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Medien-Tresen | 07.02.2025
Der Keim zur Heilung
Robert F. Kennedy als US-Minister sorgt für Bauchweh im Mainstream. Der Umwelt-Anwalt könnte den Fokus auf den Nährboden von Gesundheit lenken.
Text: Hakon von Holst
 
 

Als sein Onkel starb, war er neun Jahre alt. Als auch der eigene Vater einem Attentat zum Opfer fiel, war er vierzehn. Robert F. Kennedy jr. ist Neffe des berühmten US-Präsidenten. Sein Vater Robert F. Kennedy sen. diente in der Kennedy-Regierung als Justizminister und war aussichtsreicher Bewerber im Präsidentschaftswahlkampf 1968. Der Junior verkündete 2023 selbst die Kandidatur und erreichte hohe Umfragewerte. Einige Wochen nach dem Attentat auf Donald Trump im Juli 2024 schloss er sich dessen Kampagne an und wurde nach der Wahl für den Posten des Gesundheitsministers nominiert. Als eine seiner ersten Amtshandlungen befahl Trump, die letzten Dokumente zur Ermordung von John F. Kennedy, Robert F. Kennedy sen. und Martin Luther King jr. zu veröffentlichen. Er unterschrieb und ließ den Stift Robert F. Kennedy jr. überreichen.

Der junge Kennedy, kurz Bobby jr., lehrte Umweltrecht an der Pace University. Er setzte sich gegen Massentierhaltung ein, für sauberes Grundwasser und für die Rechte indigener Völker in verschiedenen Teilen der Welt. Im Mainstream trägt man ihm vor allem seine Aussagen über Impfungen nach. So liest man in der FAZ in einem ungewöhnlich neutral gehaltenen Bericht, er habe die Theorie verbreitet, „Autismus komme von Impfungen im Kindesalter“. Auch das hat Kennedy mit Donald Trump gemeinsam. Der zweimalige US-Präsident schrieb schon 2014 über Autismus und Impfungen auf Twitter. Als er die Mitglieder des Senats noch einmal aufrief, Kennedy als Gesundheitsminister zu bestätigen, verwies er auf eine steigende Zahl autistischer Kinder.

Bildbeschreibung

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Während die FAZ Einzelfälle erwähnte und ihren Lesern das Urteil überließ, schrieb die Tagesschau am 29. Januar gleich ganz oben, mit wem man es zu tun habe: Ein „entschiedener Gegner von Impfungen“ stehe vor seiner Anhörung im Senat. Umso überraschter titelte das ZDF einige Stunden später, Kennedy sei „plötzlich für Impfungen“. Er habe Impfungen zuvor „unsicher und ineffektiv genannt“ und nun behaupte er „das Gegenteil“. Tatsächlich betonte der Anwärter auf das Amt des Gesundheitsministers im Senat immer wieder, dass er Impfungen unterstütze. Das Aber ließ er jedoch durchblicken, wenn auch sehr viel vorsichtiger als früher: Kennedy setzt sich für einen wissenschaftlichen Goldstandard ein, wenn es um die Zulassung von Impfstoffen geht, für transparente behördliche Entscheidungen. Wie bisher gearbeitet wurde, das weckte seine Zweifel.

Kennedy teilte seine Pläne in diesem Bereich schon im November 2024 mit. Der deutsche Staatsfunk hätte es wissen können: „Wir werden niemandem die Impfstoffe wegnehmen. Wir werden dafür sorgen, dass die Amerikaner gute Informationen erhalten. Der wissenschaftliche Kenntnisstand zur Impfsicherheit weist derzeit erhebliche Defizite auf, und wir werden dafür sorgen, dass wissenschaftliche Studien durchgeführt werden und dass die Menschen fundierte Entscheidungen über ihre Impfungen und die Impfungen ihrer Kinder treffen können.“

Auch seinen Arbeitsauftrag schilderte Kennedy im Interview mit dem National Public Radio: „Präsident Trump hat mir drei Anweisungen gegeben. Er will, dass die Korruption und die Interessenkonflikte aus den Regulierungsbehörden verschwinden. Er möchte, dass die Behörden zum Goldstandard empirisch fundierter, evidenzbasierter Wissenschaft und Medizin zurückkehren, für den sie einst berühmt waren. Und er will der Epidemie chronischer Krankheiten ein Ende setzen.“

90 Prozent der US-Gesundheitsausgaben entfallen heute auf diese chronischen Krankheiten. „Chronisch“ heißen sie deshalb, weil sie die Medizin kaum ausheilt. Allgegenwärtige Zivilisationskrankheiten wie Zahnverfall tauchen in solchen Statistiken erst gar nicht auf. Selbst die WHO schätzt, dass weltweit jährlich 43 Millionen Menschen an nicht übertragbaren Krankheiten sterben, also vor allem an chronischen Leiden, während Impfungen 2,5 Millionen Todesfälle vermeiden würden.

Trotzdem wurden chronische Krankheiten bei den Anhörungen im Senat nur sechzig Mal angesprochen; fast dreihundert Mal fiel das Impf-Wort. Kennedy warf man dort mehr oder weniger vor, für einen Masernausbruch mit 83 Todesfällen auf Samoa 2019 verantwortlich zu sein. Auch dieses Thema ging durch die Medien: Der österreichische Standard sprach fälschlicherweise von 800 Toten auf der Insel. Es hätten weniger Menschen ihre Kinder impfen lassen, nachdem Kennedys Organisation Children’s Health Defense in den Monaten vor der Krankheitswelle impfkritische Werbeanzeigen auf Facebook geschaltet habe, behauptete die Zeitung. Es bleibt ein Rätsel, wie es da einen Zusammenhang geben kann. Die Daten der WHO zeigen, dass die Impfrate schon ein Jahr zuvor auf 31 Prozent gesunken war. Die Regierung hatte die MMR-Impfung nach zwei Todesfällen gestoppt.

Unverständnis bringt der Standard auch an einem anderen Punkt vor: Kennedy würde „die angeblichen Vorteile von Rohmilch für die menschliche Gesundheit“ propagieren. Das Seuchenschutzzentrum CDC warne vor dem Verzehr. Dass sich die Wissenschaft mit den Vorteilen von Rohmilch beschäftigt, erfährt der Leser nicht. Nicht pasteurisierte Milch wirkt sich vorteilhafter auf das menschliche Mikrobiom aus. Das Mikrobiom steuert das menschliche Immunsystem und spiegelt den Gesundheitszustand. Hier sieht man, dass Kennedy den ganzheitlicheren Blickwinkel einnimmt. Als Umwelt-Anwalt bezieht er auch den Lebensraum, den Nährboden ein, aus dem sich Gesundheit entwickeln kann. Kennedy kritisiert den Einsatz gefährlicher Pestizide in der Landwirtschaft. Gerade Glyphosat, der bekannteste Unkrautvernichter, steht im Verdacht, das Darmmikrobiom zu schädigen.

In einem Anwaltsteam hatte Kennedy 2017 ein historisches Urteil gegen Monsanto erwirkt. 289 Millionen US-Dollar wurden dem Krebskranken Dewayne Johnson aus Kalifornien zugesprochen. Es war der erste Schuldspruch in Sachen Glyphosat und Krebs, der Beginn einer Klagewelle. Kennedy hatte geltend gemacht, dass die Umweltschutzbehörde EPA mit Monsanto kooperierte und eine Studie zur Untersuchung von Krebsfällen stoppte. Diese Tatsache war zuvor an die Öffentlichkeit gekommen. In der Folgezeit arbeiteten die Kanzlei Baum und Robert Kennedy zusammen und erstritten weitere Urteile gegen Monsanto.

Dasselbe Team vertritt auch eine Frau gegen den Pharmakonzern Merck. Sie soll im Rollstuhl sitzen, seit sie den Impfstoff Gardasil erhielt. Wenn Kennedy als Gesundheitsminister ähnlich unethische Praktiken an den Tag bringen würde wie im Fall Monsanto, dann müsste sich Merck auf hohe Strafzahlungen einstellen, weil sich das Unternehmen aktiv darum bemüht hätte, die Risikoaufklärung des Patienten zu verhindern. Die Nervosität in der Pharmabranche ist insoweit nachvollziehbar. Ob seine Gegner Kennedy Zeit lassen werden, ein umfassendes Programm für ein gesünderes Amerika zu gestalten, bleibt abzuwarten. Zunächst muss er vom US-Senat bestätigt werden. Eine Empfehlung vom Finanzausschuss der Parlamentskammer hat Kennedy seit Dienstag in der Tasche.

Hakon von Holst ist Absolvent der Freien Akademie für Medien & Journalismus. Er engagiert sich für das Bargeld und betreibt als freier Journalist eine eigene Webseite.

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Bildquellen: Robert F. Kennedy Jr, bei der Anhörung im Senat. Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Laura Brett