Breese in der Marsch, ein kleines Dorf im Nordosten von Niedersachsen. Jörg-Heinrich Siemke betreibt dort mit seinem Bruder Axel seit vielen Jahren eine Biogasanlage mit einem eigenen Nahwärmenetz, das die meisten Haushalte der Gemeinde autark mit Wärme versorgt. Durch den bevorstehenden Wegfall der Förderung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) droht der Biogasanlage nach 20 Jahren das wirtschaftliche Aus. Die Dorfbewohner wollen das Nahwärmenetz jedoch in jedem Fall erhalten – deshalb sind kreative Lösungen und mehr Zusammenhalt in der Dorfgemeinschaft entstanden.
EEG-Förderung und Wärmenetzanschluss hatten die Biogasanlage in Breese in der Marsch und Gümse rentabel gemacht. „Wirtschaftlich passte es halbwegs, aber nur durch die Wärmenetze. Ohne das Thema Wärme wäre es schon in der Vergangenheit schwierig geworden“, sagt Jörg-Heinrich Siemke. Er ist gebürtiger Wendländer, Bauingenieur und Kommunalpolitiker im Landkreis Lüchow-Dannenberg und als solcher vertraut mit den Tücken der regionalen Energieversorgung.
In seinem Büro in Breese (Foto) erklärt Siemke: „Über die Jahre des Anlagenbetriebs gab es Kostensteigerungen in allen Bereichen, die zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Biogasanlage 2006 und deren Anschluss an die Wärmenetze in Breese 2007 und Gümse 2011 nicht absehbar waren.“ Diese Kostensteigerungen umfassen Rohstoffe, Umweltauflagen und Aufzeichnungspflichten sowie die Kosten für gesetzlich vorgeschriebene technische Abnahmen. „Das waren alles Dinge, die zu Beginn nicht so kalkuliert worden sind und die Rentabilität über die Laufzeit erheblich belastet haben“, sagt Siemke.
Die Einspeisevergütungen für Wärme und Strom haben sich in den vergangenen 20 Jahren nicht wesentlich verändert. „Im normalen Modus ist es halt schwierig. Großartige Überschüsse lassen sich nicht erwirtschaften“, sagt Siemke. „Zusätzliche Investitionen können so nicht angestoßen werden.“ Der nun anstehende Wegfall der EEG-Zulage bedeutet wirtschaftlich das Ende für die Anlage, die Siemke mit seinem Bruder Axel bislang in der Rechtsform der GbR geführt hat.
Die Dorfbewohner wollen das Wärmenetz trotz steigender Energiepreise nicht aufgeben und haben die Verantwortung für die Fortführung des Netzes in Eigenregie übernommen. Zwei Arbeitsgruppen im Dorf kümmern sich um die rechtliche Gestaltung, Wärmeplanung, Finanzierung und technische Neuausrichtung.
„Solange man sich innerhalb einer GbR verträgt, ist diese Rechtsform kein größeres Problem“, sagt Siemke. Die Zusammenarbeit mit seinem Bruder Axel hat viele Jahre reibungslos funktioniert. Doch wenn ein ganzes Dorf mitbestimmen soll, passt die GbR nicht mehr. „Wir werden deshalb das ganze Konstrukt umstellen und eine Bürgergenossenschaft gründen“, erklärt Siemke. Dann sind künftig alle angeschlossenen Haushalte als Anteilseigner am Wärmenetz direkt beteiligt.
Für die zukünftige Wärmeversorgung ohne die Biogasanlage muss die Genossenschaft eine neue Wärmeplanung erstellen. Siemke, der bereits die Wärmeplanung für das alte Wärmenetz konzipiert hat, begleitet diesen Prozess. Gemeinden sind mittlerweile gesetzlich verpflichtet, Wärmeplanungen in kommunaler Verantwortung durchzuführen. „Viele Leute verstehen unter Wärmeplanung: Die Kommune plant jetzt für mich, wie ich künftig mein Haus heize. Das ist Quatsch“, sagt Siemke. „Das kann keine Stadt leisten. Denn hierfür hat sie weder das Geld noch die notwendigen Kapazitäten.“
Die regionale staatliche Wärmeplanung soll lediglich aufzeigen, in welchen Bereichen energetische Maßnahmen Sinn machen. Dies sei in Neubaugebieten der Fall, in denen die Gemeinde über den Bebauungsplan Gemeinschaftsanlagen vorschreiben könne. Auch bei baugleichen Häusern aus einer bestimmten Zeitperiode könnten vergleichbare Probleme effektiver angegangen werden. „In diesen Fällen mag das funktionieren, da kann die Kommune unterstützen – planerisch, vertraglich oder wie auch immer. Alles andere ist illusorisch“, sagt Siemke. Die Eigeninitiative der Bürger bleibt entscheidend.
Unverbaute ländliche Regionen haben gegenüber Städten Vorteile. Wärmenetze erfordern Leitungen mit einem großen Durchmesser, die in die Erde gebracht werden müssen. Auf dem „flachen Land“ mit viel Wiesen, Äckern und unbefestigten Straßenrändern ist dies leichter umzusetzen. In Ballungszentren entstehen hingegen schnell Platz- und Kostenprobleme, die in die Millionen gehen.
Die Arbeitsgruppe klärt, welche erneuerbaren Energiequellen eingebunden werden können, welche Förderprogramme zur Verfügung stehen und welche Beträge die Mitglieder der Bürgergenossenschaft selbst aufbringen müssen. Die Erstverlegung von Wärmeleitungen ist teuer. Bei einem üblichen Einzugsbereich für Nahwärmenetze von bis zu zwölf Kilometern kommen schnell drei bis vier Millionen Euro zusammen.
Siemke: „Das Netz, die Übergabestation, das ist bei uns in Breese unser Schätzchen. Das ist viel wert, denn das ist bezahlt.“ Die Finanzierung des neuen Wärmekonzepts in Breese betrifft daher nur den Ersatz der alten Biogasanlage durch neue Energiequellen.
Da das Wärmenetz in Breese eine Vollversorgung anbietet, konnten die angeschlossenen 60 bis 70 Haushalte ihre Heizungen ausbauen. Würde das Wärmenetz eingestellt, müssten sie erneut eigene Insellösungen schaffen. Bei kalkulatorischen Kosten von 30.000 bis 40.000 Euro pro Heizung geht es um ein Investitionsvolumen von insgesamt 1,8 bis 2,8 Millionen Euro.
Die Planungsgruppe kalkuliert derzeit die alternative Zentrallösung. „Wir werden da aber sicherlich deutlich günstiger sein“, sagt Siemke. Mit zusätzlichen finanziellen Vorteilen für die Bürger bei den Wartungskosten im laufenden Betrieb: „Wenn sie 70 Wärmepumpen haben, kommen die Monteure 70 Mal im Jahr, haben sie 70 Mal ein Schadenspotenzial“, sagt Siemke. Im Nahwärmenetz beschränken sich diese Kosten auf die zentrale Anlage.
„Worauf wir setzen, ist noch nicht final, das ist auch eine Sache, die die Genossenschaft entscheiden muss“, sagt Siemke. „Aktuell orientieren wir uns aber in Richtung Wärmepumpe.“ Eine elegante Lösung wäre eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe über Erdkollektoren. Hierüber könnte die Genossenschaft einen hohen Verhältniswert von 1 zu 5 erreichen. Das bedeutet: Aus einer Kilowattstunde (kWh) Strom ließen sich fünf kWh Wärme erzeugen. Bei einem Strompreis von 40 Cent pro kWh würde die Wärme damit nur acht Cent pro kWh kosten.
Die konzeptionelle Umsetzung einer solchen Lösung würde in der Startphase zu höheren Investitionskosten führen. „Doch bei den Wärmemengen, über die wir in Breese und Gümse reden, macht es Sinn, diesen Mehrinvest in Kauf zu nehmen, weil wir so langfristig erhebliche Einsparungen erzielen können“, sagt Siemke.
„Ein dörfliches Zusammenleben lebt vom Miteinander, von Harmonie, von gleichen Zielen und Werten. Ein gemeinsames Projekt stärkt den Zusammenhalt in den Dörfern“, sagt Siemke zum Abschluss des Gesprächs. Gerade in Krisenzeiten.
Siemke verabschiedet sich vor der Tür. Die Sonne wärmt jetzt noch – Ende November. Doch mit dem neuen, gemeinsam erarbeiteten Wärmekonzept wird es in dieser Gemeinde auch im Winter nicht kalt – weder in den Häusern noch in den Herzen.
Klaus Pluskota arbeitet als Fachjournalist, Mediator und Rechtsanwalt. Sein aktueller Schwerpunkt liegt in der Beratung und Begleitung regionaler Gemeinwohlinitiativen in den Bereichen Gesundheit, Pflege, Energiewende-Dörfer und Vermögensschutz.
Berichte, Interviews, Analysen
Freie Akademie für Medien & Journalismus