut.

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Ist die Dental Clinic nur für die Schüler gedacht?

Nein, auch die Lehrer, deren Angehörige und arme Menschen werden umsonst behandelt – wie die Schüler. Alle anderen können auch kommen und bezahlen eine geringe Gebühr.

Gibt es in Tansania eine Krankenversicherung?

Bisher nur für die Mittelschicht. Die Lehrer an unserer Schule sind zum Beispiel alle krankenversichert. Sansibar hat eine eigene KV gegründet. Insgesamt wird das im ganzen Land gerade eingeführt. 70 Millionen Euro Entwicklungshilfe hat ja sogar Deutschland für die Einführung einer Krankenversicherung in Tansania gespendet. Das ging gemeinsam mit den Radwegen in Peru durch die Medien.

Brauchen die Menschen das überhaupt?

Für Pemba kann ich sagen, dass Arzt und Krankheit hier viel weniger ein Thema sind als bei uns in Deutschland. Die Menschen haben nicht viel, sind aber sehr glücklich. Die Natur ist kraftvoll und fruchtbar, die Mangos zum Beispiel schmecken unglaublich! Es ist immer warm, immer grün – Pemba heißt auf Arabisch grün –, die Sonne scheint. Die Kinder toben draußen herum, Kriminalität spielt keine Rolle und insgesamt lebt man sein Leben, wie es eben kommt. Und die Menschen sind stolz auf ihr Land, Nationalismus ist ganz normal.

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Das klingt ein bisschen nach Paradies …

Leider ändert sich das gerade. Ausländer dürfen zum Beispiel seit zwei Jahren Grundstücke und Immobilien kaufen. Pemba will sich dem Tourismus öffnen, baut Hotels, Straßen und einen Flugplatz. Die jungen Leute wollen Geld machen, ihr Stück vom Kuchen abbekommen.

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Bekommen Sie auch etwas von der Schule mit?

Na klar, das ist ja alles ganz nah beieinander. Die Schule ist hier einzigartig, eine Secondary School mit vier Klassenzügen. Zuletzt gab es 500 Anmeldungen für die 100 Plätze. Die Lehrer bekommen vom Verein ein regelmäßiges Gehalt, was hier nicht die Regel ist. Oder auch einen Kredit, um sich ein Haus zu kaufen. Mit 10.000 Euro kommt man da schon weit. Gleich mit Solaranlage auf dem Dach – damit gibt es Strom für Licht, für den Kühlschrank und zum Handyladen.

Und wie ist die Beziehung zu den Schülern?

Sehr eng und freundschaftlich. Das Lehrerzimmer ist immer offen, die Kinder können da jederzeit reingehen. Es wird viel gelacht. Richtig streng geht es nur bei den Prüfungen zu, die von Staat abgenommen werden. Da werden dann Tische im Freien aufgestellt, weit auseinander, damit niemand abschreiben kann. Zuletzt haben alle Schüler der ersten Klassen diese Prüfungen bestanden, worauf hier alle unheimlich stolz sind.

Zur Seite von Dr. med. dent Mimi Blien

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