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Artikel | 01.05.2023
Habitus der Arroganz
Journalisten sind nicht mehr neugierig, sondern fragen nur das, was sie schon zu wissen glauben. Eine Dokumentation.
Text: Michael Meyen
 
 

Ende März haben die Leitmedien eine Kampagne gestartet, die auf die Zerstörung meiner akademischer Reputation zielt und damit zugleich auf die Abwertung all meiner Aktivitäten in der Gegenöffentlichkeit. Universität und außerparlamentarische Opposition: Es darf nicht zusammenwachsen, was eigentlich zusammengehört. Jenseits der Artikel offenbaren die Interviewanfragen an den Wissenschaftler, dass es Journalisten gar nicht um Erkenntnis geht. Das Ergebnis der „Recherchen“ steht vorher fest.

Ich halte es eigentlich mit Dieter Nuhr: Lasst uns über das wirklich Wichtige sprechen – also nicht über mich. Ich breche diesen Grundsatz hier, um ein Muster offenzulegen, das zu den Wurzeln all der Probleme führt, die ich in meiner Kolumne Medienrealität alle zwei Wochen diskutiere: Die Leitmedien interessieren sich nicht für die Wirklichkeit, sondern erfinden eine Welt, in der Kritiker von Journalismus, Regierung und herrschender Ideologie ins Abseits gestellt werden.

Zum „Fall“ selbst will ich gar nicht viel schreiben. Es gibt ein kurzes Video vom 17. März, in dem mich Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp als Mitherausgeber der Wochenzeitung Demokratischer Widerstand begrüßen. Ich sage dort in ein paar Sätzen, warum Gedrucktes auch und gerade im Digitalzeitalter wichtig ist. Für unsere Zusammenarbeit hatten wir uns auf die Formel „schützende Hand, mahnendes Wort“ geeinigt. Übersetzt: Sollte die Zeitung angegriffen werden, würde ich an der Seite der Macher stehen und ihnen außerdem alle paar Wochen sagen, was mir gefällt und was nicht. Der Demokratische Widerstand führt mich in den Ausgaben vom 25. März und vom 1. April als Mitherausgeber auf der Titelseite und erklärt in der Folgewoche, warum wir diese Verbindung wieder gelöst haben. Die Reaktionen der Leitmedien sind unter anderem von Paul Schreyer in Multipolar und von Susan Bonath in Manova aufgegriffen worden. Die NachDenkSeiten haben außerdem viele Leserbriefe bekommen, nachdem sie ein paar besonders bizarre „Berichte“ über mich veröffentlicht hatten.

Dass ich hier auf eine Auseinandersetzung im Detail verzichte, ist auch einer gewissen Ermüdung geschuldet. Vor knapp drei Jahren habe ich den ersten öffentlichen Angriff, vorgetragen in der Süddeutschen Zeitung von Sebastian Krass, der gleich noch eine Rolle spielen wird, in meinem Blog Medienrealität mit einer langen Stellungnahme beantwortet. 2021 ist im gleichen Blog ein offener Brief an BR-Intendantin Katja Wildermuth erschienen und 2022 eine von mir kommentierte Ausgabe eines Stückes, das Zeit Campus mit der Überschrift „Ein Prof driftet ab“ versehen hatte. Ich erwähne diese drei Texte zum einen, weil sie meine Sicht auf all das enthalten, was jetzt wieder in die Öffentlichkeit getragen wurde. Zum anderen hätte jeder „Journalist“, der sich mit meinem „Fall“ beschäftigen möchte, hier eine Quelle – gewissermaßen aus erster Hand.

Zum Journalismus gehört, sich unvoreingenommen auf die Wirklichkeit einzulassen und dort möglicherweise auch etwas zu entdecken, was man so nicht erwartet hat und was vielleicht sogar den eigenen Vorurteilen widerspricht. Ich habe das Wort Journalist in Anführungszeichen gesetzt, weil diese Haltung in den vielen Mails, die ich in den letzten Wochen aus Redaktionen im ganzen Land erhalten habe, nur ein einziges Mal durchschimmerte – geschrieben von einem Ruheständler, der für den Bonner General-Anzeiger jobbt. Ich habe auch diesem Herrn nicht geantwortet, weil mir entsprechende Versuche in der Vergangenheit stets im Mund umgedreht und lediglich als Beleg dafür herangezogen wurden, dass man mit mir gesprochen und folglich das Qualitätskriterium erfüllt habe, auch die andere Seite anzuhören. Dass von Anhören wollen keine Rede sein kann, wird gleich deutlich werden. Ich beschränke mich dabei auf einige wenige „Journalisten“, da dpa, Spiegel online, Bayern 1 und andere lediglich auf den Zug der Kollegen aufgesprungen sind. Die erste Anfrage kam am 23. März um 18:08 Uhr, geschrieben von Patrick Guyton, Jahrgang 1967, der in München als Freiberufler arbeitet, sich bei mir aber als „taz-Medienautor Bayern“ und „taz-Medienredaktion“ mit einer Berliner Anschrift meldete:

Sehr geehrter Herr Prof. Meyen, ich recherchiere gerade über Ihre journalistischen-politischen Aktivitäten. Dazu habe ich folgende Fragen: Können Sie bestätigen, dass Sie neben Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp nun dritter Herausgeber der Zeitung „Demokratischer Widerstand“ geworden sind? Journalisten sollen professionell ausgebildet sein, ihr Handwerk also beherrschen. Und sie sollen unabhängig sowie ethischen Werten verpflichtet sein. Ist das Ihrer Ansicht nach nicht (mehr) gegeben? Stellen Sie bei der Entwicklung Ihrer politischen Haltungen eine gewisse Radikalisierung fest? Und können Sie sagen, ob es dafür einen Auslöser gegeben hat wie z.B. Merkels Flüchtlingspolitik oder den Beginn der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie? Mit der Bitte um einige Antworten und freundlichen Grüßen

Was antwortet man da? Sehr weit war die Recherche von Patrick Guyton an diesem Abend offenbar nicht gediehen. Das Video mit Sodenkamp, Lenz und Meyen war online. Die damals aktuelle DW-Ausgabe nannte vier Herausgeber (neben meinen beiden Videogesprächspartnern Maria-Sophia Antonulas und Giorgio Agamben). Von mir gelesen hatte er offenbar auch noch nichts. Anders sind die Fragen zwei und drei nicht zu erklären. Guyton taucht gleich wieder auf. Zunächst aber ist auf zwei Mails hinzuweisen, die am 28. März innerhalb von vier Minuten (!) in mein Postfach kamen. Den Anfang machte um 17.50 Uhr Martin Lejeune:

Sehr geehrter Herr Professor Dr. Meyen, als freier Journalist schreibe ich einen Beitrag darüber, daß Sie neuer Herausgeber sind des „Demokratischen Widerstands“. Würden Sie mit mir telefonieren wollen?

Ich wollte nicht, da dieser „Journalist“ parallel an Philine Conrad geschrieben hatte, Kopf des Festivals „Kunst ist Leben“, bei dem ich am 2. April im Oderbruch auftreten sollte. Er bezeichnete mich dort als „Herausgeber des rechtsextremistischen Periodikums“ DW. Zitat: „Darüber werde ich als freier Journalist einen Bericht schreiben. Daher würde ich gern von Ihnen wissen, inwieweit rechtsextremistische Inhalte zu den Werten und der Kultur Ihres Festivals passen?“ Philine Conrad hat mit ihm telefoniert. Der Stempel „Rechtsextremismus“ ist ein Todesurteil, wenn man auf öffentliche Mittel angewiesen ist. Zum Festival ist Lejeune nicht gekommen. Einen „Bericht“ hat er am 2. April trotzdem geschrieben und ans Kultusministerium geschickt, Stempel inklusive.

Vier Minuten nach Martin Lejeune meldete sich am 28. März Alexander Spöri bei mir, „Regio-Redakteur in München bei t-online“. Seine Mail ging in cc an meine Sekretärin, an das Büro des Universitätspräsidenten sowie an die Presseabteilung der LMU:

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Prof. Meyen, laut der neuesten Ausgabe des „Demokratischen Widerstand“ ist Prof. Meyen Mit-Herausgeber der Zeitschrift. Hinter dem Medium steckt unter anderem Anselm Lenz, der der Verschwörungstheoretiker-Szene nahesteht. Die „Union Druckerei“, die gleichzeitig weitere Zeitungen druckt, die bereits vom Verfassungsschutz beobachtet werden, druckt auch den „Demokratischen Widerstand“. Kann Prof. Meyen uns bitte bestätigen, dass er Herausgeber dieser Zeitung ist und uns erklären, was ihn dazu bewogen hat? Kann uns Prof. Meyen oder die Universität bestätigen, dass 200 Exemplare an den Arbeitsplatz von Prof. Meyen geliefert wurden? Dafür gibt es bereits weitere Quellen. Mit der Bitte um Rückmeldung bis 22 Uhr

Ich weiß: Beamte sind immer im Dienst. Eine Mail, die nach Feierabend ankommt, hat man gefälligst bis zum Schlafengehen zu beantworten. Was soll man sonst zu dieser Anfrage sagen? Eine „Verschwörungstheoretiker-Szene“ also. Und eine Druckerei, die vor aller Augen dunkle Dinge tut. Der DW taucht in keinem Verfassungsschutzbericht auf. Dass er „beobachtet“ wird, hat Spöri exklusiv. Wer weiß, wie die Drähte da laufen. Die 200 DW-Exemplare suche ich immer noch. Die Lieferung ist offenbar mit den Quellen versandet, wobei mir immer noch nicht ganz klar ist, was daran kriminell oder gar staatsgefährdend gewesen wäre. Selbst Studenten haben das Recht, sich umfassend zu informieren.

Am 30. März um 12:06 Uhr hat das Ping-Pong endlich Sebastian Krass erreicht, den alten Freund und Kupferstecher. Vor drei Jahren hatte er mich noch am Handy erwischt. Inzwischen habe ich eine neue Nummer, um vor Leuten wie ihm Ruhe zu haben:

Sehr geehrter Herr Prof. Meyen, telefonisch habe Sie eben nicht erreicht, deshalb wende ich mich auf diesem Wege mit einer Anfrage an Sie. T-Online berichtet, dass Sie Herausgeber der Wochenzeitung geworden seien. „Demokratischer Widerstand“ selbst meldet, sie würden fortan auch eine wöchentliche Medienkolumne schreiben. Dazu habe ich folgende Fragen: Warum sind Sie Herausgeber und Autor von „Demokratischer Widerstand“ geworden? Wie würden Sie die inhaltliche Ausrichtung des Mediums beschreiben? Welche Relevanz hat es aus Ihrer Sicht? Für das Medium hat unter anderem Götz Kubitschek geschrieben, der bekannt ist als Aktivist der „Neuen Rechten“. Sehen Sie darin ein Problem? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, inwiefern? Wir recherchieren zu dem Thema tagesaktuell und haben auch bei der LMU eine Stellungnahme angefragt. Insofern bitte ich Sie um eine Antwort auf die Fragen bis heute, Donnerstag, 16 Uhr.

Knapp vier Stunden: Das ist offenbar das, was so eine Leitmedienredaktion für akzeptabel hält. In seinem Text wird Krass sich dann auf T-Online berufen, seinen Text von damals referieren und zwei Allerweltszitate zu einem Konflikt der Autoritäten aufbauschen. Eine Unisprecherin hat auf die Meinungsfreiheit verwiesen und Markus Blume, Wissenschaftsminister in Bayern, auf die Grenzen, die die Verfassung der Freiheit von Forschung und Lehre setzt. Zwei Statements, die nichts mit dem DW zu tun haben oder mit dem, was ich sonst so tue. Sebastian Krass interpretiert den Satz des Ministers in der Süddeutschen Zeitung so: „Es sind Worte, die als Ansage an LMU-Chef Huber zu verstehen sind, mehr gegen Meyen zu unternehmen als bisher.“ Im Klartext: Ein Journalist konstruiert hier einen Gegensatz, den es so in der Wirklichkeit überhaupt nicht gab oder gibt, und baut so Druck auf die Universität auf. Mir schreibt er am 31. März um 9.39 Uhr eine neue Mail:

Sehr geehrter Herr Prof. Meyen, es könnte sein, dass uns Ihr Engagement bei „Demokratischer Widerstand“ heute noch einmal beschäftigt. Gern wollen wir auch Ihre Sichtweise auf das Thema widergeben. Deshalb richte ich folgende Anfrage an Sie: Wie bewerten Sie die Worte von Wissenschaftsminister Markus Blume in unserer Berichterstattung („Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung. Selbstverständlich müssen verbeamtete Professorinnen oder Professoren sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennen und dafür eintreten. An bayerischen Hochschulen ist kein Platz für extremistisches Gedankengut.“)? Bekennen Sie sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und treten dafür ein? Wenn ja, inwiefern? Und ist das Engagement bei „Demokratischer Widerstand“ vor dem Hintergrund der dort aktiven Autorinnen und der dort verbreiteten Inhalte damit vereinbar? Wenn ja, inwiefern? Bekennen Sie sich zur Treue zur bayerischen Verfassung und zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland? Halten Sie „Demokratischer Widerstand“ für eine Publikation, in der extremistisches Gedankengut verbreitet wird? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, inwiefern? Sehen Sie Anlass, Ihr Engagement bei „Demokratischer Widerstand“ zu hinterfragen oder zu beenden? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, warum nicht?

Es folgt das, was er mir schon am Vortag geschrieben hat (Götz Kubitschek und so weiter). Antworten: bitte bis 15 Uhr. Meine erste Assoziation: Flüge in die USA, verbunden mit der Frage (sinngemäß): Planen Sie einen Terroranschlag? Haben Sie die nötigen Waffen dabei? Wenn nicht, wollen Sie wenigstens Drogen verkaufen? Zweite Assoziation: die DDR mit all ihren Dauerbekenntnissen von der unverbrüchlichen Freundschaft mit allen friedliebenden Völkern und besonders mit der sieg- und ruhmreichen Sowjetunion bis zum Weltfrieden. Ich habe am 27. März 2002 (ein Tag, den ich nie vergessen werde) einen Eid auf die bayerische Verfassung geschworen und wüsste nicht, was mich davon entbinden sollte. How dare you, Sebastian Krass?

Eine rhetorische Frage, ich weiß. Über seinen zweiten Artikel schreibt dieser „Journalist“ am 1. April (!): „Professor Meyen: Ein Fall für den Verfassungsschutz“. Sein Kollege Moritz Baumstieger behauptet am gleichen Tag in einem Kommentar auf Seite 4, dass in meiner nächsten Vorlesung am 18. April bayerische Verfassungsschützer sitzen könnten, und rät den Schlapphüten genau wie den Studenten, sich doch lieber in den Englischen Garten zu setzen und dort in der Sonne all das „Fragwürdige“ zu lesen, was ich „in Blogs und Büchern“ geschrieben habe. Baumstieger kennt das Ergebnis dieser Recherche schon: Über seinem Text steht „Der Quark“. Ich werde mich beim Deutschen Presserat über die Süddeutsche Zeitung beschweren. Wenn ich Bernd Huber, den Präsidenten der LMU, am 3. April richtig verstanden habe, hat die Uni beim Landesamt für Verfassungsschutz gefragt, ob dort Erkenntnisse über den DW vorliegen. Dass sie damit dem Druck nachgab, den Lejeune, Spöri und Krass herbeigeschrieben hatten, ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist ein Journalismus, der für eine Schlagzeile die Wirklichkeit verdreht und so Menschen zerstört. Moritz Baumstieger wird zwei Wochen später seine eigene Empfehlung missachten, aber diese Pointe hebe ich mir für den Schluss auf.

Zunächst wie versprochen zurück zu Patrick Guyton, der mir am 30. März um 10:27 Uhr wieder schreibt, jetzt als „taz-Autor“:

Sehr geehrter Herr Prof. Meyen, Uni-Präsident Huber hat in einem Statement mir gegenüber geschrieben, dass es in der Vergangenheit eine Beschwerde der Fachschaft gegeben habe. Daraufhin habe es nach Auskunft des Instituts bereits „ein klärendes Gespräch zwischen Professor Meyen und den Studierenden“ gegeben. Können Sie mir sagen, was das Ergebnis war?

Erkenntnis Nummer eins: „Journalisten“ wie Patrick Guyton treiben Institutionen vor sich her mit dem Wissen, dass niemand negative Öffentlichkeit will. Erkenntnis Nummer zwei: Gelesen hat Patrick Guyton immer noch nicht. Das „klärende Gespräch“ ist zwei Jahre her und in meinem alten Blog dokumentiert. Am 3. April um 20:37 Uhr hat Guyton offenbar einen Kronzeugen gefunden oder endlich meine alten Texte gelesen:

Sehr geehrter Herr Prof. Meyen, bei der Recherche über Ihre Arbeit am IfKW liegen mir und der taz Aussagen von Studierenden vor. Hiermit erhalten Sie Gelegenheit, sich dazu zu äußern: In der Vorlesung im Wintersemester 2020/21 empfanden Studierende Ihre Äußerungen bezüglich Corona immer wieder als verharmlosend. Sie sollen gemeint haben, dass man das nicht so ernst nehmen solle und auch den Zahlen, etwa den veröffentlichten Inzidenzwerten, nicht so trauen solle. Sinngemäß soll von Ihnen die Aussage gefallen sein, dass bei den veröffentlichten hohen Inzidenzwerten das Land Belgien schon ausgestorben sein müsste. Über die Vorlesung im darauffolgenden Jahr wird berichtet, dass sie immer wieder die damals geltende Maskenpflicht kritisiert hätten. Bis morgen Abend (Dienstag) erhalten Sie die Möglichkeit zu einer Stellungnahme.

Wir schreiben April 2023. Ich dokumentiere diese Mail für alle, die glauben, dass die Coronapanik vorbei ist und es ein Einsehen gibt bei denen, die diese Panik getragen oder sogar befeuert haben. Ich könnte hier auch die Stellungnahme meines Instituts verlinken. Kritiker werden offenbar selbst dann bis ans Ende ihrer Tage verfolgt, wenn die Mehrheit einst danebenlag.

Am 17. April meldet sich endlich die FAZ. Ich hatte schon begonnen, mir Sorgen zu machen. Der Mann fürs Grobe heißt dort Hinnerk Feldwisch-Drentrup. Sein Profilbild zeigt ihn mit Bart, und der Text sagt, dass er für seine Recherchen „vielfach ausgezeichnet“ worden sein soll. Nun ja. In seiner Mail klingt das so:

Sehr geehrter Herr Meyen, ich bin Wissenschaftsredakteur bei der FAZ / FAS und recherchiere gerade zu Vorwürfen, Sie würden Falschinformationen zu Corona verbreiten, Medien diskreditieren (durch die Verwendung von Begriffen wie „Lügenpresse“ oder Äußerungen wie „Faktenchecker sind Propagandamaschinen, die sich als Journalismus verkleiden“), antisemitische Narrative verbreiten oder mit Ihrer vorübergehenden Mitherausgeberschaft der Zeitschrift „Demokratischer Widerstand“ rechtsextremistischen Tendenzen Vorschub leisten. Hierzu habe ich die folgenden Fragen: Zu den Autoren der Zeitschrift gehört Jürgen Elsässer, der auch Chefredakteur des als rechtspopulistisch angesehenen Magazins „Compact“ ist, oder Götz Kubitschek, der einer der Mitbegründer des „Instituts für Staatspolitik“ ist, das vom sächsischen Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wurde. Wie stehen Sie hierzu und warum haben Sie für den „Demokratischen Widerstand“ gearbeitet – und inwiefern wollen Sie dies fortführen? Aus welchem Grund wurden Sie Mitherausgeber der Zeitschrift „Demokratischer Widerstand“, und inwieweit sind Sie dies noch? Falls Sie nicht mehr Mitherausgeber sind: Seit wann sind Sie nicht mehr Mitherausgeber, und aus welchem Grund sind Sie dies nicht mehr? Wie stehen Sie zu Ken Jebsen, dem Antisemitismus vorgeworfen wird und dessen Portal KenFM vom Berliner Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wurde? Inwiefern stimmt es, dass Sie ihn als professionellen Journalisten ansehen? Wie stehen Sie dazu, dass die LMU in Bezug auf Ihre Tätigkeit für den „Demokratischen Widerstand“ das Landesamt für Verfassungsschutz eingeschaltet hat? Ich bitte um Rückmeldung bis Mittwoch.

Wie gesagt: All diese „Fragen“ habe ich längst beantwortet – und zwar so, dass es jeder lesen kann. Wer immer noch nicht glaubt, dass der Journalismus die Neugier genauso verloren hat wie das Interesse an der Wahrheit, der folge mir in meine Vorlesung vom 18. April. Dort sitzt doch tatsächlich Moritz Baumsteiger, der Mann, der mich in der SZ zum Quark-Produzenten gemacht hat – allerdings ohne sich bei mir anzumelden und ohne mich persönlich zu fragen, ob er denn richtig gehört habe und ich schon längst nicht mehr DW-Herausgeber sei. Wobei: Baumstieger hat gar nichts gehört. Sein Bild stand vorher fest. Auf dem Rückweg in die Redaktion schreibt er mir eine Mail:

Lieber Herr Professor Meyen, Moritz Baumstieger hier von der SZ – ich habe mir eben Ihre Vorlesung am IfKW angehört und schreibe einen kleinen Text dazu für die SZ. Dafür hätte eine kurze Nachfrage: Wenn ich Sie richtig verstanden habe, war die Herausgeberschaft beim „Demokratischen Widerstand“ nur für zwei Ausgaben und ruht jetzt oder ist beendet, stimmt das so? Über eine kurze Antwort würde ich mich freuen.

Ich hatte gleich nach meiner Vorlesung vier Stunden Seminar. Baumstiegers Mail kam 14.07 Uhr. Sein Text war 17:29 Uhr online. Im Teaser bin ich „Herausgeber einer Querdenker-Zeitung“. Der Rest ist – Quark.

Erstveröffentlichungen: Manova und Club der klaren Worte

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