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Interview | 12.04.2023
Journalismus im Halbdunkel
Oppositionsmedien wie AUF1, Apolut oder eingeschenkt.tv müssen sich heute verstecken, um ungestört arbeiten zu können.
Text: Michael Meyen
 
 

Das Format heißt Berlin Mitte und der Gastgeber ist ein Profi: Martin Müller-Mertens, wie ich in der DDR aufgewachsen und in den 1990ern zum MDR gekommen. Wenn man ihn heute im Internet sucht, geht es vor allem um Compact, wo Müller-Mertens lange gearbeitet hat, und natürlich um das „österreichische Schwurbelportal“ (taz), für das er jetzt regelmäßig vor der Kamera steht. Als die Anfrage kam, habe ich kurz gezögert. Man weiß vorher ja nie, welcher Tropfen das Fass schließlich zum Überlaufen bringt.

Die Neugier war aber größer. Wer zur Öffentlichkeit in Deutschland forscht, muss wissen, wie die Macher arbeiten. Wobei: Eigentlich wusste ich das schon. Ich war Anfang Februar 2022 bei eingeSCHENKt.tv, einem kleinen Portal aus Sachsen, das als Antwort auf die Ukraine-Berichterstattung entstanden ist – nicht erst jetzt, sondern schon 2014. Das muss man erstmal schaffen: fast zehn Jahre dranbleiben. Ich könnte jetzt Thomas Schenk feiern, den Kopf des Ganzen, oder Alex Quint, einen Finanzexperten, der Interviews führt, als hätte er nie etwas anderes gemacht. Hängengeblieben ist mir aber vor allem die Suche nach dem Studio in Dresden. Ich hatte zwar eine Adresse, aber dort war nichts. Okay: Dort waren ein paar Geschäfte. Friseur, Zahnarzt. In dieser Preisklasse. Dass dort auch gedreht wird, sollte lieber niemand wissen.

AUF1 war insofern ein Déjà-vu. Zum Glück muss Martin Müller-Mertens hin und wieder rauchen und ist so zu sehen auf diesem Platz irgendwo im Berliner Raum. Das Interview haben wir hinter dicken Vorhängen gefilmt, obwohl es eigentlich nichts zu verstecken gibt. Ich habe selten einen Fragesteller erlebt, der so gut vorbereitet war, auf alles reagieren konnte und sich selbst dazu noch so sehr zurückgenommen hat. Fazit: viel gelernt für meine Apolut-Gespräche in einem Raum, der auch kein Klingelschild hat und nur eine halbwegs brauchbare Adresse. Zwei Links:

Zum Roman Hinter der Zukunft von Thomas Eisinger, aus dem das "Motto" stammt, das AUF1 in seiner Ankündigung nutzt (Formulierung von dort): „Mächtig ist, wer die Realität gestaltet. Mächtiger ist, wer die Wahrnehmung von Wirklichkeit gestaltet. "

Und natürlich zum Interview

Bildquellen: auf1.tv