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Bericht | 26.06.2023
Latin Loser
Jenseits von Palmen, Mojito und Traumstränden erleben die Kubaner vor allem eines: den Mangel an allem. Ein Reisebericht über die zwei Seiten der Karibikinsel.
Text: Mirko Jähnert
 
 

TUI-Cars gibt sich viel Mühe, um unseren für Anfang Juni geplanten Urlaub auf Kuba, dem Heimatland meiner Frau, zu verhindern. Gleich zweimal schreibt der Mietwagen-Verleiher uns eine E-Mail: Aufgrund des Treibstoffmangels auf der Insel sei eine flächendeckende Versorgung mit Benzin nicht gesichert. Wir könnten von unserem Vertrag zurücktreten. Wollen wir aber nicht. Wir wollen sehen, wie Kuba heute tickt, wie die einfachen Menschen leben. Inklusive Treibstoffmangel.

Ankunft

Fast pünktlich senkt sich die Air France-Maschine zum Landeanflug auf Havanna. 15 Stunden Flug mit Zwischenstopp in Paris liegen hinter uns. Schon von weitem sind die Lichter der Landebahn des Flughafens Jose-Marti zu sehen. Aber etwas ist anders. Wer schon mal nachts eine der großen Metropolen angeflogen ist, weiß, wie diese Städte leuchten. Havanna hüllt sich in Dunkelheit. Viele Zufahrtsstraßen und Außenviertel der Stadt sind unbeleuchtet.

Nach der Landung bekommen wir kubanische Gelassenheit zu spüren: Niemand hat es eilig. Pass- und Taschenkontrolle, Gepäckausgabe und Übergabe des Mietautos ziehen sich zwei Stunden lang hin. Aber alles geht glatt. Für zehn Euro und eine Flasche unseres mitgebrachten Mineralwassers wird meine Frau als Zweitfahrer für den Mietwagen eingetragen, was sonst angeblich nicht mehr geht. Noch fünftausend Kilometer und der Hyundai I10 muss zur Durchsicht. Das müssten wir dann erledigen, ist auch kostenlos. Aha.

Mietauto

Geduldig haben unsere Freundin Maydelis und ihr Freund Carlos auf uns gewartet. Und schon den ersten Einkauf für uns erledigt. Wir fahren durch die dunklen Straßen. Das ist doppelt gewöhnungsbedürftig. Zum einen laufen viele Menschen am Straßenrand herum und zum anderen tun sich auch mal größere Schlaglöcher auf, die im Slalom umfahren werden müssen.

Wir beziehen ein kleines Häuschen in La Cumbre, einem Außenbezirk von Havanna. Einfache Ausstattung, für kubanische Verhältnisse dennoch etwas besser. Auf der Terrasse sitzen wir noch eine Weile zusammen. Mein Spanisch ist noch nicht konversationstauglich, daher suche ich die Übersetzer-App auf dem Handy. Dann eine SMS vom Mobilfunkanbieter: Bei 59,90 Euro Kosten wurde die Datennutzung automatisch gesperrt, nach knapp zehn Minuten! Okay, dann eben kein Internet. Meine Frau dolmetscht. Natürlich kommt das Gespräch auf die Lage im Land: Mangel überall, gestiegene Kriminalität, Armut. Wasser und Strom gibt es selbst in Havanna nicht jeden Tag. Amerika und Embargo. Angeblich hat Russland auf Kuba Land erworben. Genaueres weiß man nicht.

Mittlerweile ist es ein Uhr nachts und wir sind müde. Statt Dusche reicht uns heute die Katzenwäsche. Der Wasserhahn im Bad gibt beim Öffnen ein paar glucksende Geräusche von sich. Nur Wasser kommt nicht.

Sonntag

La Cumbre im Süden von Havanna ist ein kleiner Stadtteil, geprägt von typischen, relativ einfachen kubanischen Häusern. Morgens um vier beginnt der Hahn des Nachbarn zu krähen. Auf den kleinen Grundstücken werden neben Hunden und Katzen gelegentlich Hühner oder Tauben gehalten. Auch Ziegen oder Schweine sind möglich. In diese Gegend kommen Urlauber eher selten. Die Bilder von zerfallenen Häusern, kaum befahrbaren Straßen und Müllbergen an der Ecke, von denen sich streunende Hunde ernähren, passen nicht in das touristische Bild von Kuba.

Müll

Heute früh ist wieder Wasser da. Die Zisternen, die viele Häuser auf dem Dach und im Keller haben, füllen sich, bis zur Mittagszeit das Wasser wieder abgestellt wird. Frühstück essen wir bei Maydelis und Carlos. Es gibt Brötchen mit etwas Käse und Hühnchen. Butter oder Eier sind zur Zeit nicht erhältlich. Carlos macht mir noch eine Schüssel Bohnen mit Reis. Viele Menschen in Kuba können sich selbst das nicht leisten. Ein Arbeiter verdient hier 15 bis 20 Euro im Monat, ein Arzt etwa 50. Zum Leben reicht das nicht. Wer kann, verdient sich durch legale oder illegale Geschäfte etwas dazu. Glücklich kann sich schätzen, wer Verwandte im Ausland hat, die regelmäßig Geld schicken. Vom Staat gibt es nur magere Rationen spendiert. Etwa eineinhalb Kilogramm Reis im Monat pro Person, dazu Bohnen. Unterernährung und Nährstoffmangel sind kubanischer Alltag.

Touristen werden auf Kuba wesentlich besser behandelt als die Bevölkerung. Sie bringen Devisen und geben Trinkgeld. Kubaner können das nicht. Gravierend auch die Unterschiede in der Gesundheitsversorgung. Während Einheimische nicht einmal Schmerztabletten bekommen, gibt es für Touristen spezielle Krankenhäuser, in denen es an nichts fehlt.

Keine 15 Autominuten später sind wir dann in Havanna Vieja, der Altstadt. In Sichtweite zum Kapitol essen wir im Kilometro Zero, einem kleinen Restaurant mit Bar und Livemusik. An der Wand Bilder von Fidel Castro und Che Guevara. Die Gäste hier sind allesamt keine Kubaner. Mit rund 40 Euro für das Mittag und Getränke pro Person ist es hier vergleichsweise teuer.

Kapitol

Neben dem frisch renovierten Kapitol ist ein kleiner Park. Ein Wächter passt auf, dass ihn niemand betritt. Nur für Bedienstete des Parlaments, sagt er. Ein Stück weiter warten frisch gewaschene und gepflegte Oldtimer samt Fahrer auf zahlende Gäste. Teure Hotels, viele erst in den letzten Jahren fertiggestellt, sind an der Straße zu sehen. Der Tourismus bringt Geld in Kubas Kassen. Bei den Einheimischen kommt das aber nicht an, sondern versickert auf allen Ebenen des sozialistischen Staatsapparates, sagen viele Kubaner hinter vorgehaltener Hand.

Vom Kapitol führt der Boulevard Paseo del Prado zum Malecon. Hier sieht man Kinder spielen, Erwachsene plaudern und Maler bieten ihre Bilder an. Links und rechts wechseln sich Hotels, alte, renovierte Häuser und schlecht erhaltene Bausubstanz ab. Man könnte meinen, hier sorgt der Staat dafür, dass die Einheimischen ihre Wohnungen nicht mehr bewohnen können, damit an dieser Stelle neue Hotels entstehen können.

Ähnliche Bilder an der wohl berühmtesten Straße Havannas, dem Malecon. Direkt am Golf von Mexiko gelegen, lädt die Mauer zum Setzen und Verweilen ein, während sich die Brandung an ihr bricht. Ein malerischer Ort für Urlaubsfotos.

Zurück gehen wir durch die vielen kleinen und engen Gassen von Havannas Altstadt. Viele Häuser aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts mit metallverzierten Balkonen prägen das Bild. Das Flair kann aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Stadt mit dem Erhalt überfordert ist.

Am Abend kommen wir an einer Apotheke vorbei. Von außen kaum erkennbar, deutet nur das Pappschild „Farmacia“ darauf hin. Die Tür ist geschlossen, aber Ernesto lässt uns herein. Er ist Nachtwächter und passt auf das kaum Vorhandene auf. Nur in einer Handvoll der Kartons sind Medikamente. Die anderen sind leer und wurden umgedreht. Ein paar Flaschen Spülmittel füllen das Regal. Die beiden Gesichter des Landes – hier in Havanna sind sie manchmal nur einen Steinwurf voneinander entfernt.

Montag

Kubanische Ärzte genießen einen guten Ruf. Das Land schickt seine Mediziner in alle Welt, um zu helfen. Wie ist es aber um das Gesundheitswesen im eigenen Land bestellt? Antwort auf diese Frage suchen wir im Klinikum „Miguel Enriquez“. Menschen warten in den dunklen Fluren und Wartebereichen. Alles wirkt alt und abgenutzt, so wie der Vorbereitungsraum mit dem gelben Stuhl samt Holzbrett als Armstütze.

Stuhl

Heimlich machen wir Fotos. In das Labor, in dem Blutproben ausgewertet werden, dürfen wir nur, weil ich mich als Arzt aus Deutschland ausgebe. Alte Geräte, Tische und Stühle machen keinen hygienischen Eindruck. In der Ecke ist ein Waschbecken. Das Wasser läuft, der Hahn ist defekt.

Eine Etage höher liegt eine alte Frau im Wartebereich auf einer Pritsche aus Metallgestänge.

Bevor wir in die Station der Neurochirurgie kommen, spricht uns eine Ärztin an. Carlos erklärt ihr, dass er seinen Bekannten Alejandro sucht – eine Notlüge. Sie kennt keinen Patienten mit diesem Namen, lässt uns aber trotzdem auf die Station. Ein Blick in ein Patientenzimmer offenbart auch hier: Jahrzehnte alte Einrichtung und Betten. Im Patienten-WC läuft das Wasser und einen WC-Sitz gibt es nicht.

In einem Notfallraum liegen zwei Männer auf Metalltischen und warten auf Behandlung.

Beim Verlassen des Klinikums spricht uns ein Mann im gelben Shirt an. Er heißt Armando und hat gehört, dass wir Deutsch sprechen. Dann erzählt er uns von seiner Zeit in der DDR. Dort hat er 20 Monate als Mechaniker gearbeitet. Jetzt ist er als Techniker im Krankenhaus tätig. Er zeigt uns seine kleine Werkstatt.

Armando

Was wir gesehen haben, beschäftigt uns noch eine Weile. Alles, was klassische Aufgaben des Staates sind – Gesundheitsversorgung, Straßenbau, Energieversorgung – ist auf Kuba ein Problem. Dabei sind wir in Havanna, der Hauptstadt. In den ländlichen Gebieten dürfte es vermutlich noch schlimmer sein.

Nachmittags sehen wir die schöne Seite des Landes. Karibisches Flair: Sandstrand, Palmen, türkisfarbenes Wasser. Die Natur hat es gut gemeint mit der Insel. Zu schätzen wissen das die Kubaner offenbar nicht. Plastikflaschen, Büchsen und sonstiger Abfall bleiben einfach liegen. Mülleimer gibt es nicht. Dennoch spürt man hier Lebensfreude. Am Meer vergessen die Menschen ihre Probleme. Gelegentlich kommt jemand vorbei und bietet ein Getränk oder Mangos an. Ein anderer verdient sein Geld, indem er ein Quad für kurze Fahrten am Strand vermietet.

Strand

Besonders originell macht es die kleine Musikgruppe mit einer alten Gitarre. Wenn es uns nicht gefällt, brauchen wir nichts zu bezahlen, sagen sie. Die drei schaffen es, uns mit ihrem Auftritt in wenigen Minuten zu begeistern und haben sich Applaus und einige Pesos redlich verdient.

Dienstag

Heute Vormittag ist die Stromversorgung unterbrochen. Kein Problem, wir sind sowieso unterwegs. Aber vorher kommt Manolo. Er ist 74 Jahre alt und gehört zu den Ärmsten in der Gegend. Sein Leben bestreitet er als Hilfsarbeiter. Er ist im Viertel unterwegs und sucht sich Tätigkeiten. Für uns tauscht er die Gasflasche für den Herd aus. Manolo kommt fast täglich vorbei, nimmt gern einen Kaffee oder etwas zu essen. Er freut sich, wenn er jemanden zum Erzählen hat.

Manolo

Ein Buch von mir liegt auf der Couch. Manolo erzählt, dass er auch gerne liest. Ihn interessiert die Geschichte von Deutschland zur Nazi-Zeit, wie übrigens viele Kubaner. Er fragt, wie Hitler gestorben ist, da es dazu verschiedene Versionen geben würde. Über sein Land meint Manolo, dass es früher besser war. Unter Batista gab es auch Repressionen, aber die Menschen hatten etwas zu essen.

In Havanna hat unterdessen das Alltagsleben begonnen. Menschen laufen durch die Straßen. Viele warten an den Haltestellen auf einen der überfüllten Busse. Andere schieben einfache Verkaufswagen mit Mangos, Zwiebeln und anderen Sachen durch die Stadt. Vor einigen Häusern sind kleine Tische aufgebaut, wo man von gebrauchten Schrauben bis zu kurzen Kabelstücken kaufen kann, was es in den Läden nicht gibt. Vor einem Gemüsestand machen wir halt. Zweiräder aus der DDR-Zeit, wie hier eine ETZ250, sind auf Kuba immer noch weit verbreitet. In den letzten Jahren sind aber auch neue Elektro-Mopeds dazugekommen.

Motorrad

Wir fahren nach Varadero, zu einer Tierärztin. Von einer Tierschutzorganisation aus Deutschland haben wir dringend benötigte Medikamente mitgebracht. Unterwegs werden wir wegen Geschwindigkeitsüberschreitung von einer Polizeikontrolle angehalten. Statt einer möglichen Strafe und einem Fahrverbot von drei Jahren für Mietwagen belässt es der Polizist bei einer freundlichen Erklärung.

Die Tierarztpraxis befindet sich im Haus von Gladis Ochoa. Wir sind positiv überrascht. Für kubanische Verhältnisse scheint die kleine Praxis gut ausgestattet zu sein. Die Hunde und Katzen, die Gladis von der Straße bei sich aufgenommen hat, sehen sauber und gepflegt aus. Viele konnte sie schon weltweit vermitteln. Trotzdem ist Gladis auf Spenden angewiesen. Futter für die Tiere zu organisieren, ist schwierig. Sie freut sich über unseren Besuch und ist dankbar für die Medikamente und ein Ultraschallgerät.

Gladis

Mittwoch

Mit unserer Freundin Maydelis besuchen wir heute eine Schule in La Cumbre. Wir schauen uns einen Klassenraum an, dürfen aber nicht fotografieren. In dem 15 Quadratmeter kleinen Raum ohne Klimaanlage werden rund 20 Kinder unterrichtet. Alle tragen eine Schuluniform. Zu den weißen Blusen gehören in der Unterstufe blaue und in der Oberstufe rote Halstücher. Die Kinder malen oder spielen, sie strahlen und wirken glücklich. Einige beobachten uns interessiert. Im Eingangsbereich hängen Bilder von Che Guevara und eine Geschichte der kubanischen Revolution. Auf dem Schulhof üben Grundschüler gerade das Gelöbnis zur Aufnahme in die Oberstufe. Es geht um Heimat, Arbeit und Werte. In der DDR waren das die Zehn Gebote der Jungpioniere.

Schule

Wir dürfen zur Direktorin. Hier sitzt Sonia Crespo del Risco. An der Wand ein Kalender von 2022. Sie ist stolz auf die Revolution. Sie sagt, sie steht hinter deren Idealen. Sie weiß, dass vieles nicht gut läuft auf Kuba. Aber ohne das Embargo der USA wäre die Situation besser. Es wird emotional. Wir merken, dass sie mit ganzem Herzen für die Kinder da ist. Ihre Tränen laufen, während sie uns erzählt, was die Lehrer trotz fehlender Mittel alles machen, damit es den Schülern gutgeht und sie etwas lernen können. Ist ein Kind krank, unterrichtet der Lehrer auch mal zu Hause. Selbst in der Corona-Zeit haben sie das heimlich gemacht. Vom kubanischen Schulsystem ist sie überzeugt. Hier werden keine Unterschiede zwischen Kindern armer oder besser gestellter Familien gemacht. Darum auch die einheitliche Schuluniform. Vieles kenne ich aus meiner Schulzeit im Osten.

Am Nachmittag spazieren wir wieder zum Malecon. Dort sitzen rund 15 Einheimische und angeln. Das Schild „Prohibido Pescar“ (Angeln verboten) stört sie nicht.

Donnerstag

Im Tal von Viñales wird traditionell Tabak angebaut. Ein Touristenmagnet. Tal und Berge sind Nationalpark und rund zwei Stunden entfernt von Havanna. Auf der Autobahn begegnen wir Fahrrädern, Mopeds, Pferdekutschen und „Fliegenden Händlern“. Einer verkauft Eier und Käse von einem Bauern in der Nähe. Maydelis freut sich, Eier gibt es zur Zeit nicht in Havanna. Unter jeder Autobahnbrücke warten bis zu 20 Menschen darauf, eine Mitfahrgelegenheit zu ergattern.

Hier im Westen Kubas ist die Gegend von bäuerlicher Landwirtschaft geprägt. Statt Maschinen verrichten hier größtenteils noch Ochsen und Pferde die Schwerstarbeit.

Ochse

Nicht nur der Eingang des Tabakhofs Finca Montesino ist sehr gepflegt. Wir dürfen uns die getrockneten Tabakblätter in der Halle ansehen. Neunzig Prozent davon muss er an den Staat zu festgelegten Preisen verkaufen, erzählt uns Inhaber Eulogio Montesino, der den Hof von seinem Vater Marcello übernommen hat. Anschließend zeigt uns ein Mitarbeiter, wie auf traditionelle Art eine Zigarre gerollt und gewickelt wird.

Eulogio führt uns über das Gelände. Auf etwa zehn Hektar wachsen Tabakpflanzen, Mais, Kaffee und Mangos. Neben der Familie arbeiten hier noch acht Männer und sechs Frauen. Stolz zeigt er uns dann einen Bericht über seine Finca in der deutschen Zeitschrift GEO Special von 2009. Touristen finden wohl auch deshalb häufig den Weg hierher. Wir bekommen eine Kostprobe selbst produzierten Kaffees mit Rum, kaufen geröstete Kaffeebohnen, ein paar Zigarren und eine Flasche Rum aus der Gegend.

Rückfahrt. Kurz vor Havanna verkauft jemand Pan con Lechon, Schweinefleisch vom Spieß im Brötchen. Lecker und für den kleinen Hunger zwischendurch unbedingt zu empfehlen.

Freitag bis Sonntag

An diesem Wochenende gönnen wir uns das Melia Las Americas in Varadero. Wer als Tourist in eines dieser 5-Sterne-Hotels kommt, erlebt eine andere Welt. Pool, Abendprogramm, Buffett All inklusive. Dazu Unterhaltung und Tanzeinlagen am Sandstrand von Varadero mit Zugang vom Hotel. Erfrischungsgetränke und Cocktails gibt es kostenlos an der Strandbar. Mit dem echten Kuba hat das nichts zu tun. Allerdings: Vor Gaunern ist man auch hier nicht ganz sicher. Ich sehe, wie eine Deutsche sich aufgeregt beschwert, dass ihr das Portemonnaie mit 800 Euro aus der Tasche gestohlen wurde.

Urlauber in Hotels mit weniger Sternen dürfen nicht so viel erwarten. Ausstattung und Verpflegung sind mit unseren Standards nicht vergleichbar. Besser ist man mit den Casas Particulares bedient. Man wohnt bei den Einheimischen, erlebt deren Gastfreundschaft und kommt so mit den Menschen in Kontakt.

In Gesprächen über das Land hört man über Fidel Castro meist nur Gutes. Der ehemalige Revolutionsführer ist bei den Menschen immer noch sehr beliebt. Er hat viel für sie getan, sagen sie. Seit seinem Tod sei unter Raúl Castro und Miguel Díaz-Canel vieles schlechter geworden. Darum verlassen viele ihre Heimat und überqueren nach einer langen und gefährlichen Flucht durch mehrere Länder illegal die Grenze von Mexiko zu den USA. Ausgerechnet in das Land, das seit 60 Jahren ein Wirtschaftsembargo gegen Kuba verhängt hat. Die Kubaner, mit denen ich gesprochen habe, sehen dieses Embargo allerdings nicht als das Hauptproblem. Es ging ihnen trotzdem schon besser. Ich verstehe ihre Argumentation. Viele unterschätzen inzwischen die Wirkung des Embargos, weil sie damit aufgewachsen sind und ein anderes Leben gar nicht kennen.

Und der Treibstoff? Hat uns TUI-Car zu Recht gewarnt? Einige Tankstellen haben wegen Benzinmangels geschlossen. An den Tankstellen für Kubaner stehen bis zu 50 Fahrzeuge an. Ist das Benzin alle, warten einige auch bis zum nächsten Tag. An den Tankstellen für Touristen – wir haben nur zwei in Havanna gesehen – ging es immer recht schnell. Eine Begrenzung der Sorte „Gasolina Especial“ ist dennoch möglich. Außerhalb von Havanna ist die Kraftstoffversorgung nicht gewährleistet. Unsere Lösung waren Tagesausflüge, für die eine Tankfüllung hin und zurück reicht.

An einer Autobahnbrücke wurden wir von einer Security angehalten und gebeten, jemanden mitzunehmen. Unser Freund Carlos lehnte das ab. Später erklärte er uns, dass die Kriminalität gestiegen ist und man nicht weiß, wen man da mitnimmt. Später wird uns eine Polizistin an einem der Kontrollpunkte darin bestätigen. Besonders im Dunklen ist es schon vorgekommen, dass Touristen von falschen Polizisten oder an fingierten Unfällen angehalten und ausgeraubt wurden. Früher in Kuba undenkbar.

Auf dem Rückweg kommen wir bei Tarara an einem großen Gelände vorbei. Von der Straße aus sind mehrere leerstehende Gebäude zu sehen. Dieses Grundstück soll von Russland gekauft worden sein. Vor vielen Jahren war das mal ein Ferienlager. Danach wurde es für Touristen genutzt. Seit einigen Jahren verfallen die Gebäude. Ich werde zu Hause dazu weiter recherchieren. (In der Tat haben Kuba und Russland kürzlich mehrere Vereinbarungen zur Zusammenarbeit abgeschlossen. In den Bereichen Energieversorgung, Lebensmittelindustrie und Tourismus wird Russland investieren. Quelle: Amerika21)

Montag

Wir diskutieren: Trotz des maroden Gesundheitssystems und fehlender Möglichkeiten einer abwechslungsreichen Ernährung gibt es Menschen auf Kuba, die sehr alt werden. Ist das Wenige auf dem Teller vielleicht gesünder? Bedenkt man, dass es in Kuba wohl keine Pestizide, Düngemittel oder Antibiotika für Nutztiere gibt, ist das denkbar. Mangos zum Beispiel sehen hier nicht so perfekt aus wie in deutschen Läden, schmecken aber viel besser.

Problematisch hingegen ist die Luftverschmutzung in Havanna. Viele mit Diesel betriebene Autos und Busse sind Jahrzehnte alt und ziehen schwarze Rußwolken hinter sich her. Auch Industriebetriebe belasten die Luft. Umweltschutz spielt in Kuba keine Rolle. Ein Luxusproblem, wenn man eine Familie zu ernähren hat.

Etwas außerhalb Havannas ist das Estadio Panamericano, anlässlich der Panamerikanischen Spiele 1991 erbaut. Von weitem macht es einen trostlosen und verlassenen Eindruck. Wir fahren auf das Gelände. Erst jetzt sieht man, dass der Eingangsbereich und die unterste Etage renoviert wurden.

Estadio

Hier befindet sich jetzt ein Sportzentrum zur Ausbildung von Leichtathleten und eine Sportschule. Der Angestellte am Eingang lässt uns dank Maydelis Überredungskünsten – diesmal bin ich ein sportbegeisterter deutscher Kubafan – und ein paar Bestechungspesos in das Stadion. Fotos dürfen wir dort aber nicht machen. Die Anlagen für die Sportler, Laufbahn, Rasen, Hoch- und Weitsprungbahnen wirken professionell und gepflegt. Nur von den Zuschauerrängen blättert die Farbe ab. In der Lobby dürfen wir ein paar Bilder von ausgestellten Trophäen und lebensgroßen Fotos kubanischer Sportstars machen.

Auf dem Rückweg geraten wir in einen kurzen, aber gewaltigen Regenschauer. Die Straßen sind in kurzer Zeit überschwemmt. Ein Abwassersystem, soweit vorhanden, kommt schnell an die Grenzen. In den Sommermonaten sind diese Wetterlagen hier normal.

Dienstag

In der Geschichte Kubas spielen die Ereignisse um die Schweinebucht eine wichtige Rolle. Hier versuchte der amerikanische Geheimdienst CIA 1961 mit einer Söldnerarmee die Regierung Fidel Castros zu stürzen. Am Strand „Playa de Giron“ startete vor 62 Jahren die Geheimoperation. Etwa 1.500 Exilkubaner, die vorher von den Amerikanern auf Guatemala ausgebildet, finanziert und bewaffnet wurden, gingen hier an Land. Vorher hatten Piloten der CIA Flughäfen und Stützpunkte auf Kuba bombardiert, um die kubanische Luftwaffe auszuschalten. Dazu wurden die Bomber mit kubanischen Hoheitszeichen versehen, um die amerikanische Herkunft zu verschleiern. Doch die Kubaner schafften es, innerhalb von nicht einmal 72 Stunden den Spuk zu beenden. Unter Führung von Fidel Castro, versteht sich. Darüber berichtet ein Museum, das diese Tage in Bildern und verbliebenen Gegenständen festhält. Der Kampfruf der Truppen von damals, „Vaterland oder Tod“ („¡Patria o Muerte!“), ist noch heute berühmt. Auch ein kurzer Film über das Geschehen wird gezeigt. Dieser Sieg ist Grundlage für den Stolz der Kubaner.

Giron

Fazit

Auf Kuba begegnen sich Extreme: Heruntergekommene Architektur im spanischen Kolonialstil neben liebevoll restaurierten Sehenswürdigkeiten. Hektisches Großstadtleben in Havanna im Gegensatz zu ländlichen Gebieten mit traditioneller Landwirtschaft. Desolate Infrastruktur konterkariert traumhafte Strände.

Der Reiz des Zurückgebliebenen? Der Charme des Einfachen? Nützt den Menschen vor Ort nichts. Sie hoffen auf Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation. Das wünschen auch wir uns. Die Geschichte der Insel braucht ein neues Erfolgskapitel.

Mirko Jähnert hat am Kompaktkurs Journalismus an der Freien Akademie für Medien und Journalismus teilgenommen.

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