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Medien-Tresen | 07.11.2025
PR als Realitätsflucht
„Das kann Deutschland“: Die neue Kampagne der Bundesregierung ist eher eine Aufforderung zur Satire, als dass sie informiert.
Text: Helge Buttkereit
 
 

Man möchte nicht in der Haut von Steffen Meyer stecken. Wobei der stellvertretende Regierungssprecher Kummer gewohnt ist. Schließlich begleitet er Lars Klingbeil seit einigen Jahren, war sein Büroleiter und später Referatsleiter Strategie im Willy-Brandt-Haus. Als solcher entwickelte er zentrale Kommunikationslinien der Partei im vergangenen Bundestagswahlkampf mit. Das ist so gehörig schiefgegangen, dass es ihn und seinen Chef an die Spitze gespült hat. Zumindest auf Platz zwei. Klingbeil ist Vizekanzler, Meyer Vizeregierungssprecher.

Und so war er am Montag an der Reihe, die Kampagne zur neuen „kommunikativen Begleitung der Regierungsarbeit“ vorzustellen. Man wolle den negativen Nachrichten etwas entgegensetzen. Gute Botschaften, die sonst untergehen würden, sagt Meyer. Irgendwo in der hintersten Schublade, unter dem Tisch oder im Putzmittelraum muss doch noch ein wenig Aufbruchstimmung versteckt sein. Um sie hervorzulocken, haben sich die Strategen aus dem Bundeskanzleramt mit ihrer Agentur Zum goldenen Hirschen zusammengesetzt und Gedanken gemacht. Oder sie haben ChatGPT befragt, wie das heute gerne getan wird. Am Ergebnis ist das nicht so recht zu erkennen, wie Sie gleich sehen werden. Die Agentur übrigens leitet ein alter Bekannter des Bundespresseamts. Hans-Hermann Langguth war zwischen 2002 und 2005 das, was Steffen Meyer heute ist: Vizeregierungssprecher. Man kennt und beauftragt sich.

Der Slogan der neuen Kampagne ist so einfach, eingängig und hohl, dass er in die infantilisierte Gesellschaft passt: „Das kann Deutschland.“ Die Kampagne ist eine regelrechte Einladung zur Satire, wobei man sich fragen muss, ob man solch elendiges Gefasel überhaupt betrachten sollte. Am Medien-Tresen haben wir entschieden: Im trüben November – der ausgerechnet beim Verfassen dieser Zeilen ein goldener ist – darf man das. Genau ein Jahr nach dem Scheitern der Ampel-Regierung und möglicherweise kurz vor dem Scheitern der nächsten schauen wir mit der Regierung gleich ein wenig darauf, was Deutschland denn so kann. Oder eben nicht.

Bildbeschreibung

Aber vorher zur Kampagne und ihrer Aufmachung. Die Agentur hat sich auf ihrer Website der Nachhaltigkeit verschrieben und punktet mit einer Wiederverwertung. Vom noch relativ neuen CDU-Logo mit der aufsteigenden stilisierten Deutschlandfahne in schwarz (klein), rot (etwas größer) und gold (groß) war noch etwas übriggeblieben. Die drei Striche von „Das kann Deutschland“ sind umgekehrt angeordnet, hier ist schwarz am längsten usw. Sie sehen es selbst. Und auch sonst kommt das alles schlicht daher, eine leicht lesbare Schrift, drei einfache Worte, Artikel, Hilfsverb, Deutschland. Was man halt so noch liegen hatte.

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So wirkt diese Kampagne schlicht und banal. Immerhin ist das erste Video rasant. Der Straßenbau soll endlich voranschreiten. „Alles, was baureif ist, wird gebaut“, sagt der Kanzler dort zu Beginn im O-Ton. Es gibt ein paar kaputte Straßen im Bild, dann aber Aufbruch. „Schluss mit Sanierungsstau“, heißt es. Die Bauarbeiten schreiten voran und Autos rasen durchs Bild. Die Botschaft: Bauen klappt doch. 169 Milliarden Euro werden „für uns alle“ investiert. Schlecht gemacht ist das nicht. Aber Realität? Zweifelhaft. Das zweite Thema: „Aus Wirtschaft wieder Wachstum machen“. Immerhin sitzt der Stabreim. Dreimal das W, ein Höhepunkt im Arbeitstag des Agentur-Texters. Beim dritten Thema geht es um Waffen. Mehr Geld für „Verteidigung“ bedeutet für die Bundesregierung Aufbruch. Wohin? In den Krieg? Darauf müssen wir uns erst einmal ein Schultheiss Pilsener genehmigen, wie man es in den Eckkneipen der Hauptstadt trinkt.

Von der regierungsamtlichen PR-Kampagne erfahren haben wir von der Berliner Zeitung, die das Elend ausführlich kommentiert und analysiert hat:

Liest man die Texte, bekommt man etwas Mitleid mit den Verfassern. Sie müssen Mühe gehabt haben, Konjunktive zu vermeiden. Und um umstrittene Maßnahmen zu kaschieren. Da werden die 500 Milliarden rüstungspolitisch begründetes „Sondervermögen“ zu Lasten dieser Generationen von Steuerzahlern sowie der auf sie folgenden auf einmal zu Investitionen in „Schulen und Kitas“, was so nicht stimmt, weil bisher noch keine verteidigungsrelevante Kinderbetreuungseinrichtung ausfindig gemacht worden sein dürfte.

Und während die Regierung selbst beteuert, man wolle informieren, sieht der Autor ein Symbol der Hilflosigkeit. Das Bundespresseamt dürfe doch nicht mit Wohlfühlkampagnen eine Scheinrealität konstruieren: Die Wirtschaft stagniert, die Bahn erreicht ihre Ziele allenfalls verspätet und Unternehmen ersticken in der Bürokratie. Das Einzige, was nach vorne zeigt, ist der Weg in Richtung Konfrontation mit Russland, ist das Streben nach immer mehr Kriegstüchtigkeit.

Statt der Realität ins Auge zu blicken, flüchten sich die Regierung und die, die deren Politik zu erklären haben, in Schönfärberei. Interessant wäre natürlich, was die Selbstbeweihräucherung der Regierung kostet, einer Regierung, deren Parteien seit Beginn der Bundesrepublik abwechselnd oder gemeinsam das Land geführt haben und damit politisch verantwortlich sind für das, was Deutschland heute nicht mehr kann. Regierungssprecher Meyer sagt, man werde sehen, was die Kampagne kostet. Abwarten, aber später werde man transparent, sagte er in der Pressekonferenz am Montag. Wenn alles abgerechnet ist und die Regierung vielleicht gar nicht mehr existiert.

Schließlich häufen sich gerade wieder Berichte über das Scheitern. Der Außenminister wackelt, der Digitalisierungsminister steht in der Kritik, und der Ex-Fraktionschef der SPD mahnt zur Disziplin. Deutschland mag was können, diese Bundesregierung aber nicht. Da helfen weder eine Kampagne noch ein Schultheiss. Wir lassen uns gleichwohl noch eins einschenken und schauen vom Tresen aus zu, ob die Damen und Herren in Berlin durchhalten. Prost!

Helge Buttkereit ist Historiker, freier Journalist und derzeit in der Öffentlichkeitsarbeit tätig.

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Bildquellen: Steffen Meyer bei der Regierungspressekonferenz am Montag. Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler