Ein diesiger Herbstabend im November 2024 im brandenburgischen Malchow, unweit der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern. Rund 150 Menschen füllen die Dorfkirche, einen frühgotischen Feldsteinbau des 13. Jahrhunderts, bis auf den letzten Platz. Das sind in etwa so viele Menschen, wie der Ort Einwohner hat. Die Nummernschilder der Fahrzeuge deuten darauf hin, dass viele Besucher auch längere Anfahrtswege in Kauf genommen haben. Heute ist der Journalist Patrik Baab hier zu Gast, um über seine Reisen in die Ukraine zu berichten und über sein Buch „Auf beiden Seiten der Front“, in dem er die Hintergründe des Konfliktes sowie die Stimmung vor Ort beleuchtet. Vieles, was Baab schreibt und sagt, widerspricht den offiziellen Narrativen. Aber an diese glauben die Besucher der Veranstaltung schon lange nicht mehr.
Wie kommt jemand wie Patrik Baab in diese Dorfkirche in der Uckermark, weit weg von großen Städten? Grund ist der Gastgeber. Pfarrer Thomas Dietz hat schon viele namhafte Personen und Kritiker in seine Gemeinde eingeladen. Zu den Gästen gehörten beispielsweise der Arzt Paul Brandenburg, der Chefarzt der Neubrandenburger Kinderklinik, Sven Armbrust, und der Philosoph und Lehrer Gunnar Kaiser. Dietz ist seit 1987 verantwortlich für die Kirchengemeinde Schönfeld, zu der auch die Kirche in Malchow gehört. 2020 sprach sich Thomas Dietz öffentlich gegen die Corona-Maßnahmen aus und unterstützte die großen Berliner Demonstrationen im August. Damit trat er in Opposition zu seiner Kirche, die die Menschen damals im Stich ließ. In einem Interview mit dem Magazin Cicero sagte er im April 2021:
Für mich sind Gottesdienste und das kirchliche Leben als Ganzes kein Privileg, sondern Auftrag. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben sich etwas dabei gedacht, als sie der Kirche gewisse Sonderstellungen zubilligten. Gerade in seelischen Notlagen wie jetzt ist die direkte Seelsorge ungemein wichtig. Und gerade heute hat Kirche nah bei den Menschen zu sein.
Auch die Aktion #allesdichtmachen, in der sich über 50 Schauspieler kritisch zu den Lockdowns äußerten, unterstützte der Pfarrer. Bei der Nachfolgeaktion #allesaufdentisch nahm er dann selbst mit einem Interview teil. In einem offenen Brief an den brandenburgischen Ministerpräsidenten Woidke schrieb er damals:
Die Schäden, die jetzt infolge der Regierungsbestimmungen eintreten, stellen sich für mich als unverantwortlich dar. Sie türmen sich vor uns auf und werden sich über Jahre und Jahrzehnte nachwirken.
Damit sollte er Recht behalten. Heute ist nun Patrik Baab bei Thomas Dietz. Reporter und Politikwissenschaftler, wie Baab sich selbst beschreibt. Es ist kaum möglich, sein gesamtes Repertoire aufzuzählen. Er hatte Lehraufträge an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Berlin. Beide verlor er wegen seiner Recherchen im Donbass. Das Ergebnis passte nicht ins politisch genehme Narrativ. Baab ist Journalist. Für ihn heißt das, vor Ort zu schauen, was tatsächlich passiert, mit Leuten reden. Dabei ist er akribisch, von der Vorbereitung der Reise bis zur Nachbearbeitung der ermittelten Fakten. Er passt also zu den Menschen, die Thomas Dietz bisher zum Dialog eingeladen hat. Dietz und Baab ergänzen sich perfekt. Der Gastgeber stellt die Fragen, die die Besucher interessieren, und Patrik Baab antwortet. Dabei begründet er seine Analysen und Schlussfolgerungen ausführlich. Für den Autor mehrerer Bücher ist das heute ein Heimspiel.
Unter den Anwesenden ist auch Claudia Marsal. Die Redakteurin vom Nordkurier, der regionalen Zeitung, hört aufmerksam zu, macht Notizen. Sie kennt Pfarrer Dietz schon seit vielen Jahren. Sie war es auch, die zur Corona-Zeit die Vortragsabende von Thomas Dietz in der Öffentlichkeit bekannt machte. Damals mussten sich beide vielen Anfeindungen stellen. Während Thomas Dietz nicht einmal seine Kirche hinter sich wusste, stand Claudia Marsals Arbeitgeber zu seiner Redakteurin. Der Nordkurier wurde in dieser Zeit bundesweit für seinen ausgewogenen Journalismus bekannt. Auch ein Verdienst von Claudia Marsal, die auch über den heutigen Abend einen Artikel schreiben wird.
Zurück zu Thomas Dietz. Dass er 2015 das Bundesverdienstkreuz bekam, kann man sich mit Blick auf die aktuellen Preisträger kaum vorstellen. Spätestens, seit er im September 2020 dem russischen Sender RT Deutsch ein Interview gab, dürfte er als Persona non grata gegolten haben. In diesem Interview kritisierte er die Corona-Politik, die den Menschen Angst machte. und die Kirchen, die in der Krise weder Trost noch Zuspruch spendeten.
Heute geht es nicht mehr nur um Corona. Ukrainekrieg, Nahost-Konflikt, Medienpropaganda. Die Themen sind vielfältig. Pfarrer Thomas Dietz lädt immer noch zu Dialogabenden mit Gästen ein, die der Mainstream meidet. Für nächstes Jahr haben bereits der Chefredakteur des Nordkurier, Phillipp Debionne, Kommunikationswissenschaftler Michael Meyen, der Buchautor und Publizist Norbert Bolz und Datenanalyst Tom Lausen zugesagt.
Der Abend mit Patrik Baab in der Malchower Kirche neigt sich dem Ende zu. Es gibt noch Fragen aus dem Publikum, die Baab ausführlich beantwortet. Zum Schluss werden er und Thomas Dietz mit einem langen Applaus belohnt. 2025 geht der Pfarrer in den Ruhestand. Wird es dann immer noch Veranstaltungen heute geben? Thomas Dietz: „Wenn das Pfarramt das ermöglicht, würde ich es gern tun.“ Man kann sich also wohl auch zukünftig auf interessante Gäste in der Uckermark freuen.
Mirko Jähnert hat mehrere Kurse an der Freien Akademie für Medien & Journalismus besucht. Er lebt und arbeitet in Mecklenburg-Vorpommern.
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