Denken in Widersprüchen
Die offizielle Propaganda zwingt die Menschen dazu, Dinge zu akzeptieren, die nicht zusammenpassen, und so jede Logik zu ignorieren.
Bei einem Gespräch im Bekanntenkreis kam die Rede schnell auf die aktuellen Ereignisse in der Ukraine. Hier, so wurde von einem der Beteiligten eingeworfen, habe eine imperialistische Großmacht ihr wehrloses Nachbarland angegriffen und versuche nun, dieses zu erobern. Auf meine Frage, warum sich die russische Armee nach dem Einrücken in die Westukraine bis kurz vor Kiew plötzlich zurückgezogen habe, wurde erwidert, dass es den Russen nicht gelungen sei, Kiew einzunehmen, und die russischen Truppen sich aufgrund ihrer Misserfolge hatten zurückziehen müssen.
Das damals gleichzeitig Friedensverhandlungen in der Türkei stattfanden und Russland sich aus diesem Grund zurückgezogen hatte, war offenbar gar nicht bekannt. Nein, der Russe habe sich in seiner Inkompetenz übernommen und sei schwächer als angenommen. Doch zugleich, so ging es weiter, stellt der Russe eine große Bedrohung dar und strebe danach, erst die Ukraine und dann den Rest Europas zu erobern, um sein Imperium wiederherzustellen – angefangen beim Baltikum.
Solche logischen Widersprüche hört man in der staatlichen Propaganda ständig und nicht erst seit Beginn des Krieges in der Ukraine. Es ist bemerkenswert, zu welch logisch widersprüchlichem Denken Propaganda die Menschen zwingt. Will man der offiziellen Linie treu bleiben, so muss man zwei sich widersprechende Gedanken gleichzeitig für wahr halten. Das ist genau das, was George Orwell in seinem Werk 1984 als Doppeldenk bezeichnete. Im Roman zwingt das Regime Ozeaniens die Menschen zu eben diesem Doppeldenk, in dem zwei gegensätzliche Gedanken gleichzeitig für wahr gehalten werden müssen. Es ist eine Strategie der Herrschaft, welche die Menschen zur Aufgabe jeder Vernunft und Logik zwingt.
Der Doppeldenk des realen Regimes besteht darin, dass einerseits der Russe nach Europa greift, was es erforderlich macht, massiv aufzurüsten, um ihm bis 2029 etwas entgegensetzen zu können, während er andererseits in der Ukraine überhaupt nicht vorankommt, dort mit Schaufeln aus dem Jahr 1891 kämpft und für seine Raketenproduktion schon seit Mitte 2022 Chips aus Waschmaschinen ausbauen muss, weil er wegen der Sanktionen, die das Land überhaupt strangulieren, gar keine eigenen Chips mehr hat. Ebenso ist das „Regime Putin“ schon seit März 2022 am Ende, der Aufstand des Volkes nur eine Frage der Zeit und der Zusammenbruch Russlands unvermeidlich.
Russland muss also, folgt man der offiziellen Propaganda, eine beständige Bedrohung sein, die morgen schon im Baltikum und in Brandenburg steht, und gleichzeitig vor der unmittelbaren Niederlage und dem Verlust sämtlicher bereits annektierter Gebiete stehen. Das ist ein Widerspruch, der so evident ist, dass er jedem logisch denkenden Menschen eigentlich auffallen müsste, der aber von der offiziellen Propaganda kommentarlos hingenommen wird und so Menschen gar nicht mehr auffällt, die dem System hörig sind.
Der Doppeldenk des herrschenden ozeanischen Regimes in der EU, in Großbritannien und auch in den USA – ein Gebiet, das erstaunlich deckungsgleich mit dem Orwells Ozeanien ist – löscht damit nicht nur das kritische Denken aus, sondern zwingt dazu, selbst jede Grundregel der Logik zu ignorieren, geschweige denn tatsächliche Fakten in der greifbaren Realität, die für Propaganda ja ohnehin keine Rolle spielt. An der Psyche der Menschen kann das nicht spurlos vorbeigehen, was der Grund dafür sein mag, dass die Reaktionen auf die Konfrontation mit Fakten so hysterisch sind und Fakten den Adressaten überhaupt nicht mehr erreichen. Realität in das propagandistisch abgeschlossene Weltbild einsickern zu lassen, würde den Doppeldenk schlagartig ins Bewusstsein zerren – und damit die eigene Identität als wissenschaftlich und logisch denkender Mensch ad absurdum führen. Das gefährdet auch die eigene Stellung im System, ja das ganze Weltbild, in dem der Westen das Wahre, Gute und Schöne ist und der Russe die finstere Bedrohung aus dem Osten.
Und Weltbilder aufgeben, das will nun wirklich niemand – wie man auch in totalitären Coronazeiten gesehen hat.
Felix Feistel veröffentlicht seit 2017 Texte über das aktuelle Zeitgeschehen bei Manova, Apolut, tkp & Multipolar. Mehr auch auf seinem Telegram-Kanal.
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