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Artikel | 13.02.2023
Grillen mit gutem Gewissen
Technokraten treiben die Transformation unserer Gesellschaft in nahezu allen Bereichen voran. Das oberste Gebot: Alles muss klimaneutral sein – auch die Erzeugung von Lebensmitteln.
Text: Marcel Weis
 
 

Nach dem Mehlwurm und der Wanderheuschrecke gelten nun die Hausgrille und Buffalowürmer in der EU als neuartiges Lebensmittel. Während in den Leitmedien der Verzehr von Insekten regelrecht beworben wird, sind die Reaktionen in den sozialen und Alternativmedien meist von Ekel geprägt. Die einen zählen vermeintliche Vorteile auf, die anderen mögliche Nachteile. Obwohl es bei den Verordnungen hauptsächlich um die Beimischung von Insektenpulver geht, könnten Insekten in der Zukunft auch den Konsum tierischer Produkte im Allgemeinen beeinflussen.

Denn was bei der Debatte nicht beachtet wird: Der Übergang vom klassischen Fleischverzehr (Huhn, Schwein, Rind) zu Insekten ist innerhalb der vorherrschenden Ideologie des Westens nur logisch und wird in den nächsten Jahren stark an Bedeutung gewinnen. Die konventionelle Landwirtschaft passt nicht in die klimaneutrale Gesellschaft – der Insektenzüchter aber schon.

Einflussreiche Gönner

Das World Economic Forum (WEF) zählt zu den Fürsprechern von Insektennahrung. Auf der Website der Lobby-Organisation werden der Verzehr und die Zucht von Insekten in zahlreichen Beiträgen angepriesen. Man versucht, dem Bauern das Leben als Insektenfarmer schmackhaft zu machen: keine Probleme mehr mit Schlamm, Dreck und Schmutz. Die körperlich anspruchsvolle Arbeit bei Wind und Wetter gehöre der Vergangenheit an.

Laut WEF seien Insektenfarmen eine umwelt- und vor allem klimafreundliche Möglichkeit zur Lösung der weltweiten Hungerkrise. Jene Krise werde sich durch das Bevölkerungswachstum und den steigenden Bedarf an tierischen Proteinen in den nächsten Jahrzehnten verschärfen.

Die Insektenindustrie wächst rasant. Derzeit werden bereits über eine Billion Insekten pro Jahr auf der ganzen Welt gezüchtet. Lobende Erwähnung findet hierbei der Bau der weltweit größten Mehlwurmfarm in Amiens, Frankreich. Das Projekt der Firma Ÿnsect wurde mit 20 Millionen Euro von der EU-Kommission mitfinanziert. Selbiges Unternehmen stellte unter anderem den dort kürzlich genehmigten Antrag zur Zulassung der Buffalowürmer.

Der Welthunger wird in Deutschland bekämpft

Wir erinnern uns: Es geht um den Welthunger. Wer hierzulande durch eine Fußgängerzone spaziert, wird schnell feststellen: Der durchschnittliche Deutsche leidet keinen Hunger. Trotzdem sind Medienleute und Politiker davon überzeugt, dass Krabbeltiere in Zukunft auch auf heimische Teller gehören. Exemplarisch sei hier der Meinungsbeitrag der Journalistin Minh Thu Tran „Insekten essen: Wir sollten unser Ekelgefühl überwinden!" auf einer WDR-Website erwähnt. In Vietnam habe sie bereits Larven der Seidenspinnerraupe gegessen. „Wird nicht mein Lieblingsessen, aber kann man machen."

Der Elefant im Raum: Vietnam. Sie hat die Larven in Vietnam gegessen – nicht in Europa, nicht in Deutschland. Der Verzehr von Insekten mag fester Bestandteil asiatischer Kulturen sein – uns ist er jedoch völlig fremd.

Um die kulturellen Schranken weiß auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Dennoch müsse der Weg beschritten werden, Insekten auf unseren Speiseplan zu holen. Alleine schon wegen der positiven Ökobilanz. „Von der Sache her ist es durchaus geboten." Das kulinarische Urteil des Grünen-Politikers ist ähnlich überzeugend wie das der Journalistin. Es sei kein besonderes Geschmackserlebnis gewesen, aber schlecht habe es nicht geschmeckt.

Bauernhof für Technokraten

Warum also könnten Insektenfarmen der etablierten Landwirtschaft gefährlich werden? Weil es sich um einen neuen Wirtschaftssektor handelt, der auf dem Papier den heimischen Fleischerzeugern in fast allen Belangen überlegen ist. Niedrigere Haltungskosten, geringerer Ressourcenverbrauch und das auf wesentlich weniger Fläche. Die Insekten werden in Boxen gezüchtet, dazu etwas Substrat und Futter aus Essensresten, künstliches Licht und Belüftung. In den Anlagen von Ÿnsect werden diese Kisten 20 Meter hoch gestapelt. Zudem spielt es keine Rolle, ob an einem schlechten Tag ein paar Millionen Tiere durch einen Fehler umkommen – es sind ja schließlich genug da. In den großen Farmen werden bereits viele Arbeitsschritte von Robotern übernommen, zukünftig soll alles vollautomatisch von künstlicher Intelligenz gesteuert werden.

Politisch unerwünscht

Ob beim Verbraucher überhaupt eine Nachfrage nach Insektenprodukten besteht, spielt für das Wachstum der Insektenindustrie in den nächsten Jahren eine untergeordnete Rolle. Zurzeit werden in unseren Breitengraden die meisten Erzeugnisse noch als Futter für die Tierzucht oder für Haustiere verwendet. Und obwohl Produkte für den Menschen in den letzten Jahren immer wieder aus den Supermarktregalen entfernt wurden, dürfte sich dieser Trend in Zukunft umkehren. Denn Insekten als Nahrung passen perfekt in das Narrativ des menschengemachten Klimawandels. Insekten verursachen zwei Gramm Treibhausgase pro Kilogramm Körpergewicht, eine Kuh dagegen 2,8 Kilo.

Das von politischen, wirtschaftlichen und medialen Eliten gesetzte Hauptthema ist Grundlage für die Transformation unserer Gesellschaft – sofern deren Deutungshoheit bestehen bleibt. Für die Bauern heißt das im Klartext: Im klimaneutralen Utopia wird Tierhaltung maximal eine Randerscheinung sein – und ihr Produkt dementsprechend teuer.

Die heimische Landwirtschaft steckt bereits in der Krise. In den letzten 20 Jahren hat sich die Zahl der Höfe in Deutschland halbiert. Die Auflagen der Politik zum Tier- und Klimaschutz oder Verordnungen für Düngemittel machen gerade Klein- und Familienbetrieben den Garaus. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, könnten Insekten zur preiswerten Fleischalternative werden – denn Ekel lässt sich bekanntlich überwinden.

Marcel Weis ist Student an der Freien Akademie für Medien und Journalismus.

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Bildquellen: ivabalk und Christoph Meinersmann, Pixabay