Bernd Zeller ist seiner Zeit voraus, wieder einmal. Am 26. November, sagt Amazon, erscheint die Autobiografie von Angela Merkel. Das Werbematerial haben die Buchläden schon im Frühjahr bekommen. Üppig wie nie, sagt Susanne Dagen, die in Dresden gegen den Strom schwimmt, oberhalb der Elbe, in einem Refugium voll mit Titeln, die sonst überall auf der Abschussliste stehen.
Das neue Büchlein von Bernd Zeller würde dort wunderbar hineinpassen. Die Langzeitkanzlerin auf dem Cover, mit der gleichen Kette wie beim 42-Euro-Original. Im Titel ein Buchstabe mehr („Frechheit“ statt „Freiheit“), dafür aber innen angenehme 60 und nicht 736 Seiten. Wer beim Buchkauf mit „Cent pro Zeichen“ kalkuliert, wird vielleicht zurückschrecken, aber bei Zeller gibt es für den einen Euro, den drei Seiten kosten, auch Bilder und vor allem Zeit, in der man den Rotwein am Kamin genießen kann. Sorry für die Kopfrechenübung, aber jeder weiß, was Wein mit den grauen Zellen anrichten soll.
Und damit zum wichtigsten Unterschied, eingefangen in den Untertiteln. „Erinnerungen 1954-2021“ bei Kiepenheuer & Witsch. Das kommentiert sich selbst und kann so stehenbleiben. „Die alternativlose Autobiografie von Angela Merkel“ bei Solibro und Bernd Zeller. Das macht neugierig. Zeller, 1966 in Gera geboren, ist jemand in der Welt der ernsthaften Spaßmacher. Gag-Autor für Harald Schmidt, der im Rückblick von Jahr zu Jahr weiser wird. Eulenspiegel, Titanic und Pardon. Karikaturen bei den Großen von links nach rechts oder umgekehrt, vom ND bis zur Welt. Und immer wieder Solibro-Bücher, die sich gar nicht so selten um Angela Merkel drehten.
Nun also die „alternativlose Autobiografie“, die mit einem Zitat von Michael Klonovsky und in der fernen Vergangenheit beginnt (beim Absteigen von den Bäumen) und mit Schabowskis Zettel endet. Angela Merkel immer nicht nur mittendrin, sondern vorneweg. Die Personifizierung des Prinzips Macht. Aus der Autobiografie wird so eine Weltgeschichte, geschrieben mit dem Vokabular der Gegenwart. Ein paar Kostproben:
Bei Bernd Zeller gibt es einen „Faustkeilbeauftragten“, „Nichtregierungsritter“ und einen „Idiotinnendoppelpunkt“. Und das Kommunistische Manifest wird bei ihm zu einer „Auftragsarbeit“, die der „Macht der Zivilaristokratie ein wissenschaftlich anmutendes Fundament geben sollte“. Aber blättert, lest, schmunzelt selbst.