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Bericht | 07.11.2024
Das Schnattern der Zeitungsenten
Die Posse um die Eröffnung eines NATO-Stützpunkts in Rostock geriet zu einer grotesken Selbstzensur der Leitmedien.
Text: Mirko Jähnert
 
 

Es hätte so schön sein können. Alles war vorbereitet und die Pressemitteilung war verschickt. Auch der Termin mit Verteidigungsminister Pistorius stand fest. Am 14. Oktober 2024 verkündeten dann auch mehrere Medien Schlagzeilen wie diese: „NATO-Hauptquartier eröffnet in Rostock.“ Doch dann kam Florian Warweg, Redakteur bei den NachDenkSeiten, und vermasselte den militärischen Kindergeburtstag. In seinem Post auf X, der mit mittlerweile 354.000 Aufrufen einer seiner erfolgreichsten sein dürfte, wies er auf einen möglichen Verstoß gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag hin.

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Interessanterweise fand Warweg am selben Tag ein Dokument des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages aus diesem Jahr, in dem dieser der Frage nachgeht, wie eine Loslösung aus völkerrechtlichen Verträgen vonstatten gehen kann. Als Beispiel wurde der Zwei-plus-Vier-Vertrag gewählt. Welch ein Zufall … Als Warweg dann auf der Bundespressekonferenz nachfragt, können die Pressesprecher von Verteidigungsministerium und Auswärtigem Amt mit ihrem Dementi nicht überzeugen.

Der Zwei-plus-Vier-Vertrag besagt in Artikel 5, Absatz 3:

Nach dem Abschluss des Abzugs der sowjetischen Streitkräfte vom Gebiet der heutigen Deutschen Demokratischen Republik und Berlins können in diesem Teil Deutschlands auch deutsche Streitkräfteverbände stationiert werden, die in gleicher Weise militärischen Bündnisstrukturen zugeordnet sind wie diejenigen auf dem übrigen deutschen Hoheitsgebiet, allerdings ohne Kernwaffenträger. Darunter fallen nicht konventionelle Waffensysteme, die neben konventioneller andere Einsatzfähigkeiten haben können, die jedoch in diesem Teil Deutschlands für eine konventionelle Rolle ausgerüstet und nur dafür vorgesehen sind. Ausländische Streitkräfte und Atomwaffen oder deren Träger werden in diesem Teil Deutschlands weder stationiert noch dorthin verlegt.

So weit, so eindeutig. Keine ausländischen Streitkräfte, Punkt. Auch die Ausrede, die Anzahl von 26 Offizieren wäre ja sehr gering, zählt an dieser Stelle nicht.

Der Pressesprecher des Bundesministeriums der Verteidigung beruft sich darauf, dass es sich bei dem CTF Baltic um ein nationales Führungskommando handelt, keiner Einrichtung der NATO.

Im Bericht der Ostsee Zeitung vom 14. Oktober 2024 kann man aber lesen, dass sich Deutschland und Polen um den Sitz des Hauptquartiers beworben hatten und Rostock am Ende den Zuschlag bekam. Wie „national“ kann das Hauptquartier sein, wenn Deutschland sich selbst darum bewerben muss, und wer traf am Ende die Entscheidung für Rostock, wenn nicht die NATO? Die schwedische Armee, die neun Offiziere für das Kommando bereitstellt, kommuniziert da deutlich transparenter (Übersetzung durch Safari Webbrowser):

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Ein Blick in die Vergangenheit: 2021entstand in Ulm das Joint Support and Enabling Command (JSEC). „Das JSEC koordiniert zukünftig sämtliche Truppenbewegungen der NATO-Partner im europäischen Bündnisgebiet“, schreibt die Bundeswehr und spricht ausdrücklich vom NATO-Kommando. Nichts anderes tut das CTF Baltic für die Ostsee. Beim NDR kann man lesen: „Das Hauptquartier in Rostock hat unter anderem die Aufgaben, … Marineaktivitäten der Verbündeten in dem Seegebiet zu koordinieren.“ JSEC und CRF Baltic sind in Größe und Kommandostruktur recht ähnlich, aber anscheinend gilt: Wenn zwei das Gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe.

Selbstzensur der Medien

Jetzt hatten die Leitmedien ein Problem. Schon lange trommeln sie für eine „starke Haltung“ gegenüber Russland. Da war das neue NATO-Kommando der ganze Stolz der medialen Bellizisten. Aber der offensichtliche Verstoß gegen den Zwei-plus-Vier-Vertrag musste irgendwie verwässert werden. Statt also kritisch nachzufragen, zensierten diese sich einfach selbst und retuschierten die NATO aus ihren Schlagzeilen. Aus Nachrichten wurden Zeitungsenten. Beispiel Deutschlandfunk:

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Auch der Journalist Norbert Häring deckte weitere Etikettenschwindel auf. Der Spiegel macht das NATO-Hauptquartier zum Ostsee-Hauptquartier. Das klingt dann mehr wie Fischbrötchenverkauf als nach Verstoß gegen einen völkerrechtlichen Vertrag.

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Der NATO-Faktencheck

Aber zu früh gefreut, die Geheimwaffe der Leitmedien lässt nicht lange auf sich warten – der Faktenchecker. Der NDR zieht dafür Dr. Sebastian Bruns vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) aus dem Ärmel. Das ISPK wird im Übrigen von Dr. Stefan Hansen geführt, einem ehemaligen NATO-Verbindungsoffizier. Bruns, ebenfalls mit strammer transatlantischer Karriere, darf fälschlicherweise behaupten: „In Artikel 5 des Vertrags heißt es, dass bis zum Abzug der sowjetischen Truppen keine ausländischen Streitkräfte in Ostdeutschland stationiert werden dürfen. Dieser Abzug war jedoch bereits 1994 abgeschlossen, und der Vertrag sieht nach dieser Frist keine dauerhafte Beschränkung vor.“ Und weiter: „Ich empfehle allen, den Zwei-plus-Vier-Vertrag selbst zu lesen.“ Hätte er es mal getan …

Letztlich gilt für das NATO-Hauptquartier in Rostock wohl das bekannte Sprichwort: „Wenn etwas aussieht wie eine Ente, schwimmt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann ist es wahrscheinlich eine Ente.“

Eine sehenswerte satirische Zusammenfassung zum NATO-Hauptquartier in Rostock liefert der unvergleichliche Friedrich Küppersbusch auf seinem Youtube-Kanal.

Mirko Jähnert hat mehrere Kurse an der Freien Akademie für Medien & Journalismus besucht. Er lebt und arbeitet in Mecklenburg-Vorpommern.

Bildquellen: Titel: Jon Pauling auf Pixabay, Screenshots: Autor