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Bericht | 10.05.2023
Heizen auf Pump(e)
Die Wärmepumpe ist ein Prestigeprojekt der Grünen. Im Osten drohen Verschuldung und Wertverlust beim Wohneigentum.
Text: Mirko Jähnert
 
 

„Morgen ist das Geld auf Ihrem Konto“, sagt der Bankberater zu Familie Müller (Name geändert). Das Rentnerehepaar aus Mecklenburg-Vorpommern hat soeben einen Kredit über 4000 Euro aufgenommen, um die Gastherme im Haus zu erneuern. „Die war zwar noch nicht kaputt, aber schon etwas älter“, sagt Frau Müller. „Man weiß ja nicht, was die Zukunft bringt.“ Solche Gespräche dürften gerade häufiger bei den Kreditinstituten im Land stattfinden. Die Unsicherheit bei den Eigentümern ist groß. Grund dafür ist die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes GEG. Damit mutiert der Staat zum Türsteher vorm Heizungskeller. Was reinkommt, entscheiden Lobbyisten von Denkfabriken in Habecks Ministerium. Die familiären Verbindungen des Staatssekretärs Patrick Graichen sind gerade in aller Munde.

Besonderheiten im Osten

Für viele Eigentümer, besonders im ländlichen ostdeutschen Raum, können die neuen Vorschriften für die Erneuerung der Heizung allerdings zur Schuldenfalle werden, so sie denn überhaupt kreditwürdig sind. Die vier Bundesländer mit dem geringsten verfügbaren Einkommen: Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Schlusslicht Thüringen. Schon deshalb ist eine abgezahlte Immobilie hier für viele als Altersvorsorge fest eingeplant. Das wird nun deutlich schwieriger. Die Menschen im Osten Deutschlands haben zudem im Schnitt weniger als die Hälfte an verfügbarem Vermögen als ihre Landsleute in den alten Bundesländern.

„Wir sind gerade mitten in einer Welle“, sagt Martin Schatull, Inhaber einer Heizungsbau- und Sanitärfirma in Röbel an der Müritz. Schatull meint die Umrüstungen an Heizsystemen in seiner Region. Wie überall im Osten wurden nach der Wende in den 1990er Jahren Holz und Kohle gegen Gas und Öl getauscht. Viele Heizungen werden demnächst zur Erneuerung fällig. Das bestätigt auch eine Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) aus dem Jahr 2019.

Technische Voraussetzungen für optimalen Betrieb

Also auf zur Wärmepumpe? Die Idee klingt gut: Man bringt die Wärme, die Luft, Erde oder Grundwasser bieten, mit einem Verdichter auf eine höhere Temperatur und speist sie in den Heizkreislauf des Hauses ein. Das Prinzip kennen wir vom Kühlschrank. Unterschied: Hier wollen wir, dass Wärme abgegeben wird. Der Verdichter wird durch einen Elektromotor betrieben – Kostenfaktor Nummer eins einer solchen Anlage. „Das Konzept ist gut“, sagt Martin Schatull. „Wir bewegen uns aber in engeren physikalischen Grenzen, als wir es beim Verbrennen bisher gewohnt sind. Wenn wir die Betriebsbedingungen beachten, kann die Wärmepumpe trotzdem Energie und Kosten sparen.“

Wirklich günstig arbeitet so eine Heizung, wenn der Temperaturunterschied zwischen Boden-Luft-Wasser-Wärme und Vorlauftemperatur für das Heizen möglichst gering ist. Denn während herkömmliche Heizungen 65 Grad liefern, schaffen Wärmepumpen nur 35 bis 55 Grad. Damit die Wohnräume trotzdem warm werden, braucht man Dämmung oder große Flächen – Fußbodenheizungen zum Beispiel.

Kosten finanzieren oder Haus verkaufen?

Dass wir langfristig von fossilen Brennstoffen wegmüssen, wird kaum jemand bestreiten. Der neue Gesetzentwurf aus dem Hause Habeck setzt aber viele Eigentümer unter Druck. Wenn die Öl- oder Gasheizung nicht mehr repariert werden kann, werden für die Umrüstung mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien verlangt. Die Übergangsfristen sind nur ein schwacher Trost und beseitigen die Probleme nicht.

Das Umstellen auf Wärmepumpe kostet für ein Einfamilienhaus gut 25.000 Euro. Dazu kommen unter Umständen noch mehrere Zehntausend Euro für eine energetische Sanierung. Zwar lässt sich ein Haus auch mit Wärmepumpe beheizen, wenn es nicht allen Ansprüchen genügt, nur verbraucht die Anlage dann mehr Strom. Wird die Dämmung erst später gemacht, kann es laut Schatull passieren, dass zu groß geplant ist. Dann schaltet sich die Anlage öfter ein und aus, was gerade beim Hochfahren des Verdichters erhöhten Strombedarf bedeutet.

Für die oft älteren Menschen in den ländlichen Regionen Ostdeutschlands sind die Kosten einer solchen Umrüstung oft nicht zu stemmen. Da rettet auch die geplante Förderung von 30 Prozent nicht. Wenn nur noch ein Ehepartner am Leben und auf schmale Alters- und Witwenrente angewiesen ist, reicht das Geld gerade so, um das Haus halten zu können. Es bleibt also nur der Gang zu einem Kreditinstitut. Monatsrate für das neue Heizsystem: 350 bis 400 Euro. Da fallen viele Rentner oder Arbeitnehmer im Osten bei der Kreditprüfung durch. Der Eine oder Andere wird überlegen müssen, wegen zu hoher Kosten sein Haus zu verkaufen. Doch auch hier sorgt Habecks Gesetz für Einbußen. Der Käufer ist gezwungen, das Heizsystem umgehend umzurüsten. Das führt natürlich zu sinkenden Immobilienpreisen bei Öl- und Gasheizungen. Da die Häuser im Osten ohnehin schon die niedrigsten Marktpreise haben, werden die Eigentümer in den strukturschwachen Regionen hier gleich nochmal bestraft. Selbst wer sich eine Finanzierung leisten kann, muss mehr berappen als ein Eigentümer im Westen. Weniger Eigenkapital und geringer Beleihungswert führen zu höheren Kreditzinsen.

Kommunen unter Kostendruck

Von den Grünen und ihrem Prestigeobjekt Wärmepumpe hält Bernd Sagunski nicht viel. Der Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft „Tau Hus“ (plattdeutsch für „Zu Hause“) verwaltet von seinem Büro in der größten Feldsteinscheune Deutschlands (Foto) in der Nähe von Röbel aus mehr als 1000 Wohneinheiten. Mit weniger als einer Handvoll Mitarbeitern kümmert er sich vorwiegend um den kommunalen Wohnungsbestand in der Region. Im Moment werden die alten Ölheizungen hier meist gegen Heizsysteme mit Gasanschluss ausgetauscht. Für die ohnehin klammen Kommunen ist die Entscheidung eindeutig, so Sagunski. „Wo eine Öl- beziehungsweise Gasheizung mit rund 15.000 Euro zu Buche schlägt, müsste die Kommune für eine Wärmepumpe über 40.000 Euro hinlegen.“ Das sei einfach nicht drin.

Die Feldscheune in Bollewick

Die Eigentümer können zwar jährlich elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Miete umlegen, man kann sich aber leicht ausrechnen, dass das vor allem in kleineren Häusern für einige Mieter schwierig wird. Am Ende rechnet sich die Maßnahme für die Kommune möglicherweise nicht einmal.

Der Faktor Mensch

Und der Mensch? Eine Wärmepumpe funktioniert anders als die herkömmlichen Heizsysteme. Die Umgewöhnung wird besonders den Älteren schwerfallen. Ein neues Heizverhalten ist aber unabdingbar. Wir sind es gewöhnt, die Heizung einzuschalten, wenn wir frieren, und auszuschalten, wenn uns warm ist. Das widerspricht dem System der Wärmepumpe, die ihre Wärme über viele Stunden gleichmäßig abgeben muss.

Wenn die Umrüstungen zunehmen, sieht Martin Schatull nicht nur die Verbraucher, sondern auch einen Großteil der Heizungsbaufirmen mit Problemen konfrontiert. Jedes System ist individuell und objektbezogen konfiguriert. So einfach wie das Ein- und Ausbauen einer Gasheizung ist der Austausch dann nicht mehr. Ein guter Heizungsbauer ist nicht automatisch ein guter Wärmepumpeninstallateur. Hier müssen die Firmen in Aus- und Weiterbildung investieren.

Alternativen zu wenig geprüft

Der Gesetzentwurf aus dem Wirtschaftsministerium rühmt sich dafür, technologieoffen zu sein. Rein praktisch läuft aber alles auf die Wärmepumpe hinaus. Dabei gibt es auch Alternativen in der umweltfreundlichen Energieversorgung, die mindestens eine gleichberechtigte Behandlung verdient hätten. Etwa Heizkonzepte der Gemeinden, die eine Versorgung mit Fern- oder Nahwärme für die Häuser in der Region anbieten können. Ein Musterdorf an der Mecklenburgischen Seenplatte ist da die Gemeinde Bollewick, ein sogenanntes Bioenergiedorf. Hier versorgt ein Landwirt durch eine Biogasanlage die Haushalte des Ortes mit Nahwärme. Auch „Tau Hus“ hat hier den Geschäftssitz. Und sollte es mal Probleme mit der Wärmeversorgung geben, sagt Bernd Sagunski, könnten die alten Ölbrenner in der Scheune wieder angeworfen werden und das Dorf vorübergehend mit Wärme versorgen. Eine andere Idee: Hackschnitzelheizungen. CO2-neutral und günstig. Wie beim Biogas kann der Brennstoff hier direkt vor Ort gewonnen werden.

Martin Schatull sagt, dass es gar nicht nötig sei, funktionierende Heizungen auszutauschen. Die Heizkörper mit ihren Thermostatventilen müssten mit der Anlage kommunizieren, also Betriebszustände analysieren, Werte abgleichen oder die Heizkurve automatisieren können. Schatull: „Die technischen Voraussetzungen existieren, werden aber nicht weiterentwickelt. Dies ist für mich der wichtigere und bessere Schritt.“

Was bleibt? Die Unsicherheit sorgt dafür, dass die Heizungsbauer kaum noch freie Termine haben. Es werden schnell noch alte Öl- und Gasheizungen erneuert, um dann für viele Jahre Ruhe zu haben. Je nach Lage und Örtlichkeit gäbe es dabei unterschiedliche Möglichkeiten, umweltfreundliche Heizsysteme zu etablieren. Ob die Politik sich die Mühe macht und auf regionale Besonderheiten eingeht, wird man abwarten müssen.

Mirko Jähnert hat am Kompaktkurs Journalismus an der Freien Akademie für Medien und Journalismus teilgenommen.

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Bildquellen: Pixabay, Gerd Altmann