Patrik Baab ist nicht zum ersten Mal im Berliner Sprechsaal und muss deshalb nur kurz vorgestellt werden. Er beginnt seinen Vortrag mit Brechts „Galileo“: „Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“
Der alte Hase im Geschäft mit den Neuigkeiten geht gleich ans Eingemachte. „Cancel Culture“ geht auch andersherum, so Baab, der das, was die meisten Journalisten heute praktizieren, „denunzieren statt recherchieren“ nennt. Viele Kollegen sind für Baab „Narzissten auf der Seite der Mächtigen“. Es treibe sie „die Gier der Intellektuellen, im Hintergrund die Strippen zu ziehen“.
Der Journalist von heute zeichne sich vor allem durch vorauseilenden Gehorsam aus. Der Untertanen-Geist insbesondere bei den Öffentlich-Rechtlichen sei schlimmer als beim Bund, so Baab weiter. Dass Journalisten vieles nicht verstehen, wusste schon Upton Sinclair. Baab zitiert den US-Schriftsteller, der für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagen war, so: „Es ist schwierig, jemandem etwas verständlich zu machen, wenn sein Gehalt davon abhängt, dass er es nicht versteht!“
Praktisch funktioniere es so: Der Inhaber gibt die Linie des Mediums vor, der Chefredakteur gibt diese an seine Redakteure weiter. Spätestens, wenn ein Text dreimal abgelehnt wird, weil er nicht den Vorgaben entspricht, weiß der Journalist, was er schreiben muss, wenn er möchte, dass sein Beitrag erscheint. Und das will er, weil er sonst kein Geld bekommt. Am Ende des Monats muss er aber seine Miete bezahlen, oft auch noch einen Kredit, fügt Baab fast verständnisvoll hinzu.
Journalisten-Kollegen werfen Baab vor, er wäre als Wahlbeobachter Putins bei den Referenden in der Ost-Ukraine zugegen gewesen, über die er wiederholt sagte, dass sie wesentlichen Standards nicht entsprochen haben. Mehrfach habe er die Kollegen darauf hingewiesen, dass er dort nicht als Wahlbeobachter war. Dass er zu einem neuen Buch recherchiere und auch, dass sie es leicht selbst herausfinden könnten, ob er auf Putins Liste stehe oder nicht. Auch die andere Seite zu hören, sei journalistisches Einmaleins, das man keinem Journalisten verbieten könne.
Trotzdem würden Kollegen nicht müde werde, Unwahrheiten über ihn zu verbreiten. Bis heute wird ihm vorgeworfen, „auf beiden Seiten der Front“ recherchiert zu haben. So auch der Titel seines Buches über die „Reisen in die Ukraine“, das im Oktober 2023 erschien und ein Bestseller war. Ein Bestseller allerdings, dessen Fach im entsprechenden Regal bei Dussmann in Berlin dauerhaft leer stand, während er in der Stadtbibliothek in Halle an der Saale auf dem Tisch der Neuerscheinungen lag.
Das Gros der Kollegen, so Baab im Sprechsaal, schriebe über „ausgedachte Realitäten“ im Home-Office und ohne Vor-Ort-Recherche. „Hinterm Schreibtisch reißt er die Klappe auf“, sagt Baab über den Journalisten von heute. Dabei ist der Journalist von Berufswegen der „klassische Delegitimierer“, allerdings von Regierenden und nicht von Kollegen. Ihr „Kampf gegen rechts“ ist, so Baab, in Wahrheit einer gegen links, am Ende gegen die Demokratie selbst.
Außenpolitisch seien deutsche Politiker immer mehr zur „Bauchrednerpuppe Washingtons“ geworden. Gerade die Grünen vertreten nur allzu oft transatlantische Interessen. Dies, so Baab, müsste von Journalisten erkannt und hinterfragt werden, was aber nicht geschieht. Vielmehr übernehme man Vorgaben der Politik einfach und treibe das Land so in einen Krieg.
Baab ist sich sicher: Egal, wer die Wahl gewinnt, die USA werden weiterhin versuchen, diesen Krieg zu „europäisieren“. Damit ist gemeint, dass am Ende der europäische Steuerzahler (und da allen voran der deutsche) bezahlen soll. Der Krieg habe das Ziel, Russland zu „zerlegen“, denn die Profirate sei seit einiger Zeit am Fallen. Eine Möglichkeit, dies zu korrigieren, sei, einen Krieg zu beginnen.
Am Ende kommt Baab auf Dostojewskis „Schuld und Sühne“ zu sprechen. Denn der globale Süden rechne dem Westen gerade seine Schuld vor. Vor allem seine zahlreichen Kriege beispielsweise in Serbien, Afghanistan und Syrien. „Verbrechen und Strafe“ auf globaler Bühne. Wortwörtlich auf den Brettern, die die Welt bedeuten.
Zurück zu Brecht. Wer jetzt der Verbrecher ist und wer nur ein Dummkopf, diese Frage muss jeder für sich beantworten. Obwohl Baab im Sprechsaal Namen nennt, gibt es heute keine Polizei in der kleinen Straße in Berlin-Mitte. Üblicherweise zeigt sie dort Präsenz, aber nicht wegen Patrik Baab, sondern wegen Boris Pistorius, der dort wohnt. Der Verteidigungsminister, der Deutschland kriegstüchtig machen will, ist gerade im Urlaub.