Das folgende Interview ist an der Freien Akademie für Medien & Journalismus entstanden. Beide Gesprächspartner saßen in einem Kurs, in dem diese Textform trainiert wurde. Beate Strehlitz, die Interviewerin, war 2011 auf Kuba wandern und wollte nun wissen, wie es den Menschen dort heute geht.
Habt ihr noch Familie in Kuba?
Mirko Jähnert: Die Familie meiner Frau lebt inzwischen in Miami. Freunde und Bekannte sind noch in Kuba. Kuba bleibt die Heimat meiner Frau, auch wenn sie seit 20 Jahren in Deutschland lebt und jetzt hier zu Hause ist.
Wann wart ihr zuletzt auf Kuba?
Im Juni 2023.
Welche Veränderungen habt ihr festgestellt?
Der Lebensstandard der Kubaner hat sich weiter verschlechtert. Wir waren vorher drei Jahre nicht dort gewesen. Die Lebensumstände sind prekär geworden. Die Häuser und die Infrastruktur verfallen weiter. Ich denke auch an die Benzinversorgung. An den Tankstellen für Einheimische sind immer lange Schlangen. Die Kubaner stellen sich auch mal über Nacht an. Für Touristen gibt es in Havanna zwei Tankstellen. Auch dort gibt es nicht immer Benzin. Einen Mietwagen kann man ausleihen, aber es ist unsicher, wann der Tank gefüllt werden kann. Die Tour sollte man so planen, dass das Benzin für die Rückfahrt reicht.
Wie steht es um die Lebensfreude?
Die Kubaner sind nach wie vor sehr gastfreundlich, herzlich und lebensfroh. Sie machen das Beste aus ihrer Situation. Sie helfen sich untereinander. Weil alles knapp ist, handeln sie mit den normalen Dingen des Lebens, wie Schrauben oder Kabel. Am wichtigsten ist für sie, die Familie satt zu bekommen. Für Lebensmittel gibt es nach wie vor Zuteilungen über Lebensmittelkarten, die aber nicht zum Überleben reichen. Ihre Lebensfreude nehmen sie aus dem schönen Wetter, aus Musik und Tanz.
Fidel Castro, einer der Revolutionsführer, war 49 Jahre lang Staats- und Regierungschef. Was hat sich seit seinem Tod 2016 verändert?
Er hat nach wie vor ein hohes Ansehen und ist beliebt bei den Menschen. Unter seiner Regierung ging es den Menschen besser.
Das Land hat sich geöffnet. Beispielsweise gibt es mehr Zugangsmöglichkeiten zum Internet. Nutzen die Menschen das und haben sie Vorteile davon?
Kubaner gehen gerne ins Internet. Sie wollen etwas aus der Welt erfahren, insbesondere aus Deutschland. Oft sieht man Menschen vor Hotels stehen, wo es WiFi gibt. Ich selbst hatte dort kein Internet. Manchmal wird es auch von der Regierung gestört. Man möchte vermeiden, dass Proteste von außen gesteuert werden. Solche Proteste gibt es im Land. Auch die Möglichkeit, untereinander zu kommunizieren und sich zu verabreden, soll so eingeschränkt werden.
Warum interessieren sich die Kubaner besonders für Deutschland?
Einige haben früher in der DDR gearbeitet. Ich habe zum Beispiel den Hausmeister eines Krankenhauses gesprochen, der als Techniker in der DDR gewesen ist. Diese Menschen interessiert sehr, wie sich Deutschland verändert.
Wie steht es um die medizinische Versorgung? Das Gesundheitssystem und die Ausbildung der Ärzte hatten ja immer einen guten Ruf.
Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist schlecht. Es gibt keine Medikamente. Selbst Schmerzmittel und einfache Medikamente für Magen-Darm-Probleme fehlen. Die Krankenhäuser für Einheimische sind katastrophal ausgestattet. Eine Freundin meiner Frau hat uns in eines geschmuggelt, indem sie mich als Arzt aus Deutschland vorgestellt hat. Dort möchte man nicht liegen müssen. Bettgestelle aus den 1950ern und 1960ern. Die sanitären Einrichtungen sind katastrophal. Keine Klobrillen. Im Waschbecken läuft immer das Wasser, weil der Wasserhahn kaputt ist. Es gibt Krankenhäuser für Touristen, die gut ausgestattet sind. Das ist auch eine Einnahmequelle für Kuba. Die Ausbildung der Ärzte ist immer noch sehr gut. Kubanische Ärzte haben zum Beispiel in der Corona-Zeit in Italien geholfen. Kuba bildet nach wie vor Ärzte für andere Länder aus.
Was sind deine Empfehlungen für Menschen, die nach Kuba reisen wollen?
Auf keinen Fall sollte man eine Pauschalreise buchen und zum Beispiel den Urlaub in einem Hotel in Varadero verbringen. Dort erfährt man nichts über das Land und seine Menschen. Es gibt Privatquartiere. Dort kommt man mit Einheimischen in Kontakt, sieht wie sie leben. Man sollte nicht nur die Sehenswürdigkeiten anschauen, sondern auch mal um die Ecke schauen, wo die Häuser verfallen und die Menschen in unglaublichen Wohnverhältnissen leben. Wenn es mal Benzin gibt, kann man Tagestouren ins Land machen, um die Bauern bei ihrer Arbeit zu sehen. Auch Tabak-Anbau und Zigarren-Herstellung sind interessant.
Einen bebilderten Reisebericht hat Mirko Jähnert auf seinem Blog „Re-Zensiert“ und vorher auch hier auf Medien+ veröffentlicht.