Er ist wieder da. Donald Trump entschied letzten Mittwoch die US-Wahlen für sich. Damit zieht er als 47. Präsident der Vereinigten Staaten ins Weiße Haus ein. Mit insgesamt 312 Wahlmännern und einer satten Mehrheit der Stimmbevölkerung konnte er einen Erdrutschsieg einfahren. Das internationale Echo auf seine Wahl reicht von Jubelarien bis zu bitteren Tränen. Auch in der politischen Landschaft der Schweiz ließen die Äußerungen zu seinem Comeback nicht lange auf sich warten. Tamara Funiciello, Nationalrätin der Sozialdemokratischen Partei (SP), spuckte Gift und Galle und bezeichnete es als Schande, dass ein „verurteilter Sexualstraftäter“, der einen „Putschversuch unternommen hat“ und „neofaschistische Tendenzen hat“, wieder Präsident werde. Gerhard Pfister, Ständerat und Präsident der Mitte-Partei, äußerte sich in der NZZ am Sonntag besorgt, dass es mit Trump nun zu einem einseitigen Frieden in der Ukraine käme. Pfister, in der Schweiz bekannt für seine NATO-Affinität, möchte eine noch stärkere Anbindung an das transatlantische Militärbündnis. Deutlich entspannter sehen es die beiden SVP-Altbundesräte Christoph Blocher und Ueli Maurer. Für Blocher sei die Trump-Wahl ein „freudiges Ereignis“. Trump habe „keine neuen Kriege ausgebrochen“, was für die „Weltmacht USA eine Leistung“ sei. Maurer, der Trump noch aus seiner Zeit als Bundespräsident persönlich kennt, sieht ihn gar als „Chance für die Schweiz“. In diesem Punkt ist Maurer beizupflichten. Die Wahl von Donald Trump bietet in der Tat für die Schweiz eine große Chance – nämlich zu ihrer Neutralität zurückzukehren.
Traditionell war es um die Schweiz eher schlechter bestellt, wenn die Demokraten an der Macht waren. Für Bern wurde es in aller Regel ungemütlicher. 2012 brachten die USA unter Barack Obamas das Schweizer Bankgeheimnis zu Fall. Damals drohten die Amerikaner, elf Schweizer Banken aufgrund von Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafrechtlich zu verfolgen. Notgedrungen billigte das Schweizer Parlament den US-amerikanischen Foreign Account Tax Compliance Act (FATCA). Im Juni 2013 wurde dann die Lex USA verabschiedet. Seit Juni 2014 muss die Schweiz den USA Amtshilfe leisten, wenn deren Anfrage sich auf eine Gruppe von sonst namentlich nicht genannten Personen richtet und der entsprechende Verdacht sich auf bestimmte „Verhaltensmuster“ stützt. Banken, die davon betroffen sind, müssen die Namen der Verdächtigten herausgeben. Das Schweizer Bankgeheimnis, das bereits in der Finanzkrise 2008 heftig unter Beschuss gestanden hatte, wurde 2012 de facto abgeschafft – dank der Demokraten. Ein anderes leidiges Thema sind die Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Am 22. Februar 2022, zwei Tage vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine, kündigte der Schweizer Bundesrat an, nicht bei den Wirtschaftssanktionen gegen Russland mitzumachen. Sechs Tage später knickte er dann ein und übernahm die Sanktionen der Europäischen Union. Der Bundesrat „het ghösselet“, um es auf Schweizerdeutsch zu sagen. Dies geschah vor allem auf Druck der Biden-Regierung. Die USA drängten die Schweiz dazu, ihre Neutralität preiszugeben. Die Folge: Russland sieht die Schweiz als feindseligen Staat an – was Sergei Lawrow bei der diesjährigen Waldai-Konferenz in Sotschi nochmals bekräftigte.
Rückblickend betrachtet sind die diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und den USA während der ersten Amtszeit Trumps positiv zu bewerten: Augenhöhe statt präpotentes Auftreten. Trump schätzte die Schweiz für ihre Neutralität – was bei der Biden-Regierung überhaupt nicht der Fall ist. Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht der US-Botschafter in Bern, Scott Miller, die Schweizer Politik dafür maßregelt, dass sie zu lasch gegenüber dem russischen „Aggressor“ handle und endlich ihr Kriegsmaterial an die Ukraine liefern solle. Solch ein gebieterisches Verhalten wird bei der künftigen Trump-Administration eher weniger zu beobachten sein. J. D. Vances kürzliche Kritik an der moralistischen Außenpolitik der USA bekräftigt diese Annahme:
Wir haben eine Außenpolitik des Belehrens, Moralisierens und Schulmeisterns gegenüber Ländern entwickelt, die damit nichts zu tun haben wollen. Die Chinesen hingegen verfolgen eine Außenpolitik des Straßen- und Brückenbaus sowie der Ernährung armer Menschen. Ich denke, wir sollten eine Außenpolitik des Respekts verfolgen – eine Diplomatie, die nicht im Moralisieren, sondern im nationalen Interesse unseres Landes wurzelt.
Die Chancen für echte Friedensverhandlungen zwischen den USA und Russland und damit für einen baldigen Frieden in der Ukraine stehen aktuell nicht schlecht. Die Schweiz sollte dies zum Anlass nehmen, endlich aus dem Wirtschaftskrieg auszusteigen. Dies dürfte der ideale Zeitpunkt sein. Da Trump ohnehin den Ukraine-Krieg beenden möchte, wird er einem Ausstieg der Schweiz aus den Sanktionen vermutlich wohlwollender gegenüberstehen als ein Biden oder eine Harris. Der Gegenwind aus dem Ausland wird für die Schweiz geringer ausfallen. Die Ausgangslage ist günstig. Die Schweiz muss jetzt Mut beweisen und ins kalte Wasser springen. Nur wenn sie die Sanktionen aufhebt, kann sie die Glaubwürdigkeit ihrer Neutralitätspolitik wiederherstellen. Es führt kein Weg daran vorbei.
Michael Straumann hat am Kompaktkurs Journalismus an der Freien Akademie für Medien & Journalismus teilgenommen. Er publiziert unter StrauMedia