Für das österreichische Stichpunkt Magazin war ich auf der Leipziger Buchmesse. Es ist die wichtigste Buchmesse nach der Frankfurter Fachmesse. Während sich in der Finanzmetropole primär „die Branche“ trifft und austauscht, stehen in Leipzig traditionell das Publikum und der lebendige Austausch im Vordergrund. Ich betone: Austausch.
Um es wenig elegant mit den Worten auf der Veranstaltungswebseite zu sagen: „Die Leipziger Buchmesse ist der wichtigste Frühjahrstreff der Buch- und Medienbranche und verbindet Leser:innen, Autor:innen, Verlage und Medien“. Sie sehen schon – man gendert. Jener sprachlich vorauseilende Gehorsam, der dem Leser signalisieren soll, dass man „die Satzbausteine des herrschenden Systems beherrscht“ (Manfred Kleine-Hartlage).
Es ist eine Zeit, in der das eigentlich beschauliche Leipzig aus allen Nähten platzt, keine Hotels mehr buchbar sind und man wegen Überfüllung schon einmal eine S-Bahn ziehen lassen muss. Wer es sich nicht vorstellen kann – Buchmesse in Leipzig hat etwas von München während des Oktoberfests.
Beim Betreten der Messe mit ihren fünf Hallen, in denen man sich verlaufen kann, stolpern wir geradewegs in ein Podiumsgespräch des ÖRR mit Eckart von Hirschhausen, der aus unerfindlichen Gründen noch immer irgendwo eingeladen wird. Der „Scientist for Future“ erzählt irgendwas, der Starfaktor lässt ein paar Leute zuhören, aber so richtig interessiert das niemanden.
Nun ging es an die Arbeit. Ich betrat die Belletristikhalle, wo man am dekadent riesigen Stand von Kiepenheuer & Witsch nicht vorbeikam. Der Verlag veröffentlicht Merkel, Habeck und Sophie Passmann. Hier liegen Sticker aus: „Wir sind viele“, „Zeichen setzen“ und „*Innen“. Das ist eine Werbeaktion der „Verlage gegen rechts“, die sich hier auf der Buchmesse zusammengetan haben. Hätte man nicht schon alles gesehen, es verschlüge einem die Sprache.
Ich will ein Interview führen, auch dafür sind Buchmessen da. Mein Kameramann und ich werden skeptisch beäugt, geradezu gemustert, von Kopf bis Fuß. „Wer seid ihr?“ „Was wollt ihr genau?“ „Wie genau lauten die Fragen?“. Ich gebe freundlich Auskunft. Man sagt mir, man müsse das kurz besprechen. Nach einer Weile die Mitteilung, man bedauere, man sei gerade unpässlich.
Dieser Vorgang wiederholte sich in unterschiedlichen Dramaturgien und Abstufungen am laufenden Band und bei praktisch allen großen Verlagen. Die, mit denen man wirklich gern gesprochen hätte. Auch bei Diogenes, bei der Süddeutschen Zeitung und bei Correctiv versuchen wir es mit Engelsgeduld und bitten um eine Audienz. Das Muster ist offensichtlich: Es reicht inzwischen nicht mehr, den Filter der Akkreditierung passiert zu haben. Es hilft nicht, nicht von der Jungen Freiheit, von Nius oder Compact zu sein. Es geht auch nicht um Seriosität, denn wir fuhren mit schwerem Reportergeschütz auf. Und ich hatte meine Haare gekämmt.
Nein, das alles sind alte Kategorien. Mir tut sich der Verdacht auf, dass das relativ unbekannte Stichpunkt Magazin, nebenbei bemerkt: ein Kulturmagazin ohne verdächtige Ausrichtung, schlicht nicht in die Gruppe 47 passt, um im Bild zu bleiben. Es scheint eine Allianz gesellschaftspolitisch eingenordeter Publikationen zu geben, mit denen man sich unterhält. Oder kurz: Mir kann keiner weismachen, dass man mit dem Tagesspiegel, der taz oder einem der Funk-Kanäle des ÖRR (die Liste ließe sich beliebig verlängern) nicht gesprochen hätte.
Schwingt da Neid mit? Ist es nicht nachvollziehbar, dass die Verlage bei all dem Andrang Prioritäten setzen? Ich sage entschieden nein. Das waren nicht die relevanten Faktoren. Es geht um Cancel Culture und Auslese nach Gesinnung, denn die Absagen klangen immer faul.
Wie sah es mit den Medien abseits des Mainstreams aus? Auch vom Hintergrund-Magazin wurde ich schroff abgewiesen. Man „gebe generell keine Interviews“. Ich empfinde das als Unart. Warum diese Skepsis, das Abtasten? Etwas dick aufgetragen: Wovor habt ihr Angst?
Dass die Gesprächsverweigerung auch Medien der Gegenöffentlichkeit betraf, zeigt: Der Schleier des Misstrauens hängt über der Gesellschaft als Ganzes. Unterkomplexe Weltanschauungen und ideologische Scheuklappen haben sich auch in die Hirne der vermeintlich denkoffenen Verlage eingenistet. Es sei mit Nachdruck erwähnt, dass ich mit Mitarbeitern des Hintergrund-Magazins abseits des „Vorfalls“ herzlich ins Gespräch kam.
Positiv präsentierte sich der Westendverlag. Pressechef Rüdiger Grünhagen zeigte sich nicht nur gesprächsbereit, sondern präsentierte die lesenswerten Bücher zugewandt und erfrischend. Weniger Überzeugungsarbeit brauchten auch die Stände in der Halle der Bildungsverlage. Sowohl mit Klett als auch Cornelsen kam ich leicht und angenehm ins Gespräch über Herausforderungen im Bildungswesen, Digitalisierung und natürlich KI.
Einen interessanten Abschluss bot das Gespräch mit der Redaktionsleiterin des Duden, Dr. Kathrin Kunkel-Razum. Meinen kritischen Fragen zum Gendern stellte sich die Dame mit dem Loriot-Namen, die es beim Duden auf 28 Berufsjahre bringt, voller Elan und Interesse am Gespräch. Ihre tendenziell genderfreundliche Haltung widerstrebte mir, ich bekam absolut nicht zu hören, was ich hören wollte. Aber darum geht es nicht. Es geht darum, dass wir in den Austausch kamen. Ich danke ihr dafür. Eine Gesellschaft, die nicht mehr miteinander spricht, ist dem Untergang geweiht.
Aron Morhoff studierte Medienethik und ist Absolvent der Freien Akademie für Medien & Journalismus. Frühere Stationen: RT Deutsch und Nuoviso. Heute: Stichpunkt Magazin, Manova, Milosz Matuschek und seine Liveshow "Addictive Programming".
Berichte, Interviews, Analysen
Freie Akademie für Medien & Journalismus