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Artikel | 25.02.2023
Robert und die Narrative
Robert Habeck bekommt einen bedeutenden Publizistikpreis – obwohl er Politiker ist. Die Begründung sollte man sich genauer ansehen.
Text: Daniel Holfelder
 
 

Der Ludwig-Börne-Preis ist eine der renommiertesten Auszeichnungen der deutschen Publizistik. Der Preisträger erhält nicht nur 20.000 Euro, sondern auch die Gewissheit, im Bereich des „Essays, der Kritik und der Reportage Hervorragendes geleistet zu haben.“ So steht es zumindest auf der Homepage der Ludwig-Börne-Stiftung.

In diesem Jahr heißt der Preisträger Robert Habeck. Das ist kein Witz. Habeck, zur Erinnerung, ist Vizekanzler, Wirtschaftsminister und ehemaliger Bundesvorsitzender der Grünen. Vor seiner politischen Karriere war er Kinderbuchautor und hat den „Goldenen Lufti“ gewonnen. Nun also der Ludwig-Börne-Preis.

Zu verdanken hat er diese Ehre Jürgen Kaube, einem der Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Kaube, den der Vorstand der Börne-Stiftung in diesem Jahr zum Preisrichter ernannt hat, begründet seine Wahl wie folgt:

„Wir leben in der steten Gefahr, dass im politischen Gespräch Argumente nichts mehr zählen, sondern 'Narrative'. Habeck ragt unter denen heraus, die sich dem als Politiker und politischer Publizist widersetzen. Gesellschaftswissenschaftlich informierte und lebensweltlich grundierte Reflexion prägen seine Äußerungen. In den Zwängen der Politik erkämpft er sich auf beeindruckende Weise Freiräume durch Nachdenklichkeit. Das lässt ihn in der Tradition des politischen Publizisten Ludwig Börne stehen.“

Liebling der Medien

Eines ist sicher richtig: Als ausgebildeter Literaturwissenschaftler hebt sich Habeck von seinen Parlamentskollegen ab. Schon allein dadurch, dass er seine politischen Schriften wohl wirklich selbst verfasst. Über deren Qualität gibt das freilich ebenso wenig Aufschluss wie Kaubes Laudatio.

Die ist aus einem anderen Grund bemerkenswert. Denn der FAZ-Mann, 2015 selbst Börne-Preisträger, bewundert Habeck für dessen Nachdenklichkeit. Damit würde sich der Minister der Gefahr widersetzen, Narrative über Argumente zu stellen.

In Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall. Habeck ist kein besonders „nachdenklicher“ Politiker. Er verkauft sich lediglich als solcher. Mit diesem Narrativ hat er es in höchste Regierungsämter und an die Spitze der Beliebtheitswerte geschafft.

Das sei ihm gegönnt. Politik ist „show business for ugly people“, wie der US-Politikberater Paul Begala einst trefflich feststellte. Habeck beherrscht die Show und sieht noch dazu ganz manierlich aus. Vor allem aber vertritt er als Grüner die Positionen des medialen Zeitgeists. Die linksgrüne Presse lässt deshalb nichts auf ihn kommen. Wie sehr sich Habeck auf den journalistischen Schutzwall verlassen kann, zeigte das Echo auf seine irritierende Insolvenz-Definition bei Sandra Maischberger. Im Nu hatten ZDF und Co. mit Marcel Fratzscher einen Experten ausgegraben, der die Kuh vom Eis holte. Auch die Posse um den 350.000 Euro-Fotografen des Ministers, ein weiterer Beleg der wohlkalkulierten Imagepflege, sorgte kaum für Schlagzeilen.

Wo Kaube recht hat

Als Liebling der Medien hat Habeck allerdings ein Problem: Er war noch nie gezwungen, einen originellen Gedanken zu formulieren. Im Gegenteil, jede halbwegs streitbare These könnte das sofortige Ende des „nachdenklichen“ Robert bedeuten. An seine Stelle träte rasch der „Schwurbler“-Habeck oder eine andere Schmähvokabel aus dem Fundus der Wohlmeinenden. Man stelle sich vor, Habeck würde zu Verhandlungen im Krieg zwischen Russland und der Ukraine aufrufen. Oder er hätte Zweifel an den Coronamaßnahmen geäußert. Gott behüte.

Von einer Opposition zur Macht, wie sie das Werk des Revolutionärs Ludwig Börne (1786 bis 1837) auszeichnete, ist der grüne Vizekanzler soweit entfernt wie Parteifreund Hofreiter von einem gepflegten Haarschnitt. Trotzdem ist Habecks Wahl kein Grund für Verdrießlichkeit. Vielmehr sollten wir uns Jürgen Kaubes Urteilsbegründung zu Herzen nehmen. Gegen die stete "Gefahr, dass im politischen Gespräch Argumente nichts mehr zählen, sondern Narrative“, lohnt sich der Widerstand tatsächlich.

Daniel Holfelder ist Student an der Freien Akademie für Medien und Journalismus.

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Bildquellen: Björn Eichenauer, Pixabay