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Kommentar | 24.11.2025
Propaganda-Newsletter
Ein Ressortchef der Ostsee-Zeitung meldet sich zum Frühstück. Unser Autor schreibt zurück und fragt: Wie tief wollt ihr noch fallen?
Text: Mirko Jähnert
 
 

Wer in Mecklenburg-Vorpommern regionale Informationen sucht, kommt an der Ostsee-Zeitung (OZ) nicht vorbei. Bei einem Marktanteil von 70 Prozent ist das Blatt samt E-Paper der Platzhirsch im Land. Die OZ gehört zu Madsack, einer Mediengruppe, bei der die SPD durch ein Beteiligungsunternehmen DDVG mit 23 Prozent den größten Anteil und folglich erheblichen Einfluss hat.

Jeden Morgen bekomme ich den OZ-Newsletter per Mail. Ich möchte wissen, was bei uns im Land passiert. Seit fünf Jahren beschäftige ich mich damit, wie Medien arbeiten und welche Funktionen sie haben, ein zweiter Aspekt meines Interesses. Der Newsletter vom 10. November bietet dazu eine gute Gelegenheit. Propaganda, Framing und Weglassen von Informationen als journalistische Stilmittel.

Verfasst wurde der Newsletter von Andreas Meyer, Ressortleiter der OZ. Er schreibt:

Wann immer von „Aufrüstung“, von Planungen der Bundeswehr oder der Nato in MV die Rede ist, werden Befürchtungen laut: Der Nordosten werde so nur noch mehr zur Zielscheibe.

Aufrüstung in Anführungszeichen. Damit suggeriert Meyer schon mal: Alles halb so wild. In der Realität sieht das anders aus. Hat Deutschland 2020 noch rund acht Milliarden Euro für militärische Beschaffungen ausgegeben, liegt der Wert für 2024 bei 22,6 Milliarden. Dank der als Sondervermögen umetikettierten Neuverschuldung. Diese Information bekommt der OZ-Leser hier nicht. Herr Meyer, sind Sie also nicht der Meinung, dass wir gegenwärtig eine Phase der Aufrüstung im Land haben?

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Von der rhetorischen Aufrüstung, die in Medien und Politik stattfindet, ganz zu schweigen. Das Ganze gipfelt in der Absicht des Verteidigungsministers, das Land kriegstüchtig machen zu wollen. Boris Pistorius ist in der SPD – also in der Partei, die am Verlag der Ostsee-Zeitung beteiligt ist. Andreas Meyer schreibt weiter:

Der Krieg in der Ukraine aber beweist: In einem Konflikt mit Russland ist alles und jeder ein Ziel. Schulen und Krankenhäuser, Geschäfte und Kitas. Putins Schergen unterscheiden da nicht.

Meyer nutzt hier rhetorisch die Mittel der Kriegspropaganda und ist damit fernab journalistischer Arbeit. Die Historikerin Anne Morelli hat zehn Prinzipien der Kriegspropaganda herausgearbeitet. Dazu gehören zum Beispiel: Der Feind begeht mit Absicht Grausamkeiten. Und: Der Feind hat dämonische Züge. Genau das macht Andreas Meyer. Vergleicht man die zivilen Opfer des Ukrainekrieges mit den Kriegen der USA oder Israels Vorgehen in Gaza, ist seine Argumentation nicht haltbar. Mit „Putins Schergen“ werden dann gleich noch die russischen Soldaten entmenschlicht, quasi dämonisiert.

Herr Meyer, ich frage Sie: Sind Soldaten auf beiden Seiten nicht selbst Opfer? Haben Sie im Irakkrieg von Bush-Schergen, in Afghanistan von Obama-Schergen, im Donbass von Selenskyj-Schergen oder in Gaza von Netanjahu-Schergen geschrieben? Zivilisten und zivile Einrichtungen wurden in allen Fällen bewusst in Mitleidenschaft gezogen.

Wahrscheinlich stellt sich der Ressortleiter der OZ diese Fragen nicht. Denn im Newsletter fährt er fort:

Und wer meint, MV dürfe sich an der Aufrüstung und den Strategien der Nato nicht beteiligen, weil man damit Russland provozieren könnte, dem sei gesagt, was einst US-Präsident Ronald Reagan so treffend feststellte: „Es gibt nur einen sicheren Weg zum Frieden: die Kapitulation“.

Ok, nun also doch Aufrüstung. Verharmlosend wird dann noch was von Strategien der Nato hinterhergeschoben. Zu den Fakten: Die Nato ist Russland militärisch schon jetzt deutlich überlegen. Sie hat fast das Dreifache an aktiven Soldaten, eine fast viermal so große Luftwaffe und doppelt so viele Kampfpanzer. In etwa ausgeglichen ist das nukleare Potential beider Seiten. Was also soll eine weitere Aufrüstung bringen? Welche Belastung sich für die Bürger ergibt, wenn Deutschland das Nato-Ziel von Verteidigungsausgaben in Höhe von fünf Prozent am BIP anpeilt, erfährt der OZ -Leser ebenfalls nicht. Für 2025 wären das 215,5 Milliarden Euro, also rund 43 Prozent des Bundeshaushaltes. Das muss auf Dauer zu Einsparungen im sozialen Bereich, Bildung und Gesundheit führen.

Dann zitiert Andreas Meyer noch Ronald. Ausgerechnet Reagan. In dessen Amtszeit fielen die US-Invasion in Grenada 1983, die Unterstützung der Contras in Nikaragua, die Finanzierung der rechtsextremen Regierung in El Salvador und viele militärische Aktionen mehr. Ist das für Meyer ein Vorbild?

Im Newsletter bewirbt er den Hauptartikel des Tages:

Der geheime „Operationsplan D“ sieht nun vor, dass MV zur Drehscheibe für Zehntausende Panzer, Soldaten etc. werden könnte.

Im Artikel steht dazu:

Laut vertraulichen Präsentationen sind die Flughäfen Rostock-Laage und Trollenhagen als Drehkreuze für Truppen- und Materialtransporte vorgesehen. Auch die Autobahnen im Land stehen im Fokus der Planer. Noch wichtiger ist der Seehafen in Rostock. Von ihm aus sollen Soldaten und Gerät zu den Bündnispartnern in Skandinavien und im Baltikum verlegt werden.

Seehafen Rostock? Bündnispartner? Meyer setzt hier scheinbar auf die Vergesslichkeit seiner Leser. Etwa ein Jahr ist es her, dass in Rostock das neue Marine-Hauptquartier der Nato eröffnet wurde. Ein klarer Verstoß gegen den 2+4-Vertrag. In den Medien und seitens der Nato ruderte man damals zurück und sprach von einem deutschen Marinequartier. Diese Lüge wurde einen Monat nach der Eröffnung selbst in der OZ offensichtlich:

Drehscheibe für Waffen, Soldaten, Panzer: Für die Nato wird die Warnow in Rostock ausgebaggert

Andreas Meyer am Schluss seines Newsletters:

Das liegt nicht daran, dass Entscheider im Land sonderlich erpicht auf einen Konflikt wären. Es ist allein der Lage des Landes – zwischen Mitteleuropa und Skandinavien, Ost und West – geschuldet.

Schultern zucken. Wir können ja nichts dafür. Wie die Entscheider auf einen Konflikt hinarbeiten, wurde oben dargelegt. Die Geografie ist nicht für Aufrüstung und Kriegsgefahr verantwortlich. Es sind Politiker, die ihren Job nicht machen, und Medien, die das nicht offenlegen.

Darum meine Frage: War das Ihr Ernst, Herr Meyer?

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Mirko Jähnert hat mehrere Kurse an der Freien Akademie für Medien & Journalismus besucht. Er lebt und arbeitet in Mecklenburg-Vorpommern.

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Bildquellen: Steve Buissinne @Pixabay